Haltet dagegen! Es geht Euch was an!

Corona-Leugner*innen attackieren Demokratie und Wissenschaftsfreiheit. Statt ein klares Zeichen gegen Rechts zu setzen, halten sich Studierende schweigend zurück. Peinlich! Ein Kommentar von Jette Wiese.

Stumme Ablehnung reicht längst nicht mehr, findet unsere Autorin. Illustration: Klara Siedenburg

In Berlin-Mitte demonstrieren an diesem Mittwoch Tausende Menschen gegen die Corona-Politik – ohne Maske, ohne Abstand, ohne Anstand. Denn neben ein paar esoterischen Schwaben entfaltet sich dort die gesamte Palette demokratiefeindlicher Strömungen, die das Land derzeit zu bieten hat: von Anhänger*innen wüster Verschwörungsideologien bis hin zu Rechtsextremist*innen und Holocaust-Leugner*innen. 

Auf der anderen Seite, wo sich die Bundesregierung, viele Medien und die meisten Studierenden im Grundsatz einig sind, belächelte man die „Covidioten“ anfangs. Acht Monate später sind diese immer noch auf den Straßen; nun schüttelt man eifrig Köpfe, empört sich über unangebrachte Vergleiche zur Diktatur und stimmt in das spätherbstliche Lamento des „2020 ist so beschissen, was soll denn noch alles kommen“ ein. Aber reicht das genervte Abwinken?

Wenn Wissenschaft zur Glaubensfrage wird

Nein, es reicht nicht! Die ständige Zurückhaltung gegenüber den Corona-Protesten hat nur zu einer weiteren Stufe ihrer Eskalation geführt, das zeigen die Vorfälle in Leipzig. Diese Menschen greifen nicht nur die Demokratie an, sondern auch die Wissenschaft, erklären die Forschung mit ihrem „Ich habe das Virus nicht gesehen“ zur Glaubensfrage. Das alleine sollte Grund genug für Studierende sein, lauter zu werden und endlich Widerstand zu leisten.

Wo ist die junge Gegenstimme? Wo ist der Protest der Asten, die sonst bei jeder Gelegenheit die Forschungsfreiheit durch den Kapitalismus gefährdet sehen? Wo ist die offizielle Solidaritätsbekundung des Studierendenparlaments mit Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen, die angegriffen werden? Warum kam das Thema in dessen gestriger Sitzung nicht einmal zur Sprache? 

Digitaler Protest hat Kraft – versucht es doch einfach!

Es ist Zeit, endlich hinzuschauen, anzuerkennen, dass diese Proteste uns betreffen, weil  ihr Anliegen jede*n einzelne*n Student*in der demokratisch organisierten Universität angreift. Dass eine Gegendemo infektionstechnischer Unsinn wäre, ist eine faule Ausrede, längst gibt es digitale Alternativen! 

Nur ein Beispiel wäre eine Neuauflage des #WirSindMehr-Konzertes via Livestream, das 2018 nach xenophoben Angriffen in Chemnitz binnen weniger Tage organisiert wurde. Das sei nur Symbolpolitik, werden Kritiker*innen erwidern. Ja, sicher, aber der „Sturm auf den Reichstag“, den Demonstrierende in Berlin versuchten, hat auch nur skandalöse Bilder produziert – und trotzdem das Hohe Haus erschüttert. Am Ende dieser Pandemie wird zählen, was von ihr in Erinnerung bleibt. Damit es nicht diejenigen sind, die die wirklichen Opfer verschmähen, braucht es ein deutliches Zeichen des Widerstands endlich auch von Studierenden. Stumme Ablehnung reicht längst nicht mehr!

Autor*in

Jette Wiese

Lieber lange Wörter als Langeweile.

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