Die Hochschuldemokratie ist tot

Das Modell der repräsentativen Demokratie funktioniert in der Hochschule nicht, meint Leon Holly.

Die neuen Wahlen zum Studierendenparlament (Stupa) haben erneut gezeigt, was vielen schon lange klar war: Die sogenannte Hochschuldemokratie ist klinisch tot, auf dem Totenschein eine Wahlbeteiligung von kümmerlichen 7,62 Prozent vermerkt. Im vergangenen Dezember durfte ich einer Podiumsveranstaltung beiwohnen, wo Vertreterinnen aus Journalismus und Hochschulgremien die Frage diskutierten, warum es denn so schlimm um die studentische Mitbestimmung bestellt ist? Am Ende kam herum, dass alle Parteien – Abgeordnete, Hochschulleitung, kritische Beobachter – etwas zu bemängeln haben, aber die Fehler und den Handlungsbedarf jeweils bequem bei den anderen verorten. Die wichtigen Entscheidungen träfen immer noch Hochschulleitung und Professorinnen, während andererseits die studentischen Vertreter intransparent handeln. Ach ja, und dann sind da noch die Studentinnen, die einfach nicht zur Wahlurne schreiten wollen.

Die Legitimität fehlt

Ich wage es nicht zu schätzen, welcher Anteil der Studis weiß, was der Asta überhaupt ist. Wenn nun der erleuchtete Teil dieser Studis herausfinden möchte, wer in diesem Exekutivgremium die Entscheidungen trifft, können sie das nicht, denn die vollständigen Namen der Mitglieder werden nicht veröffentlicht! Doch damit nicht genug: Es gibt keine Berichte über die Beschlüsse des Studierendenparlamentes, außer die spärlichen Protokolle, die für Unbeteiligte kaum verständlich sind. Im vergangenen Semester war ebenjenes Stupa teilweise nicht beschlussfähig, da weniger als dreißig von sechzig Mitgliedern anwesend waren. Selbst die Abgeordneten haben bisweilen Wichtigeres zu tun.

Die Frage wirft sich also von selbst auf: Ergibt es Sinn, das Modell der Repräsentation von der staatlichen Ebene in leichter Abwandlung auf die Hochschulen zu übertragen, wenn zwar auf dem Papier ein bisschen Demokratie ist, aber letztendlich niemand hingeht? (Nichtbeachtung und Desinteresse sind immerhin die schmerzhafteste Form der Ablehnung.) Viele Studentinnen und Studenten sehen ihre Hochschulbildung offenbar als angenehme Dienstleistung und sind im Großen mit der Lehre zufrieden.

Mitbestimmung geht auch anders

All diese Beobachtungen sollen keineswegs bedeuten, dass studentische Teilhabe nicht benötigt wird – zumal an der FU, die teilweise von Studenten gegründet wurde. Nach den vielen Schulstreiks hat mit leichter Verspätung auch an der FU die Klimabewegung Einzug gehalten, die „Fridays-for-Future Hochschulgruppe“ organisierte eine Klimastreikwoche und eine eigene Ringvorlesung. Es sind solche herausragenden Themen, die viele Studentinnen ergreifen und politisieren. Der Protest wirkt: Die Hochschulleitung hat bereits den Klimanotstand ausgerufen und möchte bis 2025 klimaneutral werden, woran sie künftig gemessen werden kann.Natürlich spricht auch bei „Fridays-for-Future” eine lautstarke Minderheit, doch sie genießt allgemeine Sympathien und trifft ihre Beschlüsse in den Vollversammlungen durch Mehrheitsentscheid. Solch gemeinsames Handeln auf der untersten Ebene ist womöglich effektiver und allemal transparenter als das jetzige System der Repräsentation – selbst wenn mancher Pseudorepräsentant uns weiterhin überzeugen möchte, dass eine Demokratie ohne selbstbewussten Demos möglich ist.

Autor*in

Leon Holly

On the write side of History. @LeonHolly_

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2 Responses

  1. Leute, macht doch mal eure Arbeit. Die Wahlbeteiligung ist gesunken, Studierenden haben an der Unis nicht zu sagen und Studis interessieren sich nicht für ihre Rechte & Pflichten an der Hochschule. Ich finds auch mehr als problematisch.
    Würde aber vllt helfen, wenn ihr eure Arbeit auch mal besser machen würdet. Das Argument mit den Namen ist schonmal Schwachsinn. Es ist eigtl nur bei den drei großen, als links bis linksradikal bekannten Asten der TU, HU und FU üblich Namen nicht einfach öffentlich zu zeigen. Bei anderen Berliner Asten ist es dagegen üblich die Namen zu zeigen, die Beteiligung ist da genauso gering. An der HTW z.B. gibt es klare Hierarchien mit einem Vorstand der sich für alles verantwortlich macht, und die mussten den Asta fasst abschaffen vor ein paar Jahren, weil niemand mehr in den Asta wollte. Ihr wiederholt diese Vorwürfe der Intransparenz immer und immer wieder, könnt hier aber keine tatsächlichen Zusammenhang nachweisen. In meiner Zeit im Asta stand mein Name wenn dann auch nur in Pressemitteilungen. Wenn aber wer zum Asta kam mit einem Anliegen habe ich mich natürlich mit Namen vorgestellt und war ansprechbar. Schaut euch mal die Studien des BMBF an zu studentischem Interesse an studentischer Selbstverwaltung. Da ist bundesweit ein Trend zu erkennen: https://www.bmbf.de/de/der-studierendensurvey-1036.html

    Wann ist in den letzten Jahren die Wahlbeteiligung mal höher gewesen? 2009 an der FU nach der Hörsaalbesetzung, an der TU war sie bei der letzten Wahl ein wenig höher weil eine AfD-Liste angetreten ist und Studis diese offensichtlich rauswählen wollten. Wo ist die studentische Wahlbeteiligung noch niedriger? Beim Akademischen Senat wählen grad mal 2-3% der Studis für den studentischen Sitz!

