Böllerei verursacht nichts als Schäden – ökologisch und gesundheitlich. Das hat man zum Corona-Silvester zwar erkannt. Gerade deshalb muss jetzt aber ein generelles Verbot folgen, kommentiert Hutham Hussein.
Es ist wieder soweit, die Silvesternacht steht an. Normalerweise würden dann unzählige Menschen ohne Sinn und Verstand zwischen 100 und 137 Millionen Euro „in die Luft jagen“, wie das Umweltbundesamt (UBA) 2019 in einem Bericht zeigte. 137 Millionen Euro! So viel Geld wie das Saarland bis 2024 in Digitale Bildung investieren will oder das Land Sachsen-Anhalt als pauschalen Corona-Ausgleich für wegfallende Steuereinnahmen erhält. Dabei beinhaltet der Bericht nur die Feuerwerkskörper und Böller, die auf legalem Wege erworben wurden. Das brutale Ausmaß der Ressourcenverschwendung scheint ein schwaches Argument gegen die tollen Lichteffekte zu sein. Dabei erzeugt nur circa ein Drittel eines Feuerwerkskörpers tatsächlich die geliebten farbigen Lichtfiguren. Die restlichen 60 bis 75 Prozent sind nichts als Kunststoffmüll aus Konstruktionsteilen, der von den Straßen aufgesammelt und beseitigt werden will. Dafür muss die Berliner Stadtreinigung in und nach der Silversternacht überproportional viel Personal engagieren. Über den Kostenpunkt dafür gibt es keine Angaben des Berliner Senats. Vom Verpackungsmüll der Böller soll hier erst gar nicht geschwärmt werden.
Mehr Schatten als Lichtseiten
Der Eintrag von Plastik in die Umwelt steigt, genau wie die Schadstoffbelastung in der Luft. 4.200 Tonnen Feinstaub pusten die Menschen mit Raketen, Batterien, D-Böllern und ähnlichem in die Luft. Die dauernd und zu recht monierte hohe Feinstaubbelastung durch den Straßenverkehr ist zwar zehnmal höher, allerdings ist dieser auf ein ganzes Jahr gerechnet. Da kann Verkehrsminister Scheuer sich ja beinahe auf die Schultern klopfen. Hinzu kommt, dass laut UBA der an Böller-Feinstaub noch giftiger ist als der „übliche“ Feinstaub industrieller Anlagen. Zusätzlich dazu wird eine Menge CO2 freigesetzt.
Berlin will sich bis 2050 zu einer klimaneutralen Stadt entwickeln. Statt die Böllerei endgültig zu verbieten, stemmen sich die Klimaschutztartüffen von Bund und Ländern aber lieber gegen ein generelles Verkaufs- und Böllerverbot. Corona kommt dabei für den Berliner Senat nicht ungelegen – so kann er zumindest in diesem Jahr zusätzliche böllerfreie Zonen und ein Verkaufsverbot durchsetzen. Dass der Schritt in der selbsterklärten „Klimanotlage“ weit über die Pandemie hinaus gelten muss, scheint allerdings vergessen. Vielleicht hat man das Energiewendegesetz an eine der Vorjahres-Raketen geknotet und gen Himmel geschossen.
Gute Vorsätze statt Sprengsätze!
Dass in Deutschland das Jahr damit gestartet wird, dass die Luftverschmutzung auf ein Jahresmaximum katapultiert wird, hat auch enorme gesundheitliche Folgen. Diese beginnen bei Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Problemen, erhöhtem Medikamentenbedarf bei Asthmatiker*innen und enden mit der Zunahme der Sterblichkeit. Verlässliche Begleiterscheinungen der Böllerei kommen hinzu: Verbrennungen, Augenverletzungen, Hörschädigungen und und und.. Will man den Silvester-Sadismus wirklich in Kauf nehmen, auch in „gesunden“ Jahren, wo die Krankenhäuser nicht an der Kapazitätsgrenze sind?
Die coronabedingten Sonderregelungen vereinfachen zwar die Einrichtung zusätzlicher Verbotszonen, in Berlin fallen darunter nun 54 Bereiche. Um Mensch und Umwelt nachhaltig zu schützen, braucht es aber andere Vorsätze. Der Klimaschutz muss endlich mit gleicher Ernsthaftigkeit und Konsequenz angegangen werden wie die Coronapandemie. Dann hätten wir möglicherweise eine Chance, die Klimaziele zu erreichen. 2021 steht vor der Tür: Zeit für eine neue Silvestertradition, in der der Untergang von unser Mutter Erde nicht frenetisch jubelnd herbeigeknallt wird!