FURIOS PHOBIERT: 36 Grad, und es wird noch heißer!

Endlich wieder kalt draußen. Lisa Hölzke freut sich, dass der Klimawandel den Herbst noch nicht heiß bekommen hat. Doch für manche wird die Sorge vor den Hitzewellen des nächsten Sommers zur richtigen Phobie. 

Das Wort Sommer ist immer noch positiv besetzt. Nicht mehr lange, fürchtet unsere Autorin. Foto: pixabay

Im Jahr 2020 ist es nicht schwer, neue Ängste, Phobien oder einfach Weltverdruss zu entwickeln. Eine U-Bahn-Fahrt reicht aus, um vom Berliner Fenster über allerlei Neuigkeiten der Welt informiert zu werden. Wer sich des Lebens froh in die Bahn begibt, kommt meist deprimiert hinaus. Von Corona-Fallzahlen über US-Wahlen bis hin zu obdachlosen Geflüchteten ist alles dabei. Was mich aber am meisten verstört, sind die vermeintlich positiven Nachrichten, die die Nachrichten-Redaktion des Berliner Fensters auf den kleinen Monitoren verkündet: Aufgepasst, Berlinerinnen und Berliner, der Sommer kommt noch einmal zurück!

Endlich wieder Sommer! Moment …

Wir können uns auf Temperaturen von bis zu 30 Grad im September freuen, wird mir dort mitgeteilt. Bebildert wird die Nachricht mit freudestrahlenden Menschen im Bikini am Badesee. Doch was für manche für Glücksgefühle steht, löst bei mir Angst aus. Man muss sich nur an diesen Sommer zurückerinnern. Im August saß ich bei 36 Grad Celsius im Homeoffice und zum ersten Mal in meinem Leben wurde die Hitze zur unausweichlichen Belastung. Nach einer Woche schaffte es auch nicht mehr der Altbau, die Hitze draußen zu lassen. Die einzige Möglichkeit der temporären Abkühlung: Wecker stellen und in der Nacht schweißgebadet das Fenster aufreißen. Und in manchen Nächten war auch das absolut nicht möglich, wenn die Temperaturen mal wieder überhaupt nicht fallen wollten.

Die Angst vor der Hitze

Wer also unter Thermophobie leidet, hat einen fatalen Sommer hinter sich und erlebten selbst jetzt, im September, noch eine Reprise. Thermophobiker*innen haben Angst vor Wärme und Hitze und meiden Orte, an denen sie mit höheren Temperaturen konfrontiert werden könnten. Werden sie der Hitze ausgesetzt, kann es zu Panikattacken kommen. Doch werden die diesjährigen Höchsttemperaturen zur Normalität – was abzusehen ist – gibt es keinen Rückzug mehr. Konnte man vorher tropisches Klima vermeiden und den Urlaub an die Nordküsten verlagern, kommt das tropische Klima nun zu uns. Körperliche und psychische Folgen sind zu befürchten. Aber man muss nicht unbedingt unter Thermophobie leiden, um von der Hitze bedroht zu werden. 

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass es bei höheren Temperaturen zu Erschöpfung, Gereiztheit und psychischen Folgen kommt, was der eine oder die andere auch diesen Sommer am eigenen Leib erlebt haben dürfte. Und auch ältere, geschwächte sowie chronisch kranke Menschen belastet die Wärme körperlich und psychisch. Die Erkenntnis, der Hitze nicht entfliehen zu können, kann letztlich sogar zu Depressionen führen.

Die Angst wird zur Realität

Das Wissen um den Klimawandel begleitet uns täglich. Der Großteil der Gesellschaft macht sich schon lange Sorgen um die Zukunft des Planeten. Auch ich bekomme manchmal Angst, wenn sich ein Gespräch oder die Berichterstattung wieder um den Klimawandel dreht. Doch diese Angst ist meist abstrakt. Es ist nicht zu fassen, wie die Entwicklungen einen selbst treffen werden. Dieses Jahr war das anders. Nun waren die Folgen ganz konkret zu spüren. Plötzlich war es ein Problem, am Tag konzentriert zu arbeiten, in der Nacht Schlaf zu finden und den Einkauf zu erledigen. Es war anstrengend. Und es wird immer anstrengender. Seit Anfang der Neunzigerjahre haben sich die Hitzetage verdoppelt. Dass es so weitergeht, ist laut Wissenschaftler*innen sehr wahrscheinlich. Und die Angst vor dieser neuen Normalität steigt.

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