Alles fühlt sich schwer an, nichts bringt Freude – Depressionen sind vor allem im Winter für viele Menschen ein ernstes Thema. Was sie verursacht, woran man sie erkennt und was wirklich hilft, erfährt Carolyn Gläsener im Gespräch mit der Psychologieprofessorin Babette Renneberg.
Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Clubs und Bars, kaum soziale Kontakte: Die Einschränkungen aufgrund der Corona Pandemie gehen an den wenigsten spurlos vorbei. Konnte man der schlechten Lockdown-Laune im Frühjahr jedoch zumindest warme Temperaturen und Sonnenschein entgegenhalten, machen die kurzen Tage und die lange Dunkelheit in den Wintermonaten vielen zusätzlich zu schaffen. „Das muss nicht so sein; manchen Leuten geht es im Winter auch richtig gut, und das ist auch gut so“, erklärt Babette Renneberg, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Freien Universität Berlin. „Es gibt aber auch Menschen, die besonders anfällig sind für das Auftreten einer depressiven Phase in den dunklen Monaten.“
Ausgelöst werden solche saisonalen Depressionen oftmals durch die Abwesenheit maßgeblicher Faktoren: Es fehlt im Winter einerseits deutlich an Tageslicht, andererseits – vor allem während Corona – an positivem Austausch mit Menschen aus dem Umfeld. „So kommt es, dass eine Negativ-Spirale in Gang gesetzt wird, was dazu führt, dass man sich einsamer fühlt und immer mehr negative Gedanken hat“, so Renneberg. „Da kommt auch die biologische Vulnerabilität der einzelnen Personen hinzu. Wenn das zusammentrifft, ist die Wahrscheinlichkeit einer saisonalen Depression noch einmal höher.“
Nur ein wenig traurig?
Doch wie unterscheidet man eine harmlose Verstimmung von einer tatsächlichen Depression? Von letzterem könnte betroffen sein, wer sich über einen Zeitraum von 14 Tagen oder länger hinweg kraft-und antriebslos fühlt, kein Interesse mehr an Hobbies, Freund*innen oder anderen freudebringenden Aktivitäten hat, an Schlafstörungen leidet oder eventuell auch den Appetit verliert. Wer solche Muster bei sich zu erkennen glaubt, kann dem selbst mit körperlicher Bewegung, Kontakt zu Freund*innen oder der Anschaffung von Tageslichtlampen entgegenwirken, sollte jedoch auch in Erwägung ziehen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Bei leichten Verläufen kann dieses Hilfsangebot mittlerweile sogar in digitaler Form stattfinden: So bieten zum Beispiel viele Krankenkassen kognitive Verhaltenstherapien an, die man selber im Internet machen kann. „Es gibt jedoch auch ganz schwere Formen von Depressionen, wo Menschen einfach nicht mehr in der Lage sind, aus dem Haus zu gehen oder sich etwas zu essen zu machen“, erklärt Rennenberg. „Diese Menschen sind wirklich stationär am besten aufgehoben.“
Eine unsichtbare Pandemie
Weltweit leiden circa 350 Millionen Menschen an Depressionen, in Deutschland wurden 2016 ungefähr 5,2 Millionen Betroffenen zwischen 18 und 79 Jahren gezählt, wobei Frauen zwei- bis dreimal häufiger erkranken als Männer. Die WHO geht sogar davon aus, dass Depressionen mittlerweile zur zweithäufigsten Volkskrankheit zählen. Nichtsdestotrotz tun sich viele Betroffene aus Angst vor Stigmatisierung nach wie vor schwer damit, Hilfe zu suchen, obwohl das Thema psychische Gesundheit in den vergangenen Jahren immer mehr in den Vordergrund des öffentlichen Diskurs gerückt ist. „In den letzten fünf bis zehn Jahren hat sich diesbezüglich wirklich etwas getan hat. Es ist heutzutage sehr viel leichter, über psychische Erkrankungen zu sprechen als früher”, so Renneberg. „Nichtsdestotrotz ist es immer noch so, dass dies beispielsweise am Arbeitsplatz nicht unbedingt der Fall ist.”
Wer also befürchtet, auffällige Verhaltensmuster bei einem nahestehenden Menschen zu erkennen, äußert seine*ihre Sorgen am besten direkt. „Am besten fragt man die Person ganz offen, wie es ihr eigentlich wirklich geht. Das ist immer besser, als nichts zu tun“, rät Renneberg. „Aber Achtung: Angehörige können in der Regel nicht so helfen, dass die Probleme sofort wieder verschwinden. Wenn es wirklich eine Depression ist, dann ist schon professionelle Hilfe der Weg der Wahl.“ Nichtsdestotrotz kann ein offenes Gespräch während eines gemeinsamen Spaziergangs der betroffenen Person schon Gutes tun – oft hilft schon die Gewissheit, nicht alleine zu sein.
Hilfe finden Betroffene u.A. bei der Bundespsychotherapeutenkammer, der Deutschen Depressionshilfe oder bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung