Bakterien auf den Barrikaden

Antibiotika bekämpfen Bakterien und heilen Krankheiten – das tun sie jedoch immer seltener. Welche Gründe gibt es dafür und was kann man dagegen tun? Diesen Fragen ist Anne Stiller nachgegangen.

Baketrien
Wissenschaftler*innen vermuten, dass Bakterien immer schneller eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln. Illustration: Antonia Böker

Das Jahr 2020 hat uns gelehrt, wie wichtig Medikamente für eine Gesellschaft sind. Was aber, wenn sie nicht mehr wirken? Antibiotika, also Wirkstoffe gegen bakterielle Erkrankungen, sind solche Medikamente. Wissenschaftler*innen der Freien Universität Berlin und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich vermuten, dass die Arzneimittel immer schneller an Wirksamkeit verlieren.

Die Forscher*innen analysierten Studiendaten zu Resistenzen gegen Antibiotika und Fungizide, also Mittel gegen Pilze, die vor allem in der Landwirtschaft verwendet werden. „Der zeitliche Abstand zwischen der Einführung eines neuen Fungizids und dem Auftreten erster dagegen resistenter Keime wird immer kürzer“, erklärt der Evolutionsbiologe Jens Rolff von der Freien Universität und Mitautor der Studie. Er vermutet, dass es diesen Trend auch bei Antibiotika gäbe, allerdings seien die verfügbaren Forschungsergebnisse wenig belastbar, da die Originaldaten oftmals fehlten.

Dass Bakterien mutieren und dadurch resistent werden, ist ein natürlicher Vorgang der Evolution. Deshalb sind die Ergebnisse aber nicht weniger alarmierend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft etwa antibiotikaresistente Keime als eine der größten Herausforderungen des Gesundheitssystems ein.

Neue, weniger, keine Antibiotika – Was hilft? 

Antibiotika kommen zum Beispiel bei einem Kaiserschnitt oder im Rahmen einer Krebstherapie zum Einsatz und sind deshalb nicht mehr aus der Medizin wegzudenken. Allerdings gilt: Je häufiger die Medikamente genutzt werden, desto mehr können Bakterien Resistenzen entwickeln. Um den Verbrauch von Antibiotika dennoch gering zu halten, müssen Infektionen zum Beispiel durch die Einhaltung von Hygienemaßnahmen in Krankenhäusern möglichst vermieden werden.

Außerdem braucht es politische Maßnahmen, mit denen die Verwendung der Arzneimittel reguliert wird. „In Dänemark etwa beobachten wir weniger Resistenzen als in Deutschland. Dort ist der Gebrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft streng reguliert“, sagt Jens Rolff.

Auch sogenannte Reserveantibiotika können dazu beitragen, das Resistenz-Problem zu lösen. Das sind neu entwickelte Arzneimittel, die besonders wirksam sind. Sie sollten aber nur im äußersten Notfall eingesetzt werden – wenn kein anderes Medikament mehr hilft, da Bakterien auch gegen sie Resistenzen entwickeln können. Reserveantibiotika werden jedoch auch in der Tierhaltung verwendet. Die Tiere damit zu behandeln ist oft günstiger und weniger aufwendig als präventive Hygienemaßnahmen in den Ställen. Von dem Prinzip profitiert vor allem die Billigfleischindustrie.

Der Evolution auf den Grund gehen

Bislang reichen die Daten noch nicht aus, um die Entstehung von Resistenzen vollständig zu erklären. „Viele Antibiotika beruhen auf natürlichen Substanzen. Wenn gegen diese bereits Resistenzen existieren, ist es leichter, solche auch gegen neuere Wirkstoffe zu entwickeln, die auf die gleiche Substanz zurückgehen“, erklärt Jens Rolff. Der Biologe hofft deshalb, dass Wissenschaftler*innen in Zukunft stärker der Frage nachgehen, welche evolutionsbedingten Faktoren zu Resistenzen führen. In der Zwischenzeit empfiehlt das Bundesministerium für Gesundheit in der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie unter anderem: „Infektionsketten frühzeitig unterbrechen und Infektionen vermeiden“. Auch das hat uns dieses Jahr gelehrt.

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