FURIOS gafft: Der speiende Passagier

Eine vollgekotzte FlixBus-Toilette, ein wütender Busfahrer und ein ignoranter Fahrgast: Die Phasen einer Eskalation. Gregory Gutmann gafft.

Unser Autor weiß: Busfahrten können echt übel sein. Quelle: unsplash

„Bitte kein Papier in die Toilette werfen, sonst verstopft sie. Einen Mülleimer findet ihr zur linken Hand. Bitte verlasst die Toilette so, wie ihr sie vorgefunden habt!“, tönte es am Anfang der Fahrt aus den Lautsprechern. Der energische, etwas herrische Busfahrer schien seinen Job sehr ernst zu nehmen. Stolz schwang in seinen Worten über den blitzblanken Bus mit. Doch die Gegenseite lümmelte sich bereits am anderen Ende des Busses und machte sich einer der schlimmsten Vergehen im öffentlichen Nahverkehr schuldig: Videos schauen ohne Kopfhörer!

 Der Konflikt

Ihn hatte der Busfahrer von Anfang an auf dem Kieker. Bevor der Bus losfuhr, hatte er den jungen, rothaarigen Mann bereits ein erstes Mal angeschnauzt (Füße vom Sitz und Schuhe an!) und seine Fahrkarte erneut kontrolliert. Wahrscheinlich wollte der Busfahrer jedes ungebührliche Verhalten im Keim ersticken. Murrend wurden seine Anweisungen befolgt, nur um sie einige Minuten nach Abfahrt wieder zu ignorieren. Kurze Zeit später verschwand der Rotschopf in Richtung Toilette.

Nach einer Stunde stoppten wir unerwartet auf einer Raststätte im Nirgendwo, 6 km entfernt von Neuruppin. Die Toilette war vollgekotzt und jemand hatte den Busfahrer informiert. Der Täter war schnell gefunden und die Anklage lautstark vorgebracht. Weitere Vergehen (Schuhe ausgezogen, Füße auf den Sitzen, nicht angeschnallt) schienen den Fall nicht zu begünstigen. Doch vor allem sein Verschweigen der Tat führte zum Urteil: Rausschmiss! Die Verteidigung, in ähnlicher Lautstärke: „Was soll ich hier machen? Ich steige nicht aus!“

Ob Rachegelüste oder Alkohol vom Vorabend zum Erbrechen motivierten, Treffsicherheit schien es nicht zu sein. Weder Treppe noch Toilette wurden verschont. Als die Drohung, die Polizei zu holen, nicht verfing, wurde sie gerufen.  Und so warteten wir eine Stunde. Rauchende vertraten sich die Beine, der Busfahrer putzte die Toilette und der Beschuldigte starrte finster vor sich hin. Am Ende fuhren wir ohne ihn weiter.

Wer trägt die Schuld?

Musste die Situation so eskalieren? Gerne hätte ich ihnen die Inhalte eines etwas öden Verhandlungsseminars zugerufen: Teilt den Kuchen (Verhandlungsbasis) und arbeitet miteinander, statt gegeneinander. Vielleicht hätte sich ein Kompromiss finden können (Die Kotze selbst wegwischen?). Doch war keiner der beiden bereit, auch nur einen Zentimeter zu weichen. Am Ende war das Ganze für alle zum Kotzen. 

Ich konnte nicht sagen, wer hier richtig oder überreagiert hat. Klar – niemand sollte sich anschreien und autoritäres Verhalten gefallen lassen. Aber sich so rücksichtslos gegenüber Leuten zu verhalten, die für wenig Geld hart arbeiten, weil man ein paar Groschen bezahlt hat, ist auch das Letzte.

Wenn wir gaffen, urteilen wir über andere. Dabei wissen wir gar nicht, was in ihnen vorgeht. Als ich den Bus verließ, sah ich den Busfahrer nochmal für einen kurzen Moment. Sein Blick hatte etwas Erschüttertes. Die Situation schien ihm doch näher gegangen zu sein, als er je zugeben würde. Fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte, oder war es verletzter Stolz? Ich werde es nie wissen. Mein nächster Zug kam in ein paar Minuten.

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