Fachidioten aller Studiengänge, vereinigt euch!

Viele Studierende gehen zurzeit bei der Kurswahl leer aus. Zeit für wirklich kreative Lösungen, finden Elias Fischer und Julian Sadeghi.

„Machen Sie aus diesem Semester etwas ganz Besonderes!“ Es ist ein aufregender Appell, den Universitätspräsident Günter Ziegler in einer E-Mail an seine Studierenden richtet. Er erweckt Enthusiasmus. Doch erklärt man die Aufforderung Zieglers zum eigenen Motto für das anstehende Semester, das in den anstehenden Kursen reizvolle Herausforderungen durch neue Lehrmethoden verspricht, steht man schneller vor verschlossenen Türen, als man vermuten würde. Die verschlossenen Türen, das sind ausfallende Veranstaltungen, noch mehr platzbeschränkte Kurse, passwortgeschützte Blackboardkurse, ein unflexibles Campus Management, fehlende Qualifizierungskurse und und und. Diejenigen ohne Türschlüssel: Studierende, die bei der Platzverlosung in der Blitz-Digitalisierungsoffensive Nieten gezogen haben oder, potzblitz, einfach ihr Allgemeinwissen steigern wollen.

Bildung oder Ausbildung?

Die Universität sollte aus der Not eine Tugend machen und ihre interdisziplinäre Lehre stärken, den Studierenden das studieren wieder ermöglichen. Das lateinische Wort studere bedeutet übersetzt „sich bemühen”. Latein mag eine veraltete, verstaubte Sprache sein, aber es ist an der Zeit, alte Begriffe zu entstauben: Humboldtsches Bildungsideal, humanistische Bildung und Holismus etwa. Die Bologna-getrimmte Universität hat schon viel zu viele Monobachelor-Absolvent*innen auf die Welt losgelassen, die den schier unendlichen Schatz an Wissen, den eine Uni theoretisch bietet, nicht gehoben haben oder nur bedingt nutzen konnten. Die Zahl unverknüpft gebliebener Synapsen schreit geradezu nach einem Kurzschluss: Zündet den humanistischen Bildungsmotor jetzt!

Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach hat das „Kreativsemester“ ausgerufen. Wirklich kreativ wäre es, das Sommersemester zum „Semester generale“ zu machen. Wie könnte das praktisch aussehen? Das Korsett der Studienordnung, das den Studis durch das verschulte Studium übergezogen wurde, könnte gelockert werden. Sprich: es sollte Studierenden freistehen, an Vorlesungen anderer Disziplinen teilzunehmen. Ein Beispiel: So könnten OSI-Studierende, die vom Ausfall der Vorlesung „Einführung in die rechtlichen und rechtsphilosophischen Grundlagen der Politik“ betroffen sind, stattdessen anrechnungsfähig die Veranstaltung „Einführung in die praktische Philosophie“ am FB Philosophie belegen. Dank Webex-Vorlesungen am heimischen Computer sollte das problemlos möglich sein. 

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.”

Benjamin Franklin

Das Ergebnis könnte folgendes sein: Studierende erweitern ihr Wissen über das eigene Fach hinaus, haben Spaß daran, zeigen mehr Engagement, äußern Dankbarkeit gegenüber Dozent*innen durch detailliertes Feedback, verbessern die Veranstaltungsqualität, Dozent*innen konzipieren neue Bewertungsmaßstäbe. Ein Gewinn für alle oder zu viel des Guten?

Die FU trägt ein Adjektiv in ihrem Titel, das viel Gutes und vor allem etwas „Besonderes” birgt: frei. Sie kann und sollte diesem Wort wieder mehr Nachdruck verleihen, Freiheiten an der Uni wieder eröffnen. Sie könnte dies tun, indem sie disziplinübergreifend Vorlesungsmaterialien auf Blackboard für alle Studierenden frei zugänglich macht, auch wenn die Module letztlich nicht jedem*jeder anrechenbar sein sollten. Sie könnte dies tun, um sich dafür einzusetzen, das Studium künftig wieder zu einem Studium zu machen; zu einem Reife- und Bildungsprozess, frei von Bologna und Regelstudienzeit. Man munkelt, es gebe auch Studierende, die sich völlig frei von Credit Point-Erwägungen in ihrer Freizeit für andere wissenschaftliche Disziplinen interessieren, ohne darin gleich einen Abschluss anzustreben. Wissen ist für alle da!

Autor*innen

Elias Fischer

Seine Männlichkeit passt nicht ganz in den Bildausschnitt.

Julian Sadeghi

Einer der Julian Sadeghis dieser Welt.

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