Macht eure Hausaufgaben fürs Wintersemester

Ein weiteres Digitalsemester steht vor der Tür, aber vielen graut es vor den Online-Seminaren. Julia Blaß möchte einen Grund geben, motiviert in den Herbst zu blicken und stellt deshalb ein gelungenes Kreativsemester-Seminar vor.

Webex hat uns alle durch dieses Semester geführt. Doch es gibt auch Kurse, bei denen auf andere Mittel gesetzt wird. Bild: Julia Blaß

Nun liegt es schon eine Weile hinter uns, das Kreativsemester: 14 Wochen ausschließlich digitale Lehrformate. Wenn ich so meine Kommiliton*innen befrage, entsteht ein ernüchterndes Bild. Ob wackelige Internetverbindung, peinlich betretene Stille im Webex-Seminar oder fehlende Interaktion unter den Studierenden: Zu bemängeln gibt es einiges. Doch wo kommen wir hin, wenn wir uns nur über das beschweren, was schlecht lief, anstatt auch mal zu reflektieren, was wirklich gut war? Genau das möchte ich tun und euch an der Begeisterung für ein – ausnahmsweise wirklich kreatives – Seminar teilhaben lassen.

Wie die meisten Studierenden weltweit habe ich dieses Sommersemester mit gemischten Gefühlen angetreten. Um ehrlich zu sein, hab ich mich auf das Schlimmste eingestellt. Tatsächlich hatte ich auch komische Webex-Sitzungen mit verwirrten Profs und eigenartigen Notlösungen. Ein Seminar hat mich aber überrascht: Key Concepts of digital Communication Research von Ulrike Klinger, das im Master Publizistik und Kommunikationswissenschaft angeboten wurde. Wie die meisten Seminare in diesem Studiengang war es sehr inhaltsreich. Doch es unterschied sich stark von meinen anderen Seminaren, da es komplett asynchron angeboten wurde.

Zu Beginn der Vorlesungszeit erreichte alle Kursteilnehmer*innen eine E-Mail, in der Frau Klinger den geplanten Ablauf des Kurses kurz erklärte. Jede Woche Mittwoch würde Sie kurze, selbst aufgenommene Intro-Videos, von 25 bis 30 Minuten zum jeweiligen Sitzungsthema bei Blackboard zur Verfügung stellen. Passend dazu würde sie Slides vorbereiten, an denen sich die Videos orientieren. So weit, so unspektakulär. Doch statt für mögliche Diskussionen und Fragen aufs Blackboard-Forum zurückzugreifen, entschied sich Frau Klinger dazu, eine WhatsApp Gruppe zu eröffnen. Was nicht bei allen Studierenden sofort auf Begeisterung stieß.

Whatsapp statt Blackboard: Die Plattform machts

Für viele war es zunächst ziemlich ungewohnt, ein so privates Kommunikationsmittel für die Uni zu benutzen, was eine erste Umfrage im Seminar ergab. Jedoch hatte die Whatsapp-Gruppe auch viele Vorteile. Neben Fragen zum Seminar im Allgemeinen wurde die Gruppe auch für Diskussionen und kleine Aufgaben genutzt. Denn jede Woche hatte Frau Klinger eine andere „Challenge of the Week“ für uns parat. Von kleinen Rechercheaufgaben bis zu Diskussionsanregungen für die eigene Familie war alles mit dabei. Berichtet hat man dann in der Whatsapp-Gruppe. Für die Messenger-App habe sich Frau Klinger entschieden, weil es besonders niedrigschwellig sei: „Es ploppt halt auf, man sieht es und mit einem Klick kann man es nachlesen, oder schnell etwas antworten, ohne dass man sich irgendwo einloggen muss.“

