Doping für die Haare (und den Rest)

Wie kommt ein Journalist mit falschem Bart auf die Idee, es bräuchte investigativen Sportjournalismus? Das hat Matthäus Leidenfrost sich von einem bekannten Vertreter des Faches erklären lassen.

Investigativer Sportjournalismus wird im Angesicht aktueller Dopingskandale immer wichtiger. Illustrationen: Pixabay.com Bildmontage: Annika Grosser

Die Welt des Sports ist voller strahlender Held*innen und glanzvoller Momente — aber es gibt auch Schattenseiten, wie wir seit einigen Dopingskandalen wissen. Hajo Seppelt ist einer der Journalist*innen, die versuchen, Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Der investigative Sportjournalist des ARD sprach an der FU im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Journalismus im Dialog“, organisiert vom Center for Media and Information Literacy der Freien Universität und der Süddeutschen Zeitung. 

Schwarze Schafe? Schön wärs!

Dass es investigativen Sportjournalismus überhaupt gibt, ist keine Selbstverständlichkeit, betont Seppelt. Viele Kolleg*innen seien einfach Fans, für die ein Traum wahr wird, wenn sie über ihre große Leidenschaft berichten dürfen. Doch ein System zu unterstützen, das von Betrug in großem Rahmen profitiert, sei nicht der Sinn von Journalismus. Die Geschichte mit den schwarzen Schafen, die nach dem Auffliegen eines Skandals gern als Ausrede vorgeschoben wird, stimme einfach nicht.

Man müsse bedenken, so Hajo Seppelt, dass die Sportverbände aufgebaut sind wie der Tischtennisclub von nebenan. Es gäbe kaum Kontrollinstanzen und da von Doping alle profitieren, gäbe es natürlich auch kein Interesse dem ganzen entgegenzuwirken.  Von den Sponsor*innen, die mit außergewöhnlichen Leistungen protzen können, über den Verband, der überall mitschneidet – das Risiko für Gesundheit und Ruf gehen letztendlich die Sportler*innen ein. 

Den Großen auf die Füße treten

Eine der größten Geschichten, die von Seppelt und seinem Team aufgedeckt werden konnten, betrifft wohl das systematische Doping seitens des russischen Staates, das letztendlich zum Ausschluss der russischen Mannschaft von mehreren Olympischen Spielen führte. Für die Recherche reiste der Sportjournalist unter anderem mit falschem Bart nach Russland und traf dort einen Mediziner, der ganz offen mit illegalen Substanzen warb. Die Ausreise ohne falschen Bart gestaltete sich dann schwieriger als erwartet: Am Flughafen wurde Seppelt vom Sicherheitspersonal über das Verschwinden seiner Gesichtsbehaarung befragt. Die Recherche wirbelte so viel Staub auf, dass Hajo Seppelt in Russland zur persona non grata erklärt wurde und nicht zur Fußball-WM 2018 anreisen durfte. 

Warum beschäftigt man sich aber überhaupt mit Doping im Sport? Der Investigativjournalist erzählt von seinem eigenen idealistischen Zugang: Schon als Kind gab er seine Fouls beim Fußballspielen immer zu. Als er dann zum Wasserball wechselte und der Trainer ihm riet, seine Gegner doch mal eher unsportlich zu berühren, war auch hier für ihn Schluss. Später in der Sportredaktion merkte er schnell, dass die Kolleg*innen mehr wissen, als sie berichten. Das komme für ihn aber nicht in Frage: „Journalismus ist mehr als ein Beruf, denn er dient der Wahrheitsfindung!“

„Journalismus ist mehr als ein Beruf, denn er dient der Wahrheitsfindung!“

Hajo Seppelt

Anfangs gab es gegen diese Einstellung durchaus Widerstand. Vorherrschendes Ziel blieb, aus Übertragungsrechten einfach Quoten zu generieren. Aber da der Sport an sich schon Event genug sei, sollte nicht mehr Show betrieben werden als nötig, findet Hajo Seppelt. Der öffentlich rechtliche Rundfunk habe die Verpflichtung, das Publikum umfassend zu informieren. Wer unkritisch massenhaft betrügerische Vorgänge ausstrahlt, werde diesem Anspruch nicht gerecht.

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