An Berliner Unis regiert der Lokalpatriotismus

Studis der FU beschallen sich mit deutscher Musik. Das hat eine Plattform anhand von Spotifydaten herausgefunden. Greta Linde hat sich durch die Uni-Charts geklickt und geschaut, welche Genres in Berlin noch so beliebt sind.

„Berlin” von Milliarden bringt FU- und Charité-Studierende in Wallung. Foto: Greta Linde

Ob Demographie, Zeitgeschichte oder Genres: Der Betreiber der Plattform „Every Noise at once”, Glenn McDonald, katalogisiert mit Algorithmen so ziemlich alles, was mit Musik zu tun hat. Er unterscheidet in ländertypischen Genres so spezifisch, dass unter den Rubriken sogar Hamburger Hip Hop und Kölscher Karneval zu finden sind. In Zeiten von Spotify und Co., in denen wir nahezu jedes jemals veröffentlichte Lied streamen können, möchte er Hörer*innen zeigen, was sie noch nicht kennen

McDonald präsentiert auf der Plattform auch die Hörgewohnheiten Studierender von über 2.500 Unis weltweit. Angezeigt werden die populärsten Genres sowie eine Playlist der meist gestreamten Songs an der jeweiligen Hochschule – unter ihnen: 163 deutsche Unis. Die beliebtesten Musikrichtungen an der FU sind überraschend deutsch: Deutscher Indie, deutscher Pop und Rock, deutscher Hip Hop, Indie-Deutschrap sowie deutscher Cloud- und Alternative-Rap belegen die ersten sieben Plätze. Erst auf Platz acht weicht der Patriotismus dem Genre Antideutsche, zu dem laut Plattform Zugezogen Maskulin und die 257ers zählen, also doch wieder deutsch. 

Bands und Künstler*innen des Genre „German Indie”, das an der FU am beliebtesten ist. Screenshot: Elias Fischer

Hinter deutschem Trap und Indie aus der Schweiz erscheint das erste nicht-deutschsprachige Genre auf Platz 16: Art Pop à la Lana Del Rey und Florence + The Machine. Mit Deep Melodic Euro House (18),  Elektropunk (21) und Ethnotronica (22) liegen nur drei weitere nicht-deutschsprachige Genre in den Top 25. 

Deutsche Musik wird immer beliebter

Ein Blick auf die deutschen Top 50 auf Spotify bestätigt den Höhenflug deutschsprachiger Musik: Bonez MC, Capital Bra und Apache 207 dominieren die Charts. Dieser Trend ist schon länger zu beobachten. Im Juni 2015 waren in den Top Ten der deutschen Singlecharts erstmals ausschließlich deutsche Künstler*innen vertreten. Das Datenjournalismus-Projekt „Einfacher Dienst” stellte vergangenes Jahr fest, dass der Anteil deutscher Musik auf Platz eins der Singlecharts so hoch wie nie zuvor war. Damit  ist sie noch beliebter als zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle oder Tokio Hotel und Silbermond zu Beginn der 2000er.

Vor allem der Erfolg des Deutschraps trägt zu dieser Entwicklung bei. Dieser ist in den vergangenen Jahren vielfältiger geworden. Das betrifft nicht nur den Sound, der häufig in Richtung Pop, Reggaeton oder Dancehall geht, sondern die Szene als Ganzes: Weibliche Künstlerinnen wie Nura und Shirin David sind kommerziell erfolgreich. Hinzu kommt, dass Rap deutlich präsenter in den Charts ist, weil viel mehr als in anderen Genres produziert und veröffentlicht wird.

Studierende feiern die Liebe zu ihrer Stadt musikalisch

Neben dem Deutschrap-Boom lassen sich lokale Trends erkennen. An Berliner Unis werden heimische Bands wie Von wegen Lisbeth sowie Songs über die Hauptstadt, z.B. Peter Fox‘ „Schwarz zu Blau”, gehört. An der FU tragen fünf der 20 meist gestreamten Songs „Berlin” bzw. „Brandenburg” im Titel. In Köln und Düsseldorf hingegen hören Student*innen besonders häufig Karnevalsmusik und die Kölner Band AnnenMayKantereit, während in Bochum Grönemeyers Hymne „Bochum” standesgemäß auf Platz drei liegt.

Die beliebtesten Songs der Freien Universität in der Playlist „The Sound Of Freie Universität Berlin”.

Nicht nur überregional lassen sich Unterschiede feststellen, sondern auch innerhalb Berlins. An der Charité sind zwei der Top Drei  von den Medimeisterschaften, einem jährlichen Festival unter Medizinstudierenden. Die HU hingegen hört internationaler, immerhin acht nicht-deutschsprachige Genres sind in ihrer Top 25 vertreten. Bemerkenswert ist, dass die Top Ten der FU, HU, TU und Charité sich genre-technisch zwar ähneln, die jeweiligen Songs jedoch verschieden sind. 38 verschiedene Lieder belegen die 40 Plätze. Doppelt sind nur „Das ist Berlin” von Endlich August, das  an HU und TU gehört wird, sowie „Berlin” von Milliarden, das in den FU- und Charité-Charts auftaucht. Immerhin auf etwas Lokalpatriotismus kann man sich einigen.


Die Listenplätze beziehen sich auf den Stand vom 25.05.2020. Abweichungen sind möglich.

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