Im Plenum keine Revolution

Das Studierendenparlament ist zur wichtigsten Sitzung des Jahres zusammengekommen. Doch statt der erwarteten Mega-Debatte hakte man selbst brisante Themen zügig ab. Jette Wiese und Julian Sadeghi wundern sich: ein Stupa ohne Streit?

Diesmal mussten die Parlamentarier*innen mehr Abstand halten als normalerweise. Illustration: Lena Leisten

Nun also doch – mit Präsenz und Mundschutz. Das Studierendenparlament kam am vergangenen Donnerstag zu seiner ersten Sitzung im Sommersemester zusammen. Statt wie an der Uni Münster per Videokonferenz zu tagen, wurden die 60 Parlamentarier*innen ins Audimax geladen. Grund dafür war die anstehende Asta-Wahl sowie die Verabschiedung dessen Haushalts für das Jahr. Doch statt der erwarteten Mega-Sitzung handelte man die wichtigsten Aufgaben der studentischen Selbstverwaltung im Eiltempo ab – und ließ sich keine Zeit für Debatten. 

Das Stupa wählte Referent*innen für neun der 13 Asta-Referate, die so etwas wie die Ministerien der studentischen Selbstverwaltung sind. Um die Ansteckungsgefahr möglichst gering zu halten, durfte jedoch immer nur ein*e der jeweils drei Referent*innen an der Sitzung teilnehmen und sich und die Mitkandidierenden vorstellen. Gewählt wurden die Referate jeweils per Blockwahl, Gegenkandidat*innen, -stimmen oder Nachfragen an die Kandidierenden gab es nicht. 

Klimaaktivist*innen in der Asta-Villa

So viel Gleichgültigkeit im Stupa ist erstaunlich, bedenkt man, dass viele Kandidat*innen erstmals antraten und im hochschulpolitischen Kosmos der FU noch relativ unbekannte Gesichter sind. Einige der Neuen engagieren sich bei Fridays for Climate Justice, die bei der Stupawahl im Januar mit Abstand die meisten Stimmen holten. Für die Asta-Kandidatur habe sie vor allem die viertägige Besetzung des Hörsaals 1A im vergangenen November motiviert, erklärten drei der neugewählten Referent*innen. Zusammen mit erfahrenen Asta-Mitgliedern stellen sie nun unter anderem das Sozial- und Hochschulreferat. Ihr Einzug in die hochschulpolitischen Institutionen verstärkt den Eindruck aus der Klimastreikwoche: Die Neuen in der Hochschulpolitik sind den traditionellen Asta-Gruppen eng verbunden. Dass sie dort für frischen Wind sorgen, ist kaum zu erwarten – im Stupa haben sie es bisher jedenfalls nicht.

Das Studierendenparlament der FU hat seine Opposition, mindestens aber seine streitbare parlamentarische Debattenkultur, verloren. Vorerst vorbei scheinen die Zeiten, in denen fünfstündige Grundsatzdiskussionen über Sinn und Unsinn von Anträgen geführt wurden. Vorerst vorbei scheinen die Zeiten, in denen Geschäftsordnungsanträge große Kontroversen auslösten. Bei dieser Stupa-Sitzung: Einhelliges Nicken, oft einstimmige Abstimmungsergebnisse. Statt Gegenstimme oder gar Gegenvorschlag, Enthaltung, mal hier und mal da.

Konfrontation war vorgestern

Dabei hätte es durchaus Anlass für kritische Nachfragen gegeben. Etwa, als der ehemalige Finanzreferent zu Beginn der Sitzung erklärte, dass die Vorstellung des Wirtschaftsprüfungsbericht des Asta abermals verschoben werden müsse, weil dieser noch nicht fertig sei. Gleichzeitig habe der Asta durch eine Steuernachzahlung eine Finanzierungslücke, weshalb die Referent*innen teilweise sogar auf ihre Aufwandsentschädigung verzichtet hätten. Auch hier gab es keinerlei Nachfrage. Der Asta hat gegenüber dem Parlament Rechenschaftspflicht – doch zu einer wirksamen Ausübung dieser parlamentarischen Kontrollrechte gehört mehr, als diese Information gewissermaßen schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen. 

Die Opposition im FU-Stupa schwächelt schon seit geraumer Zeit. Ob es sich bei dieser Beobachtung um ein systemisches Problem der studentischen Selbstverwaltung handelt oder bloß Ausdruck der gegenwärtigen personellen Zusammensetzung des Parlaments ist, wird sich zeigen. Ein lustloses Studierendenparlament, das seine Meinungsverschiedenheiten zugunsten einer schnell abgehakten Sitzung verloren hat, steht einer demokratischen Studierendenschaft jedenfalls nicht gut zu Gesicht.


Diese Anträge hat das Stupa beschlossen: 

  • Das Parlament fordert die Uni auf, die Namensänderungen für Trans*-Studierende zu erleichtern. Bislang ist der Ergänzungsausweis der Deutschen Gesellschaft für Transidentität an der FU nicht gültig. Betroffene müssten sich so zwangsouten, so die Liste Make feminism a threat again, die den Antrag eingebracht hatte. 
  • Das Studierendenparlament solidarisierte sich auf Antrag der Liste Biologie – Man sieht es ist Obst im Haus mit dem studentischen Café „Cafete” im Institut für Pflanzenphysiologie, das kurz vor dem Abriss steht und fordert die FU auf, den Abriss zu verhindern.
  • Weiterhin nahm das Parlament einen Antrag der Linken Liste einstimmig an, in dem gefordert wird, dass nicht bestandene Prüfungen in diesem Semester nicht als Prüfungsversuch gezählt werden sollten.
  • Zuletzt fand ein Antrag von SDS Die Linke Zustimmung im Plenum. Die Liste forderte das Stupa auf, sich gegen die Ausschreibung der Berliner S-Bahn zu positionieren. Auf Antrag von organize:strike wurde der Antrag noch um die Forderung erweitert, einen kostenlosen ÖPNV einzuführen.

Autor*innen

Julian Sadeghi

Einer der Julian Sadeghis dieser Welt.

Jette Wiese

Lieber lange Wörter als Langeweile.

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