Kulturreif Spezial: Die drei schlechtesten Bücher des Jahres

Ein unsympathisches Yuppie-Pärchen, Pseudo-Weisheiten und zwei Star-Autoren, die über Gott und die Welt plaudern: Diese drei Bücher fand Greta Linde 2020 besonders schlecht.

Die Autorin bei ihrer leidvollen Aufgabe. Illustration: Comicmomz (https://www.instagram.com/comicmomz/)

2020 sind zwar zahlreiche lesenswerte Bücher erschienen, doch auch so mancher Blindgänger hat es auf den Buchmarkt – und in diesen Fällen sogar auf die Bestsellerliste – geschafft. Drei Exemplare sind dabei besonders negativ aufgefallen.

Die Handlung von Leif Randts Allegro Pastell ist schnell zusammengefasst: Tanja und Jerome führen eine Fernbeziehung, legen schließlich eine Pause ein, das Ganze artet in einer Art offenen Beziehung aus und endet weniger glücklich. Diese simple Story, die als „Porträt einer Generation, die alles hinterfragt” gefeiert wurde, plätschert auf knapp 300 Seiten höhepunktarm vor sich hin. Peinlich oft betont der Autor, dass seine Protagonist*innen Sojaschnitzel braten, Tesla fahren oder Ecstasy in der Griessmühle einwerfen. 

Tanja, gefeierte Autorin mit starker Social-Media-Präsenz, realisiert nach ihrem 30. Geburtstag, von ihrem „Boyfriend” genervt zu sein und gibt sich einer Liaison mit dem „Crush” ihrer besten Freundin hin. Jerome, erfolgreicher Webentwickler, fängt währenddessen etwas mit seinem „Love Interest” aus der Jugend an. Abgesehen vom Schreibstil mit Fremdschäm-Potenzial, bietet der Autor kaum Einblicke in die Gefühlswelt der Protagonist*innen. Das höchste der Gefühle ist die Schilderung des Sexlebens der Beiden: „Dem Akt haftete eine gewisse Lethargie an, eine Entscheidung zu absoluter Langsamkeit und demonstrativer Nähe.”

Entscheidende Fragen, wie der Grund für Tanjas Entschluss, die Beziehung zu pausieren und wie es den beiden wirklich geht, bleiben unbefriedigender Weise unbeantwortet. Die Leser*innen erfahren nur, was die Charaktere tun (und viel mehr als arbeiten, Drogen nehmen und Kaffee in der Hasenheide trinken, ist das nicht) und nicht, was in ihnen vorgeht. Ein Roman muss keine sympathischen Figuren haben, um gut zu sein, doch diese Figuren sind nicht nur furchtbar unsympathisch, sondern lesen sich auch wie die optimale Version der Lebensrealität des Autors – der sich in keinster Weise von seinen Protagonist*innen und deren privilegierter Millennial-Welt distanziert.

Kalendersprüche und YouTube-Videos zu einem Buch verarbeitet

Nach John Streleckys weltweitem Bestseller Das Café am Rande der Welt dürfte eigentlich klar gewesen sein, dass sich der Autor mit seinem simplen Schreibstil nicht unbedingt für einen Literaturnobelpreis qualifiziert. Trotzdem wurden die Nachfolger ähnlich erfolgreich. Im September hat er Was ich gelernt habe herausgebracht, ein Sammelsurium diverser Lebensweisheiten – oder das, was er dafür hält. 

Eingeteilt in Liebe, Beziehungen, Glück, Erfolg, Natur, Persönliches und Herausforderungen, „bereichert” Strelecky seine Leser*innen mit Ratschlägen wie: „Wenn jemand uns eine Absage für etwas erteilt, bedeutet es nicht, dass die Antwort tatsächlich und definitiv ‚Nein’ lautet. Es bedeutet, dass der andere keine Vorstellung davon hat, wie etwas Bestimmtes umgesetzt werden kann” oder „Mir ist klar geworden, dass es besser ist, eine E-Mail, die mich wütend macht, unbeantwortet zu lassen, als selbst mit einer wütenden Nachricht darauf zu reagieren.” 