    Zu eurem Argument über Legitimation. Laut BerlHG ist eine studentische Vollversammlung erst rechtskräftig wenn ihr mindestens 10% der Studis beiwohnen. Bei den FFF-VVs sind keine 3000 Leute… also de facto genauso wenig legitim. Hier aber die FFF-VV gegen das StupPa zu stellen ist total unsinning. Wie viele Leute würden denn kommen zu einer Haushalts-VV? Oder einer Sozialfondssatzung-Änderungs VV? Unwahrschienlich mehr als im StuPa sitzen. Das Stupa hat nicht die Macht, irgendwas an der Uni zu ändern. Aber sowohl Asta als auch Stupa halten die studentische Selbstverwaltung am laufen… ohne diesen Apparat gäb es keine Semesterticket, kein Sozialfonds, keine Ersti-Kalendar, keine einzige Beratung , keine Kritischen O-Wochen, keinen Asta-Bus, keine Medien-werkstatt, keine “kostenlose” Rechtsberatung etc…
    Der Asta hat sehr wohl in den vergangene Jahren angefangen mehr Präsenz zu zeigen. Die Webseite erneuert, die Fassade bemalt, viel stringenter die Vorstellungen in den O-Wochen wahrgenommen, die kritischen O-Wochen unterstützt, mehr Pressearbeit geleistet, mehr EMails versendet (und erst mal das Recht erkämpft Emails versenden zu dürfen). Wir teilen jedes Jahr an 6000 Erstis Beutel mit Merch aus. Ein Jahr haben wir eine “Einführungs-VV” gemacht, da kamen 70 Studis….
    Und ja nebenbei verteilen wir pro Jahr 600.000€ – hört sich viel an, ist aber nix. 16€ pro Jahr pro Studi, wobei das meiste Geld laufende Kosten sind für Beratungen/ Personal (ist natürlich ne politische Entscheidung diese anzubieten). Allein die Stupa-Wahl kostet etwa 20.000€. Pro Jahr pro Studis kommen wir auf so 3-5€ die wir wirklich in den Finanzplena “frei vergeben”, wobei das größtenteils wiederum Ersti-frühstücks und Fachschaftstagungen etc sind.

    Ich finde eine/ eure kritische Berichterstattung wichtig & gut! Aber ihr habt so eine verengte Perspektive. Ihr a) seht nicht was der Asta macht, b) habt keine wirklichen Tips daran was zu verändern, dass sich mehr Studis engagieren (außer die Wahrnehmung, dass gesellschaftliche Themen wie Klimakatastrope auf die Uni “überschwappen”, wobei die Beteiligung an FFF auch weit unter 10% der Studis liegt)
    Wieso nehmt ihr zB nicht mal Stellung dazu, dass der Senat eigentlich die Hochschulen demokratisieren will? Das wir als AStA die Viertel- zw. Drittelparität für alle Gremien fordern? Dass wir in der aktuellen Novelle des BerlHG fordern dass alle Entscheidungen bezüglich Lehre mindestens zu 50% von Studis entschieden werden? Ihr redet die ganze Zeit von Demokratie, habt aber selbst die undemokratichen Machtverhältnisse an der Uni so sehr internalisiert, dass ihr euch genauso wenig für Veränderungen an den Hochschulstrukturen interessiert. Das ihr überhaupt meint, Selbstverwaltug wäre “Demokratie” is total quatschig. Weder der Asta, noch das StuPa haben Möglichkeiten, Studium und Lehre an der Uni zu beeinflussen. Wir sind eigtl nur ein sozialer Dienstleister an den Stellen, wo die Uni total verkackt. Wenn wir uns dann mal irgendwo reinhängen interessiert es niemanden (Beispiel BerlHG Novelle – wenn sich da was tut wären das spürbare Veränderungen, aber kein Studis nimmt das war).

    Der eigentliche Skandal in diesem Frühjahr ist nicht die sinkende Wahlbeteiligung im StuPa, sondern dass die Koalition hinter ihrem Wahlversprechen zurück bleibt und höchst wahrscheinlich alle Ideen der Demokratisierung von Hochschule nicht umsetzen wird. Vielleicht könnt ihr das den STudis ja näher bringen, dazu ne VV einberufen, dann ne Demo zum AGH organisieren. Ich würds feiern!

  1. 1. Februar 2020

    […] legitimierten Institution zu sehen. Als Begründung für seine Todeserklärung nennt der FURIOS-Artikel die niedrige Wahlbeteiligung, schließt auf ein Desinteresse der Studierenden. Und geht sogar noch […]

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