Zwischen Protz und Melancholie

Haiytis neues Album verpackt Wut, Herzschmerz und Luxuslifestyle in ihrem altbekannten Sound. Greta Linde findet, die Zeit sei reif für Haiytis großen Durchbruch. 

Bildmontage / Foto: Greta Linde, Illustration: Joshua Leibig

Comeback heißt der erste Track von Haiytis neuem Album Influencer. Dabei war sie nie wirklich weg, erst im Juli ist ihr vorheriges Album Sui Sui erschienen. Generell ist Haiyti irgendwie immer da, beinahe wöchentlich veröffentlicht die selbsternannte Gangsterrapperin neue Tracks. Ihr Output in den vergangenen fünf Jahren umfasst acht Alben sowie Singles mit Kitschkrieg, Trettmann, Frauenarzt und Veysel. Trotzdem kommt sie nicht an den Erfolg von Künstlerinnen wie Juju oder Loredana heran. Immer wieder betont Haiyti, dass dieses Gefühl, kurz vor dem Durchbruch zu stehen, aber es dann doch nicht zu schaffen, sie frustriert.

Das verarbeitet sie nun im neuen 19 Track starken Album: „Guckt mich an, ich bin ein Star / Sie sagen: ‚Der Weg ist das Ziel’ / Doch ich frag mich, wann komm ich an?”, rappt sie in zu real. Den Lifestyle ihrer Deutschrap-Kolleg*innen führt sie trotzdem: „Renn meinen Träumen hinterher und schlaf nicht viel / Kann die Scheine nicht mehr zählen, weil Money fließt / Mische Tilidin mit Wodka und Cassis.” Doch im Gegensatz zu eben diesen Kolleg*innen schwingt bei Haiyti immer etwas Wehmut mit, wenn sie von ihrem Leben voller Geld und Autos berichtet: Verlustangst, Rastlosigkeit, unentwegte Arbeit.

Zerrissen zwischen Luxus und Scheitern

Besonders deutlich wird diese Zerrissenheit im Song tak tak, der mit einer Klaviermelodie in Es-Moll beginnt, nach 12 Sekunden jedoch auf ein schnellen, aggressiven Beat wechselt und von Haiytis berauschendem Lifestyle berichtet. Kein Wort mehr von Traurigkeit, bei ihr läuft’s einfach. Doch richtig zufrieden ist sie damit auch nicht, in holt mich raus hier verbrennt sie ihr Geld, weil sie es nicht mehr sehen kann, dann rappt sie: „Erst wollt’ ich Fame und dann wollt’ ich, dass es aufhört / Ich wollte, dass es glänzt und jetzt will ich, dass es Staub wird / Fünf-Sterne-Hotel, doch wär’ lieber vor dеr Haustür / Ich bin ein Star, holt mich raus hier.” Dazu sagte die Wahl-Berlinerin kürzlich im Gespräch mit ZEIT Online, dass in ihren Augen nur ein gescheitertes Talent sexy sei – und sie befinde sich eben im Bereich zwischen Erfolg, der aber doch nicht groß genug ist, um sich abkapseln zu können, und harter Arbeit. Sexy also.

Sexy, aber traurig wird es in Star und zurück sowie in Benzin. Haiyti singt von einer verflossenen Liebe: Hauchdünn und hoch ist ihre Stimme, umgeben von Trapbeats und Autotune. Sie betäubt ihren Schmerz, will vermisst und gleichzeitig vergessen werden. Die Tracks sind unaufdringlich und gehen trotzdem nach vorne, Haiytis Wut und Traurigkeit werden so deutlich, dass man am liebsten eine Träne verdrücken und sie in die Arme nehmen möchte.

Haiyti wartet auf den großen Erfolg

Musikalisch zählt hokus pokus, ein Feature mit Ego, zu den auffälligsten Titeln des Albums: Einprägsamer Beat und einfache Reime wie „Für dich ist es besser, Bruder, wenn du langsam ghostest / Ganze Straße läuft mir hinterher als wär’ ich Moses / Trap Bangers machen ist für mich kein Hokus Pokus.” Obwohl dieser Song das größte Mainstream-Potenzial hat, klingt er eben doch nicht wie die restliche Deutschrap-Szene. Statt poppiger Refrains und lauten Beats schwebt Haiyti in Sphären aus Autotune, leichten Melodien und gehauchten Tönen. 

Auch wenn einige Songs sich stark ähneln und in die musikalischen und inhaltlichen Fußstapfen ihrer Vorgänger-Alben treten: Influencer verdient mehr Aufmerksamkeit als es vermutlich erhalten wird. So banal manche Reime sein mögen und so altbekannt das Protzen mit Materiellem ist, so anders ist die Art, auf die Haiyti es tut. Sie kann sich nicht entscheiden, ob sie abgehoben oder bodenständig ist, ob sie aufgeben oder doch noch dem großen Durchbruch hinterherjagen soll. Diese Zerrissenheit und Wehmut machen sie interessant, ihr sphärischer Sound ist sowohl als Hintergrundmusik beim Putzen als auch für nächtliche Autofahrten und lautes Mitrappen geeignet. 

Im letzten Track, Weltzeituhr, steht Haiyti am Alexanderplatz und wartet: „Tränen kullern und ich wart auf dich unter der Weltzeituhr / Zwölf Uhr mittags in Washington, aber von dir leider keine Spur / Gemischte Gefühle, doch ich trinke gerade den Wodka pur / Tränen trocknen leise und ich frage mich: ‚Wo bleibst du nur?’“ Diese Zeilen stehen sinnbildlich für das ganze Album: Haiyti ist allein, traurig und wartet. Ob sie damit eine Liebe oder den Erfolg meint, wird nicht klar. Letzteren hätte sie nun aber endlich verdient. Wo bleibt er nur?

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