Die knapp 220 Seiten lesen sich schnell, vor allem wegen der einfachen Sprache und zahlreicher Illustrationen. Dabei kann der Autor sich jedoch nicht entscheiden, ob er romantische Weisheiten verbreiten oder damit angeben möchte, dass er jeden Morgen mit einem Glas Wasser und einer Meditation beginnt. Generell betont er auffällig oft, wie erfolgreich er ist und – als er darüber philosophiert, dass jeder Mensch anders denkt – wie verblüffend schnell er sich Geschichten und Charaktere ausdenken kann.

Obwohl manche der Ratschläge sicherlich hilfreich sind (und andere dafür umso fragwürdiger), findet sich in diesem Buch nichts Neues. Stattdessen wirkt Streleckys neuestes Werk wie eine Zusammenstellung aus Kalendersprüchen und Morning Routine-Videos auf YouTube.

Selbstgefällige Belanglosigkeiten von Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre

Martin Suter und sein Autorenkollege Benjamin von Stuckrad-Barre unterhalten sich über Belanglosigkeiten. Mehr muss man zu Alle sind so ernst geworden, das erst im Dezember erschienen ist, nicht wissen. Auf knapp 300 Seiten in Dialogform geht es unter anderem um Geld, Hochzeiten und Kleidung. 

So berichtet Stuckrad-Barre zu Beginn, als die Beiden über ihr Kennenlernen an der Ostsee plaudern, dass Suters Badehose damals sehr hässlich gewesen sei: „So was kann doch gar nicht von dir selbst gekauft worden sein. Die muss deine Frau gekauft haben.” Stuckrad-Barre vermutet das, weil seine Frau für ihn die Badehosenwahl übernimmt, was er „immer schön finde[t], bei solch schwierigen Sachen. Badehosen, meine Güte. Kann man eigentlich nur falsch machen.” 

So belanglos wie diese Plauderei, ist das gesamte Buch. Weiter unterhalten sich die Beiden nämlich über Suters pubertäre Tochter und seine Versuche, Streitereien in den Griff zu bekommen (hierzu schüttelt Martin Suter ein Einmachglas mit Glitzer, um seiner Tochter zu verdeutlichen, was in ihrem Kopf vorgeht, woraufhin diese meist mit „Hau ab!” antwortet). Auch Drogen sind eine Thema (Suter hat nur starkes Gras ausprobiert, wovon Stuckrad-Barre enttäuscht ist und nachhakt, ob Koks ihn nicht reizen würde), ebenso Ibiza (hier wurde Stuckrad-Barre mal von einem Kreuzfahrtschiff geschmissen, weil er das Rauchverbot missachtet hat).

Für die Lektüre, die bereits in den Top Ten der Spiegel Bestseller rangiert, muss man kaum nachdenken; den selbstgefälligen Dialogen ist leicht zu folgen. Am Ende des Buchs ist man demnach weder geistig herausgefordert noch sonderlich gut unterhalten worden. Und philosophisch ist hier schon mal gar nichts.

Trotzdem sind all diese Bücher kommerziell erfolgreich (gewesen): Letztere verkaufen sicherlich wegen ihres prominenten Namens – die Gedanken über Glitzer und Badehosen von Ulf Koslowski aus dem Nachbarhaus würden vermutlich nur wenige interessieren. John Strelecky wiederum kann bis heute von seinem Café-Erfolg zehren – und Ratschläge, für die man nicht viel nachdenken muss, kommen ohnehin gut an. Nur Allegro Pastell bleibt ein Rätsel: Lesen andere Millennials so etwas wirklich gerne oder war das Feuilleton nur erleichtert, eine spannendere erste Lebenshälfte verbracht zu haben? Man kann nur hoffen, dass 2021 kein Nachfolger erscheint.

Allegro Pastell ist im März 2020 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und kostet 22 Euro.

Was ich gelernt habe ist im September 2020 bei dtv erschienen und kostet 18 Euro.

Alle sind so ernst ernst geworden ist im Dezember 2020 bei Diogenes erschienen und kostet 22 Euro.

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