Gute Wertung, schlechte Wertung

Fünf, vier oder einen Stern? Onlinerezensionen sind fester Bestandteil des Online-Shoppings, doch nicht jede ist hilfreich. Ein Forscher der FU hat herausgefunden, wie, wann und wem sie helfen. Text Elias Fischer.

Brauch’ ich vs. will ich: Wann erachten wir Onlinerezensionen als hilfreich? Foto: Annika Grosser

Die Digitalisierung ist einer der einflussreichsten Prozesse der letzten Jahrzehnte. Die Umwandlung der analogen in die digitale Welt verändert das globale Geschehen, so auch den Warenhandel, der sich nach und nach von den Läden hin zum Online-Markt verschiebt. Entfielen an ihn im Jahre 2000 0,3 Prozent des Gesamtumsatz des deutschen Einzelhandels, belief sich der Anteil im Jahre 2019 auf 10,8 Prozent. Mit dem anschwellenden Onlinemarkt steigt die Bedeutung von Onlinerezensionen. Laut einer Studie von Caterra schenken Kund*innen den Rezensionen sogar eher ihr Vertrauen als Expert*innen. Da erscheint es nur logisch, dass sich die Marktforschung der psychologischen Auswirkungen der Onlinebewertungen annimmt. In seiner Arbeit „How Regulatory Orientation and Feelings of Gratitude Shape Online Review Helpfulness” hat Alexander Mafael, Wirtschaftswissenschaftler an der FU, auf Basis ausgewählter Rezensionen der Plattform amazon.com untersucht, welche Faktoren dazu führen, dass Menschen Rezensionen als nützlich erachten.

Ich suche, also les’ ich

Alexander Mafael hat in fünf Studien die Nützlichkeit von Onlinerezensionen analysiert und festgestellt, dass bei der Wahrnehmung ihrer Nützlichkeit der Regulationsfokus entscheidend ist. Doch was ist der Regulationsfokus? „People approach pleasure and avoid pain”, schrieb Edward Tory Higgins, Professor für Psychologie und Wirtschaft an der Columbia University, 1997 in seinem Buch „Beyond Pleasure and Pain”. Er beschrieb damit das hedonische Prinzip, dem menschliches Handeln zugrunde liegt. Um das Handeln aber in Gänze verstehen zu können, sei es notwendig, auch den Regulationsfokus zu begreifen. Der gliedert sich in zwei Ausprägungen: den Promotions- und Präventionsfokus. Ersteren legen Menschen bei Pflegebedürfnissen an, wenn ein positives Ergebnis von einer Handlung erwartet werde. Zweiterer komme zum Tragen, wenn Bedürfnisse nach Sicherheit und Funktionalität befriedigt werden, also keine Nachteile entstehen sollen. 

Mafael fand heraus, dass Menschen, die bei der Produktsuche einen Promotionsfokus anlegen, eher gute Bewertungen als hilfreich wahrnehmen. Gute Bewertungen, das waren jene, die Nutzer*innen auf amazon.com mit mehr als drei Sternen beurteilten. Kaufen sie hingegen unter einem Präventionsfokus, erachten sie vermehrt schlechte Bewertungen – also Bewertungen mit weniger als drei Sternen – als nützlich. Was heißt das genau? Ganz vereinfacht: Sucht eine Person etwas, das darauf abzielt, ein bestimmtes Verlangen zu erfüllen, Freude zu bereiten, ist es wahrscheinlicher, dass sie gute Bewertungen als hilfreich erachtet. Sucht die Person ein Produkt, das unerwünschte Effekte vermeiden soll, sind es eher schlechte. 

Vielen Dank für die Bewertung, lieb von dir

Amazon.com hat die Wichtigkeit der Onlinerezensionen längst erkannt. Ein Algorithmus sortiert Bewertungen nach hilfreichen, bzw. nicht hilfreichen und zeigt die hilfreichen zuerst an. Grundlage dafür sind Erhebungen, die der Konzern selbst durchführt. Lesen Nutzer*innen eine Rezension, fragt amazon.com in einem Ja-Nein-Votum, ob diese nützlich war oder nicht. Mafael untersuchte dahingehend, wie Dankbarkeit gegenüber einer Rezension, bzw. deren Verfasser*in, die Bereitschaft zu antworten beeinflusst. Sein Ergebnis: Generell sinkt die Bereitschaft, Rezensionen als hilfreich einzustufen, wenn darin von Verfasser*innen explizit eine Einschätzung erwartet wird. Außerdem stellte Mafael fest: Unter einem Promotionsfokus sind Menschen vermehrt dankbar für gute Bewertungen, unter Präventionsfokus schlechte Bewertungen. Fokus und Dankbarkeit gehen hier Hand in Hand.

Kurt Gebistorf schrieb einst in seinem Buch „Irrwitz“: „Ich höre nur, was ich hören will.” Eine ähnliche Psychologie scheint sich hier zu zeigen: Menschen sind besonders dann dankbar für eine Rezension und bewerten diese als hilfreich, wenn sie das bestätigt, was sie ohnehin wollen. Ein gutes Gefühl beim Kauf ist wichtig, eine gute Rezension kann dazu beitragen. Marketing-Manager*innen obliegt es nun, damit die Rezensionskultur zu verfeinern, die eigene Plattform kundenfreundlicher zu gestalten, das Gefühl beim Kauf zu verbessern.

Autor*in

Elias Fischer

Seine Männlichkeit passt nicht ganz in den Bildausschnitt.

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