FURIOS extrem: Papierkrieg vor New York

Auslandssemester wollen gut überlegt und hervorragend organisiert sein. Wenn einem da eine globale Pandemie dazwischenfunkt, wird der Vorbereitungsprozess extrem. Das hat Annika Grosser am eigenen Leib erfahren. Ein Drama in drei Akten.

Stempel, Geld und Menschlichkeit: Die drei Zutaten für einen reibungslosen Ablauf der Auslandssemestervorbereitungen. Montage: Elias Fischer.

Es ist ein wunderschöner, schrecklich heißer Freitagmorgen, die Vögel zwitschern, die Sonne scheint – und ich keuche nassgeschwitzt die Treppen zu meiner Arztpraxis hinauf. Zum dritten Mal innerhalb einer Stunde. Alles, was ich will, ist ein Stempel für meinen Impfnachweis, damit ich im Kurswahlsystem meiner amerikanischen Gastuni freigeschaltet werde. Doch scheinbar ist das nicht so einfach. Erst ist der Stempel unlesbar, dann das Stempelkissen leer und ein Ersatz, aus mir unerfindlichen Gründen, nicht da. „Frau Grosser, was wollen sie denn jetzt von mir? Da kann ich auch nichts machen”, tönt es mir vom Tresen entgegen. Was ich will? EINEN STEMPEL. Einfach nur einen Stempel.

Während ich mich später in alle erdenklichen Telefonleitungen einwähle und Warteschleifenmusik genieße, überlege ich ernsthaft, mir mein persönliches Stempelkissen To-Go zuzulegen. Dabei erschien das Einmaleins für ein Studium in den USA so simpel: Formulare x Formulare = Auslandssemesters. Doch die Rechnung geht leider nicht so leicht auf. Bereits nach den ersten Wochen der Vorbereitung sehe ich den Wald vor lauter Bürokratie nicht mehr. 

The Price I Pay

Beim Zusammensuchen der Formulare stoße ich schon auf das nächste Extrem der USA-Vorbereitung: „Fees“. Wer dabei an hübsche kleine Fabelwesen denkt, hat die Weltsprache nicht verstanden. Im realen Leben gibt es kein Auslandssemester ohne mindestens 573 versteckte „Fees“, die bezahlt werden müssen. Da wäre die Bewerbungsfee für die Uni, die Fee für den obligatorischen Sprachtest, die Processing-Fee für den Visumantrag, die Versandkosten – fast hundert Euro – damit das gute Stück mich überhaupt erreicht, die SEVIS-Fee für das Visum und schließlich noch eine Visumfee oben drauf; einfach so aus Jux und Tollerei. Je mehr ich mich bei den ersten Vorbereitungen in Unkosten stürze, desto größer wird meine Vorfreude auf die Tuition-Fees und den überteuerten Wohnungsmarkt in den USA. Das ist das Land der unbegrenzten und unbezahlbaren Möglichkeiten!

I am human

Apropos Wohnungsmarkt: Meine Uni liegt in New York und erlaubt mir als Visiting Student nicht, im Wintersemester auf dem Campus im Wohnheim zu wohnen. Erst im Frühling darf ich dort einziehen. Stattdessen soll ich über einen „Off Campus Housing Assistent“, kurz OCHA, für die ersten vier Monate ein freies Zimmer finden. Die meisten Vermieter*innen suchen allerdings Studierende, die für das gesamte akademische Jahr einziehen. Ich versuche es trotzdem überall. 

Herbert Grönemeyer würde sich über diese Wohnungsanfrage freuen. Screenshot: Annika Grosser.

Bevor ich allerdings meine erste OCHA-Inquiry versenden kann, muss ich bestätigen, dass ich kein Computer bin. Das Portal fordert mich auf, dies mit den Worten „I am human“ zu verifizieren. Ich tippe den Satz in das Textfeld ein. Nichts passiert. Da fällt mir auf, dass ich den Satz versehentlich in die Inquiry selbst geschrieben habe. Also trage ich die Bestätigung in das richtige Feld ein und drücke auf „Enter“. Ich starre auf den Bildschirm. „You sent this inquiry” steht da unter meinem Namen. Das ist nicht gut. In meiner Inquiry stehen ja blöderweise nur die Worte „I am human“. Mit Tränen in den Augen liege ich lachend am Boden. Wenn das mal keinen menschlichen Eindruck beim Vermieter hinterlässt!

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