FURIOS gafft: Ein heimliches Vergnügen

Gaffen kann man nicht nur vom Fenster aus, sondern auch im Fernsehen. Neugier und Scham, Hand in Hand im Reality-Show-Land, beobachtet Maj Pegelow.

Rote Rosen flimmern auf der Mattscheibe, wir glotzen hin. Bild: unsplash.com

„Also er hatte dreimal das gleiche Date mit drei verschiedenen Frauen und mit zweien hat er rumgemacht.” So ein Gespräch in der Öffentlichkeit zu belauschen, wäre gar nicht so einfach. Wenn ich dort etwas Komisches, wie diesen Satz, hören würde, wäre es schwer, keine Reaktion zu zeigen. Es kann also ziemlich offensichtlich sein, dass ich zuhöre und mich für ein paar Augenblicke mit dem Leben und Gedanken anderer Menschen auseinandersetze. Und peinlich. Wie gut, dass ich das auch machen kann, ohne dass es jemand mitbekommt. Wie gut, dass es Reality-Shows gibt.

In der Schule haben irgendwann alle angefangen Germany’s next Topmodel zu gucken. Wer das nicht geschaut hat, konnte nicht mitreden. Und so lief bei fast jeder*m am Donnerstagabend Pro7, und jede*r diskutierte mit, ob Heidi der Richtigen ein Bild gegeben hat und damit die Chance auf den Titel. Doch die Begeisterung ebbte ab: Mit der Zeit wurden es immer weniger und so ganz uncool war man jetzt nicht mehr, wenn man die Sendung nicht verfolgt hat.

Große Dramen – was dahinter?

Wir waren erwachsener geworden, die Reality-Shows kein Massenphänomen mehr und ich verlor den Überblick, wer was schaute und interessant fand. Ich fand es selber nicht mehr spannend und weltbewegend schon gar nicht. Bis meine Eltern beide mittwochabends oft Veranstaltungen hatten und das Wohnzimmer frei war. Mit meinem Bruder konnte ich ungestört durch die Kanäle zappen. Beim Bachelor und seinem weiblichen Pendant blieben wir hängen.

Unser Interesse galt RTL nur zeitweise, und doch setzt es sich bei mir teilweise noch bis heute durch. Und natürlich frage ich mich, was genau an diesen Formaten denn eigentlich so spannend sein soll. Warum schaue ich mir an, wie eine Gruppe von Frauen um das Herz eines Mannes buhlt und warum urteile ich gleichzeitig über die Leute, die da mitmachen? Am Ende bin ich immer noch diejenige, die es sich anschaut. Aber die Motive sind so schön einfach, so schön primitiv. Es geht um Konkurrenz, Eifersucht, Klischees, Gewinnen und Verlieren. Und um eine große Reichweite bei Instagram. So ganz ernst können die Shows dann irgendwie doch nicht gemeint sein.

Eine Einladung nimmt man gerne an

Bei Reality-Shows werde ich eingeladen zu gaffen, und das macht die ganze Sache vielleicht auch so unangenehm zuzugeben. Wer gibt schon zu, sich freiwillig mit trivialen Problemen anderer Leute zu beschäftigen? Es könnte mir ganz egal sein, welche Z-Promis beim Dschungelcamp mitmachen, oder welche sexistischen Klischees der Bachelor bei einer Frau sucht. Und eigentlich ist es mir das auch. Trotzdem: Nach einem anstrengenden Tag ist es doch ungemein entspannend, sich eine Parodie (bei aller Liebe, aber eine ganze Folge am Stück kann ich mir nicht anschauen) der letzten Folge des Bachelors anzugucken.

Plötzlich muss ich mich nicht mehr mit den eigenen Problemen auseinandersetzen, sondern kann mich mit den Problemen anderer beschäftigen. Danke Privatfernsehen! 

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