Triff mich auf dem Server

Social Distancing ist immer noch das Gebot der Stunde. Das muss aber nicht bedeuten, dass man sozial verkümmert. Videospiele können Abhilfe schaffen, meint Lisa Hölzke.

In Videospielen kann man noch unbegrenzt viele Menschen treffen, man muss nur gut zielen! Foto: Nintendo, Bildmontage: Julia Hubernagel

„Kommst du heute Abend rum?“ – „Ja, klar! Ich bin ab 18 Uhr online.“ Nun heißt es, Konsole einschalten, Animal Crossing starten und per Direktflug die Insel der Freund*innen besuchen. Gemeinsam quatschen, angeln, shoppen, Musik hören. Um in Zeiten von Corona etwas mit Bekannten zu erleben, muss man nicht die Haustür verlassen. Ein gemeinsamer Abend in großer Runde im Wohnzimmer ist gerade zwar nicht möglich – auf digitalen Spielwiesen jedoch schon.

Vom Kellerkind zum Geselligen

Das erkennen auch Videospiel-Publisher, die im März die Initiative #PlayApartTogether starteten. So soll die Bevölkerung dazu animiert werden, zu Hause zu bleiben und lieber Videospiele zu spielen. Das wirkt auf den ersten Blick erst einmal wie eine groß angelegte Werbekampagne einer riesigen Industrie – ist es auch. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Weltgesundheitsorganisation sich der Initiative anschließt. Dieselbe Organisation, die Videospielsucht zuvor als offizielle Krankheit anerkannte.

Der Wert von Videospielen, spielerisch und vor allem gemeinsam Erfahrungen zu machen, scheint sich in Zeiten von Social Distancing so stark wie nie zuvor zu bewähren. Gamer*innen sind nicht mehr die Kellerkinder, für die soziale Kompetenz ein Fremdwort ist. Wir alle sitzen jetzt im Keller.

Gemeinsam Welten retten, bauen, erforschen

Durch die endlosen Welten von Videospielen gibt es verschiedenste Möglichkeiten, um gemeinsam Zeit mit Freund*innen zu verbringen. In Anno 1800 können gemeinsam Welten und Handelsbeziehungen aufgebaut werden. Als Piratencrew kann man in Sea of Thieves über die sieben Weltmeere schippern und Schätze suchen. Oder man ballert sich gemeinsam durch Destiny 2. Multiplayer-Spiele waren schon immer erfolgreich, erfahren aber gerade durch Corona eine besondere Beliebtheit.

Vor allem Indie-Titel, die günstig und auf fast jedem Gerät zu installieren sind, erleben während Corona große Aufmerksamkeit. Insbesondere Among us hat es in der zweiten Corona-Welle geschafft, aus den Untiefen des Indie-Ozeans an die Oberfläche gespült zu werden. Dieser Werwolf-Verschnitt existiert bereits seit 2018, lief aber bis zu diesem Jahr weitgehend unter dem Radar.

Onlinekommunikation via Videospiele wird „als bereichernd und auch als sozial verbindend wahrgenommen“, bestätigte Leonard Reinecke, Professor für Medienwirkung und Medienpsychologie, im Gespräch mit Zeit Online. Er glaubt, „dass sich die Stärken der Onlinekommunikation, nämlich dass sie unabhängig von Raum und Zeit funktioniert, in der Pandemie besonders bemerkbar gemacht haben“.

Videospiele machen’s vor

Dass das gemeinsame Erleben von Medien auch dezentral funktioniert und vor allem während der Corona-Krise essenziell ist, haben nun auch andere Plattformen verstanden. Vor Kurzem haben sowohl Spotify als auch Disney+ Session-Funktionen eingebaut. Sie erlauben es, ihre Inhalte gemeinsam zu streamen. Nun muss man nicht mehr allein das Wochenende mit seiner Lieblingsserie verbringen.

Auch wenn durch Videospiele gemeinsam Zeit verbracht wird, bleibt es immer noch beim Social Distancing. Es bleibt außerdem fraglich, ob direkte soziale Interaktionen komplett durch virtuelle Erlebnisse zu ersetzen sind. In freundlicheren Zeiten sollte beides koexistieren. Wir freuen uns alle, bald wieder am Küchentisch mit Freund*innen ein Bier zu trinken statt auf Discord-Servern. Wir wollen wieder gemeinsam kochen, nicht nur bei Overcooked. Und gemeinsam außerhalb von Fifa Fußball spielen. Solange die Krise noch andauert und soziale Distanzierung notwendig ist, können Videospiele immerhin eine Brücke schlagen.

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