In 30 Minuten um die (Gefühls-)Welt

Endlich ein Pandemiepodcast voller Aha-Momente! More than a feeling: Gefühle und Gesellschaft wurde von Luca Klander 15 Bananenbrote und 17 Klopapierrollen lang erwartet.

Zehn Fachdisziplinen und dreizehn Einrichtungen erforschen gemeinsam die Gefühlswelt im Sonderforschungsbereich Affective Societies. Illustration: Hannah Held

Videochats verwandeln Schlafzimmer in Hörsäle. Ein seltsames Gefühl, an das sich viele nicht gewöhnen (wollen). Was wir fühlen, ist jedoch nicht nur für uns persönlich bedeutsam. Gefühle sind eine treibende soziale Kraft und haben einen großen Einfluss auf die ganze Gesellschaft. Von dieser Wirkung handelt More than a feeling: Gefühle und Gesellschaft – einem Podcast von Birgitt Röttger-Rössler und Margreth Lünenborg. Sie beschäftigen sich als Teil des interdisziplinären Forschungsteams Affective Societies an der Freien Universität mit genau diesem Einfluss. Wie verändern sich der private und öffentliche Raum? Zu welchen Emotionen, welchen Meinungen darf man sich öffentlich bekennen? Was ist erwünscht, was wird tabuisiert?

Privat. (Kein) Zutritt für Unbefugte!

Eine Linie zieht sich durch unsere Wahrnehmung. Sie teilt unser Leben in eine private und eine öffentliche Sphäre. Doch sie verwischt immer mehr. Wir holen uns die Welt in der Gestalt eines Fernsehers ins Wohnzimmer und lassen gleichzeitig Passant*innen an unserem privaten Telefongespräch mit vertrauten Menschen teilhaben. Die Entwicklung, dass private und öffentliche Angelegenheiten immer weiter ineinander übergehen, wird durch den andauernden Lockdown zusätzlich beschleunigt und erstmals wirklich bewusst wahrgenommen. Die Forschenden stellen diese gesellschaftliche Entwicklung raffiniert vor, besonders für die ungeübten Augen der Zuhörer*innen.

Ich oder wir – wer steht im Mittelpunkt?

Der pandemischen Gefühlsachterbahn wollen viele mit Achtsamkeit entgegentreten – in sich hineinhorchen. Die eigenen Gefühle wahrnehmen und regulieren. All das kann die mentale Gesundheit stärken. Doch in einer Kultur der Leistungssteigerung und Selbstoptimierung kann Achtsamkeit paradoxerweise selbst zur Belastung werden. Ein Burnout ist durch prophylaktisches Meditieren vermeidbar und damit quasi selbstverschuldet. Wer unter chronischem Stress leidet, wird womöglich noch mit dem Vorwurf konfrontiert, den falschen Umgang mit seinen Gefühlen zu haben. Von der Selbstzentrierung abzusehen und eine solidarische Verhaltensweise zu verlangen, kann hier zur gesellschaftlichen Zerreißprobe werden, wie wir es momentan bei den Maßnahmen zur Pandemieeindämmung erleben. Auch in Teilen der Achtsamkeitsbewegung stoßen diese auf geringe Akzeptanz. Ein Erklärungsversuch der Sozialwissenschaftler*innen ist, dass die angestrebte Gegenwartsorientierung im Lockdown von Nostalgie und Zukunftsangst verdrängt wird. 

30 Minuten voller Aha-Momente

Gefühle und Gesellschaft – zwei weit gefasste Begriffe, die im Podcast behandelt werden. Die Zuhörenden erhalten kaum finale Ergebnisse, vielmehr ist der Podcast ein anregender Auftakt zur eigenen Beschäftigung mit den offenen Fragen. Es ist ein Brainstorming von Expert*innen, die ihr erworbenes Wissen teilen. Ein Sammeln verschiedenster gedanklicher Ansätze, überraschender Fakten und Anekdoten. Mal werden Fragen beantwortet, mal neue Fragezeichen gesetzt. In beiden Fällen kann man etwas aus dem Gespräch mitnehmen. Die Diskussionen sind spannend zu verfolgen, auch wegen des Enthusiasmus’ der Gastgeberinnen. Ein breites Publikum erhält dadurch eine lebendigere Alternative zur Lektüre wissenschaftlicher Aufsätze und unterschiedlichste Einblicke in die Forschungsfelder der Freien Universität. Auch die Länge ist mit 30 Minuten studierendenfreundlich und eine informative Unterhaltung für den nächsten Spaziergang.


More than a feeling: Gefühle und Gesellschaft erscheint monatlich auf der Website des Sonderforschungsbereiches Affective Societies der Freien Universität Berlin sowie auf zahlreichen anderen Podcast-Plattformen.

Die dritte Folge handelt von der Empörung rund um Diskussionen zur kulturellen Vielfalt. Zu Gast sind Literaturwissenschaftler Jürgen Brokoff und Soziologe Christian von Scheve.

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