FURIOS phobiert: „Wie kann man so dumm sein?!”

Ihre Freund*innen klagen über Jobsuche und leiden unter Corona-Maßnahmen. Gleichzeitig verhalten sie sich, als wäre die Pandemie vorbei. Greta Linde appelliert aus Angst vor einer zweiten Welle an ihre Bekannten.

Meine Freund*innen tauchen auch in Pandemie-Zeiten in eine Menschenmenge ein. Foto: Greta Linde.

„Wie kann man so dumm sein?! Diese Dummheit kennt keine Grenzen. Ich weiß, das ist ja nur ‘ne Kleinigkeit, aber die Dummheit, die daraus spricht, ist sooo groß!” Fans des Podcasts „Fest und Flauschig” werden diese Worte aus einem Einspieler kennen. Mir kommen sie momentan jedoch in den Sinn, wenn ich an meinen Berliner Freundeskreis denke. Denn viele meiner Bekannten wähnen, die Corona-Pandemie sei überwunden.

Dabei ist es kein Geheimnis, dass die Infektionszahlen in Berlin längst wieder steigen. Und nicht sonderlich überraschend, denkt man an illegale Raves in der Hasenheide oder Schlauchboot-Partys auf dem Landwehrkanal. Lange war ich überzeugt, dass rücksichtslose Feiersüchtige die Krankheitsfälle in die Höhe steigen lassen. Bis ich merkte, dass auch der Großteil meiner Freund*innen sich wieder in Bars vergnügt, Urlaub in Risikogebieten inklusive Übernachtung in Hostels macht und sich in großen Gruppen mit Freundesfreund*innen und deren Bekannten trifft – kurz: rücksichtslos ist.

Meine Freund*innen spinnen das Infektionsnetz

Bitte nicht missverstehen! Auch ich sitze nicht nur zuhause, sondern verabrede mich, gehe essen (draußen!) und war im Urlaub. Allerdings versuche ich, meine Kontakte möglichst gering-, den Mindestabstand ein- und mich von Menschenmengen fernzuhalten. Denn ich habe Angst vor einer zweiten Welle. Expert*innen warnen schon lange, dass diese gefährlich werden könnte; keine Hotspots, sondern flächendeckende Verteilung, keine Outdoor-Möglichkeiten, sondern Winter. Gerade erst konnten wir in Neuseeland beobachten, wie einfach das Virus zurückkommen kann. Mir graut es vor einem zweiten Lockdown und der alljährlichen Grippewelle – Corona oder Erkältung? Ich will nicht noch mehr Praktika verschieben oder ältere Verwandte nur auf Abstand treffen. Mein Freundeskreis hingegen arbeitet aktiv daran, dass das Netz an Kontakten immer größer und unübersichtlicher wird.

Natürlich verstehe ich den Wunsch nach mehr Normalität. Mir geht es nicht anders als meinem Freundeskreis. Trotzdem werde ich wütend. Denn meine Freund*innen, die sich so verhalten, sind zugleich diejenigen, die unter den Corona-Maßnahmen leiden und – wie ich – große Angst vor einer zweiten Welle haben. Sie sind entlassen worden, finden kaum neue Jobs, keine Praktikumsplätze und verfluchen die Online-Uni. Sie alle wollen zu einem Vor-Corona-Alltag zurückkehren. Was sie nicht sehen: Normalität wird wahrscheinlicher, wenn man sich an die Regeln hält – und nicht, wenn man den Vor-Corona-Alltag während der Pandemie lebt.

Schränkt euch doch bitte ein!

Bis vor kurzem hätte ich meinen Freund*innen große Empathie und Weitsicht attestiert, weil sie interessierte und gut informierte Leute sind. Diese Überzeugung schwindet momentan: Wie kann man einerseits die Folgen der Krise verfluchen und andererseits dazu beitragen, die Verbreitung des Virus zu erleichtern? Wie kann man so dumm sein?! 

Wie ich mich momentan sowohl sozialverträglich als auch der Pandemie angemessen verhalten soll, weiß ich nicht. Ich habe Angst, die nerdige Außenseiterin zu werden, die keinen Spaß mehr hat. Einen fairen Kompromiss zwischen verantwortungsvollem Verhalten und unbeschwertem Leben zu finden, fällt mir schwer – und erscheint in Berlin derzeit unmöglich. Daher, liebe Freund*innen: Schränkt euch doch bitte ein, indem ihr weniger Leute trefft, gelegentlich Hände desinfiziert, Maske tragt und Abstand haltet – und Urlaub außerhalb von Risikogebieten ist auch nicht übel.

Es wird aufgrund steigender Infektionszahlen wieder über schärfere Maßnahmen diskutiert – auch und besonders, weil eine zweite Welle verhindert werden soll.

Solange ihr das nicht aus Eigenverantwortung macht, befürworte ich Alkoholverbote in der Öffentlichkeit, Digitalveranstaltungen an der Uni oder Bußgelder bei fahrlässigem Umgang mit dem Infektionsschutz. Und beim nächsten „Fest und Flauschig”-Einspieler werde ich an euch denken. Denn sollte die zweite Welle kommen, seid ihr mitschuldig, wenn ihr nicht schleunigst eurer Dummheit Grenzen setzt. Noch vertraue ich auf Euch!

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