Frauen sind in der Filmindustrie stark unterrepräsentiert. Das Berliner Filmkollektiv GENERATION TOCHTER hat es sich zur Mission gemacht, dies zu ändern. Von Felix Wortmann Callejón.
Kino ist ein Männergeschäft. Einer Studie der USC zufolge werden nur 28,7 Prozent aller Sprechrollen mit Frauen besetzt. Der Ökonom Roberto Pedace fand 2019 heraus, dass die Gender-Pay-Gap bei Hollywood-Schauspieler*innen bei mindestens 3,8 Millionen US-Dollar pro Film liegt. Auch in anderen Bereichen der Branche sind Frauen stark unterrepräsentiert: Der Oscar für die Beste Regie, der seit 1929 vergeben wird, ging 2010 erstmals an eine Frau. Das Berliner Filmkollektiv GENERATION TOCHTER hat es sich zur Mission gemacht, die Unterrepräsentation von Frauen vor (und hinter) der Kamera zu ändern.
GENERATION TOCHTER ist ein unabhängiges Filmkollektiv, eine wachsende Gruppe von jungen Filmemacher*innen, die gemeinsam einen Coming-of-Age-Film mit feministischem und ästhetischem Anspruch drehen. Aktuell sind circa 80 Personen unterschiedlicher Geschlechter und Herkünfte vertreten. Darunter auch Studierende aller Berliner Universitäten und mehrerer Hochschulen. Ihr aktuelles Projekt handelt von der siebzehnjährigen Clara, die mit ihrer Mutter, einer ehemaligen RAF-Terroristin, im Untergrund lebt. Sie finanzieren sich durch Überfälle, bis ein solcher schiefgeht und Dagmar, Claras Mutter, erpresst wird. Gewalt aus einer weiblichen Perspektive ist ein essenzieller Teil des Films.
Geld regiert die Welt – auch im Film
Dieser neue Aspekt macht es den Filmschaffenden jedoch gleichzeitig schwer, die Finanzierung für das Projekt zu sichern. Für kleine, unabhängige Projekte, die sich innovativ und unkonventionell zeigen, sei es schwierig Förderungen vom Staat zu bekommen: „Wir tanzen auf ein paar Hochzeiten mit unserem Projekt“, sagt das Produktionsteam des Kollektivs, „aber nicht auf denen der allermeisten Förderungen.“ Deshalb finanzieren sich die Teilnehmer*innen durch Crowdfunding. Für den ersten Drehblock im November vergangenen Jahres konnten die Mittel gesichert werden, für den zweiten Drehblock, der mehrere Stunts umfasst und somit teurer als der erste wird, läuft das Crowdfunding noch bis zum 8. Februar. Zwei Tage vor geplantem Schluss der Aktion wurde das Fundingziel von 20.000 Euro erreicht. Das Zeitfenster haben die Organisator*innen deshalb verlängert und steuern jetzt das zweite Ziel von 35.000 Euro an. Diese Summe würde es GENERATION TOCHTER erlauben, den zweiten Drehblock mit noch besseren Mitteln umzusetzen. Unabhängig vom Budget, das letztendlich zur Verfügung steht, ist sich das Kollektiv sicher, dass das Projekt weitergehen wird: „Alle von uns sind sich einig, dass das wichtig, richtig, nötig ist und passieren wird.“
Dies liegt auch daran, dass GENERATION TOCHTER besonders für die Teilnehmerinnen eine große Chance darstellt. Das Projekt „gibt uns Frauen die Chance zu zeigen, dass wir sehr wohl in der Lage sind, die gleichen Tätigkeiten auszuführen wie die Männer“, meint Kamerafrau Hanife Koch, deren Disziplin in den Preisverleihungen eindeutig von Männern dominiert wird. Bei den Oscars hat bis jetzt noch keine Frau den Preis in der Kategorie Beste Kamera gewonnen. Beim deutschen Filmpreis haben bis jetzt nur zwei Frauen in dieser Kategorie gewinnen können. Koch sieht für diese Ungleichheit mehrere Faktoren: Zunächst gibt es in der Branche tatsächlich deutlich mehr Kameramänner als -frauen. Das liegt aber auch daran, dass „uns Frauen in einem technischen und auch körperlich anstrengenden Beruf oft immer noch zu wenig zugetraut wird.“ Dadurch müssen sich Kamerafrauen stärker beweisen als ihre männlichen Kollegen. Eine größere Problematik sieht Koch jedoch in der Familien-(un)freundlichkeit der gesamten Filmbranche. Möchten sie eine eigene Familie gründen, heißt das für Kamerafrauen zwangsläufig ein paar Monate aus dem Berufsleben aussteigen zu müssen. „Steht man in der Filmwirtschaft nicht zu 100 Prozent zur Verfügung, kann es schnell passieren, dass man – und leider gerade auch Frau – ‚aussortiert‘ wird.“
Besserung in Sicht
Dennoch ist Koch hoffnungsvoll: In ihrem Jahrgang an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin sind zwei Drittel der Kamerastudierenden weiblich. Eine Frauenquote sei ein Schritt in die richtige Richtung, langfristig müsse die Branche jedoch familienfreundlicher gestaltet werden, damit Frauen auch die Chance haben, Familie und den Wunschberuf miteinander vereinbaren zu können. Projekte wie GENERATION TOCHTER, bei denen die Position wirklich nach Kompetenz vergeben wird, zeigen, dass es nicht auf das Geschlecht ankommt, sondern auf die jeweiligen Menschen.