Regelstudienzeit plus minus eins

Das „Kreativsemester“ soll nicht als Fachsemester zählen – so das Versprechen. Während man an der FU vage bleibt, prescht die HU mit einem neuen Vorschlag vor. Wird es eine landesweite Regelung geben? Von Kira Welker

Auf den Immatrikulationsbescheinigungen wird das Ausnahmesemester regulär gezählt. Foto: Julian Sadeghi

Ob für die Praktikumsbewerbung, vergünstigte Studitarife oder zur Beruhigung der Großeltern – wer in den letzten Wochen eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung über das ZEDAT-Portal heruntergeladen hat, musste beim Blick auf die Fachsemesterzahl vermutlich kurz stutzen. Denn hier wird das Sommersemester 2020 zurzeit mitgezählt, obwohl zum Semesterbeginn angekündigt wurde, es werde nicht auf die Fachstudienzeit angerechnet. Ähnliches berichten auch Studierende anderer Berliner Hochschulen.

Wie also lässt sich die angekündigte Nichtanrechnung verstehen? Auf Nachfrage wiederholt die Freie Universität lediglich die bereits im April kommunizierten Versprechen: „Das Sommersemester wird nicht auf die Fachstudienzeit angerechnet. Studierende, die im Sommersemester nicht alle geplanten Lehrveranstaltungen belegen und Prüfungen ablegen können, werden daraus keine Nachteile haben.“ In Studienbescheinigungen werde „aus technischen Gründen“ weitergezählt.

Absprachen laufen noch

Die Antworten bleiben wohl deshalb so vage, weil man sich in Berlin auch wenige Wochen vor Semesterende noch immer nicht auf die konkrete Umsetzung der Nichtanrechnung verständigt hat. Steffen Krach (SPD), Berliner Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung, erklärt im Gespräch mit FURIOS: „Es laufen zurzeit noch Abstimmungen, zwischen den Hochschulen und uns – und mit den anderen Ländern.“ Er sehe den Unmut vieler Studierender in den sozialen Medien, aber betont erneut seinen Willen, eine für alle Betroffenen zufriedenstellende Lösung zu finden. „Die grundsätzliche Linie war, die Studierenden sollen keine Nachteile haben, und an die fühle ich mich gebunden“, verspricht er.

Das Semester einfach pauschal in allen Dokumenten nicht zu zählen, scheint als Lösung nicht mehr im Raum zu stehen. Daraus würden sich beispielsweise für Medizinstudierende Nachteile ergeben. Ihre Studienordnungen verlangen häufig eine Mindestzahl an Fachsemestern, um bestimmte Module belegen zu können.

NRW und Hessen sind Vorreiter, die Humboldt-Uni wäre es auch gerne

Als Beispiel für eine alternative Lösung gilt Nordrhein-Westfalen. Hier wurde den Studierenden bereits im April verbindlich zugesichert, dass alle Regelstudienzeiten um ein Semester ausgedehnt würden. Dass damit auch eine Verlängerung der Bafög-Berechtigung einhergeht, bestätigte Anfang des Monats das Bundesministerium für Bildung und Forschung. In Hessen hat man sich diese Woche ebenfalls auf eine pauschale Verlängerung der Regelstudienzeiten geeinigt. 

Steffen Krach kündigte an, man werde sich diese Lösung auch für Berlin anschauen und „ganz sicher nicht eine Regelung finden, die die Berliner Studierenden im Vergleich zu anderen Bundesländern benachteiligt“. Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linkspartei, schreibt auf Twitter, alle 16 Bundesländer würden diese Verlängerungslösung anstreben.

Eine andere Idee kommt von der Humboldt-Universität (HU). Hier wurde Mitte Juni auf Nachfrage eines Studierendenvertreters in der Kommission für Lehre und Studium des Akademischen Senats eine Bescheinigungslösung angekündigt: Nach derzeitigem Stand wolle man auf dem Universitätsportal eine Bescheinigung zum Download bereitstellen, die bei Bedarf die Nichtanrechnung des Semesters bestätigt. Ob das bedeutet, dass für jede Bafög-Verlängerung ein Einzelfallantrag nötig wäre, wurde nicht deutlich. Steffen Krach äußerte sich gegenüber FURIOS verwundert über den Vorstoß der HU. Er strebe eine einheitliche Lösung für alle Berliner Hochschulen an.

Bafög-Empfänger*innen bleiben verunsichert

Insbesondere für zehntausende Berliner Studierende, die ihr Studium über das an Regelstudienzeiten gebundene Bafög (teil-)finanzieren, kann diese rechtswirksame Entscheidung wohl gar nicht schnell genug kommen. Eine Bafög-Beraterin des FU-Asta erzählt, noch immer könne man Studierenden keine konkreten Fragen zur Auswirkung des „Kreativsemesters“ auf ihre Förderungsberechtigung beantworten. Die Förderzeiträume würden normalerweise zum Wintersemester beginnen, die meisten Anträge würden also im Sommer gestellt.

Auch läuft zurzeit der Anmeldezeitraum für Modulprüfungen. Studierende treffen dabei  Entscheidungen, die ihre Studiendauer direkt beeinflussen – eine verbindliche Regelung zur Anrechnung dieses Semesters steht also dringend aus. Steffen Krach betont, die Beteiligten in Senatskanzlei, Hochschulen und Länderregierungen müssten „das jetzt schnell entscheiden“. Währenddessen warten unzählige Berliner Studierende weiter ungeduldig auf verbindliche Informationen.

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