Meine Frage „Warum nicht Blackboard?“ beantwortete sie gleich mit einer Gegenfrage: „Wie oft haben Sie im Blackboard-Forum schon mal etwas gepostet?“ Recht hat sie natürlich. Wenn ich eine Sache aus diesem Semester mitnehme, dann ist es, dass Online-Diskussionen noch kompetenter von den Dozierenden moderiert werden müssen. Die Kurs-Evaluation zum Ende des Semesters hat ergeben, dass sich die meisten mehr Diskussionen gewünscht hätten, viele haben zudem angemerkt, dass niemand so richtig die Initiative ergriffen habe. Auch Frau Klinger nehme das ins nächste Semester mit: „Man muss mehr darüber nachdenken, wie Studierende untereinander interagieren können und das als Dozierende ein bisschen proaktiver gestalten, denn von selber findet das nicht statt.“

Der Wilde Westen der digitalen Kommunikationskonzepte

Was allerdings durchweg allen gefallen hat, waren die Präsentationen. Die wurden, wie der Rest des Seminars, auch in asynchroner Form gestaltet. Die Art und Weise der Gestaltung ließ uns Frau Klinger vollkommen offen. Möglichst kurz sollten die Beiträge sein: In maximal fünf Minuten sollte man die wichtigsten Punkte beleuchten. Gar nicht mal so einfach, kann ich euch sagen. Anstelle des üblichen Powerpoint-Bingo gab es kreative, informative Kurzvideos. Und wie kreativ die waren! Eine Gruppe hat sich genauer mit Algorithmen beschäftigt und kurzerhand die Figur Mathilda the Algorithm ins Leben gerufen, die durchs Video geführt hat. Eine andere Gruppe hat einen animierten Western zum Thema „Filter Bubbles” erstellt. Man solle darüber nachdenken, nie wieder zur normalen Powerpoint-Präsentation zurückzukehren, sagt Frau Klinger halb im Scherz.

Die Vorteile des Digitalen Ausschöpfen: für Studierende und Dozierende

Insgesamt sollte das Seminar in all seiner Besonderheit einerseits die Vorteile des Digitalen nutzen, aber auch auf die besondere Situation für Studierende und Dozierende eingehen. Es könne, sagt Klinger, nicht davon auszugehen sein, dass Studierende immer zu einem bestimmten Zeitpunkt eine stabile WLAN-Verbindung hätten. Dabei kann man auch schnell vergessen, dass nicht nur Studierende mit (technischen) Problemen zu kämpfen haben.

Viele Dozierende haben zunächst auf die bestehenden Standard-Tools für digitale Lehre der FU zurückgegriffen, was nicht immer die allerbeste Lösung war. „Die meisten Dozierenden haben es halt erstmal so gemacht. Man muss erstmal ausprobieren“, entgegnet Klinger. „Wir sind auch im Homeoffice und konnten nur mit den Dingen arbeiten, die wir zuhause haben.“ Allerdings sieht Frau Klinger auch etwas Positives in der ganzen Situation: Es werde in Zukunft wohl mehr Aufgeschlossenheit gegenüber digitalen Lehrformaten und auch mehr Weiterbildungsangebote geben.

Hoffnung fürs Wintersemester

Trotz aller Schwierigkeiten blickt Klinger positiv ins nächste Semester: „Es haben alle ihre Erfahrungen gesammelt und jede*r wird im Herbstsemester wahrscheinlich ein paar Dinge anders machen.“ Sie wolle an der asynchronen Form festhalten, allerdings ein bis zwei „Ask me Anything”-Sitzungen einplanen, in denen die Teilnehmenden via Webex Fragen stellen und eventuell auch diskutieren können.

Auch ich blicke positiv ins kommende Semester. Ich gehe mit etwas mehr Verständnis für die Situation der Dozierenden ins Wintersemester, erwarte aber, dass auch sie ihre Hausaufgaben machen. Vielleicht bleiben uns so ein paar peinliche Situationen im nächsten Semester erspart.

Falls ihr Lust habt, euch mal ein bisschen in die Thematik der digitalen Kommunikationskonzepte einzuarbeiten, findet ihr hier die Videos aus der Feder der Kursteilnehmenden. Viel Spaß beim Angucken!

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