Wie es sich als Mann mit einer Essstörung lebt, darüber berichtet Poetry Slammer und Moderator Aron Boks in seinem Buch „Luft nach unten“. Josefine Strauß hat sich die Geschichte über sein Leiden und den Weg aus der Krankheit angehört.
Es gibt hunderte Frauen, die über ihren Kampf mit der Magersucht ein Buch geschrieben haben. Aber ein Mann, der offen über seine Erfahrungen mit der Krankheit berichtet? Das ist die Ausnahme. Diese Besonderheit zieht auch die FU-Student*innen zur Lesung von Aron Boks. Nach und nach füllt sich der kleine Raum in der Habelschwerdter Allee – eine Lesung in intimer Atmosphäre.
Aron kommt pünktlich und sieht mit seinem senfgelben Hemd, der schwarzen Hose und dem gepflegten Schnauzer aus, als wäre er direkt von einer Poetry Slam Bühne gestiegen. Passend dazu schaltet Moderator und Germanistik-Student Tom direkt zu Beginn alle grellen Lichter aus und stellt stattdessen eine stoffbezogenen 60er Jahre Lampe auf den Lesetisch. Sehr viel Gemütlichkeit für ein eigentlich ungemütliches Thema.
Ernstes Thema und gute Unterhaltung – ein Balanceakt
Die Zuhörer*innen scheinen sich anfangs nicht zu trauen, über Arons Witze zu lachen, schließlich geht es um ein ernstes Thema. Aber Aron will nicht nur einen Einblick in die Gedankenwelt eines psychisch Kranken liefern, sondern auch unterhalten – ein Balanceakt, der Kapitel um Kapitel besser gelingt. Die tiefe charakteristische Stimme Arons versetzt einen noch besser in die einzelnen Situationen. Da sind die Medizinstudierenden, die fragen, ob Magersucht nicht eine typisch weibliche Krankheit sei. Da ist die Fleischverkäuferin, die wütend wird, als er nicht schafft, irgendetwas aus der Theke zu wählen. Und da ist seine Exfreundin Sophie, die ihm nach der Therapie sagt, er sehe jetzt besser aus. Das schlimmste, was man einem Essgestörten auf dem Weg der Genesung sagen kann. Denn besser ist gleich dicker.
Nach dem Lesepart gibt es eine offene Fragerunde. Aron spricht dabei offen über einen der vielen Auslöser für seine Krankheit: Der betrunkene Kommentar eines Bekannten, er sei so dünn, habe aber dicke Backen. Aron leidet unter einer Körperschemastörung, bei der man seinen eigenen Körper verzerrt wahrnimmt. Solche Bemerkungen kann er nur schwer verkraften.
Die Werbung vermittelt falsche Vorbilder
Warum Magersucht dennoch häufiger bei Frauen vorkommt? Einen Grund dafür sieht Aron in der Werbung: „Werbung differenziert immer noch sehr zwischen den Geschlechtern. Für Männer wird es nicht so geprägt, dünn zu sein wie für Frauen“ , sagt der Autor. Aber auch bei ihm hat die Werbung einen kleinen Teil zur Essstörung beigetragen, weil einem vorgelebt werde, dass dünner gleich besser sei. Mittlerweile hat er gelernt, mit der Krankheit umzugehen, aber stellt auch klar: „Ich wurde behandelt, nicht komplett geheilt“. Ganz ablegt werden könne die Krankheit nie.
Zum Schluss der Lesung holt Aron seinen Freund Jonathan Schmitz auf die Bühne, zusammen bilden sie „Das zappelnde Tanzorchester“. Das kuschelige Licht wird gegen grelle Beleuchtung getauscht und Aron geht in seiner Rolle als Poetry Slammer und Unterhalter auf. Denn gesungen wird in diesem Duo nicht, stattdessen trägt Aron seine Texte in bekannter Poetry-Slam-Manier vor, Jonathan begleitet ihn auf der Gitarre. Spätestens als Aron einen Text über konservatives Verhalten und die junge Union vorträgt, sind die Zuhörer*innen sichtbar gelöst und erheitert. Der schwierige Mix aus Tragik und Komik ist Aron Boks an diesem Abend definitiv gelungen.
Das Buch „Luft nach unten: Wie ich mit meiner Magersucht zusammenkam und mit ihr lebte“ von Aron Boks ist im Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienen und im Buchhandel für 14,99 Euro erhältlich.