Bei der zweiten Online-Vollversammlung beschloss eine kleine Anzahl Studierender eine große Anzahl Forderungen an FU-Präsidium und Politik. Kollektive Aufbruchstimmung kam aber nicht wirklich auf. Von Julian Sadeghi.
Das Abstimmungstool war im Dauereinsatz: Bei der zweiten Online-Vollversammlung tauschten sich FU-Studierende über ihre Handlungsmöglichkeiten in Zeiten der Krise aus und verabschiedeten im Laufe der dreistündigen Sitzung eine ganze Reihe von Resolutionen. Mehr noch als die erste Versammlung vor drei Wochen war die Versammlung am vergangenen Mittwoch sehr darauf bedacht, konkrete Ergebnisse zu produzieren – bei der ersten Sitzung hatte man sich vor allem Zeit für Bestandsaufnahme und einen offenen Austausch zwischen den verschiedenen studentischen Perspektiven auf das Onlinestudium und die durch die Coronapandemie ausgelösten oder verstärkten Härten genommen. Die wesentlichen Akteur*innen hatten die zweite Versammlung nun augenscheinlich recht ausführlich vorbereitet und brachten eine Fülle von Resolutionen ein. Die Versammlung nahm sämtliche eingebrachten Vorschläge an, teilweise versehen mit Änderungen und Ergänzungen.
Verabschiedet wurden sieben Resolutionen:
- Die Gründung eines „Aktionskomitees“, das weitere Aktionen planen und vorbereiten soll (eingebracht von Klasse gegen Klasse Campus)
- Der Auftrag an das neu gegründete Aktionskomitee, verschiedene Protestaktionen zu initiieren (eingebracht von den Marxistischen Studierenden Berlin)
- Die Aufforderung an das FU-Präsidium, die Klimaneutralitätsbemühungen zu verstärken und paritätische Mitbestimmung zu ermöglichen (eingebracht von FU for Climate Justice)
- Das Verlangen nach Entlastungen für Studierende im Online-Studium (eingebracht vom Arbeitskreis Hochschulpolitik)
- Die Unterstützung des offenen Briefes der neu gegründeten Initiative Intersektionales Lehramt, der unter anderem mehr antirassistische Lehrinhalte einfordert (eingebracht von der Initiative Intersektionales Lehramt)
- Die Forderung nach Entlastungen für Studierende mit Kind(ern)
- Eine Resolution, die sich gegen „Schikane“ durch Dozierende wendet
Weiterhin nutzten die Bafög-Berater*innen des Asta und der Personalrat der studentischen Beschäftigten die Vollversammlung, um auf ihre Beratungsangebote hinzuweisen. Die beiden Bafög-Beraterinnen wiesen zudem auf eine Kampagne des fzs (freier zusammenschluss von student*innenschaften) zum aktuellen Zustand der Bafög-Förderung hin und schlugen eine weitere Vernetzung von Bafög-Empfänger*innen vor.
Produktives Arbeitsklima…
Große Kontroversen kamen bei der Vollversammlung, wie schon beim ersten Termin, nicht auf. Im Wesentlichen teilten die Anwesenden das Bedürfnis, die in der ersten Versammlung besprochenen studentischen Probleme in konkrete Aktionsformen zu überführen. Eine kleine Debatte entstand einzig um die Frage, wie groß die Rolle des Asta bei der Durchführung der geplanten Aktionen sein sollte. Das Plenum entschied sich letztlich für die Annahme von Änderungsanträgen, die diese Aufgabe vor allem dem neu zu gründenden Aktionskomitee zuweisen und dem Asta lediglich eine unterstützende Rolle übertragen.
Das Interesse der FU-Studierenden war deutlich geringer als bei der ersten digitalen Vollversammlung vor drei Wochen. Waren bei dieser noch knapp 300 Teilnehmende dabei, kamen am Mittwoch zu Anfang nur knapp 90 Studierende zusammen, deren Zahl sich gegen Ende hin halbierte. Zwar vermochte dadurch einerseits nicht so recht ein Gefühl des kollektiven Handlungsbewusstseins aufkommen. Auf der anderen Seite konnte die kleine, konstruktiv arbeitende Gruppe die bei Vollversammlungen nicht unüblichen Grabenkämpfe und oft langwierigen, kräftezehrenden Debatten über Formulierungsdetails vermeiden und in der Folge eine beachtliche Anzahl (hochschul)politischer Resolutionen verabschieden.
…aber die Wirkmacht der Beschlüsse ist ungewiss
Gerade die niedrige Teilnehmer*innenzahl verdeutlichte aber nochmals, dass selbst die massiven Umwälzungen des Studiums durch die Pandemie nur eine geringe Zahl Studierender zu motivieren scheint, sich hochschulpolitisch einzubringen und ihre Stimme zu erheben. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, ob insbesondere die von Klasse gegen Klasse Campus und den Marxistischen Studierenden Berlin eingebrachten, auf eine allgemeine Politisierung der Studierendenschaft gerichteten, Resolutionen praktische Wirkung entfalten werden. Im kleinen Teilnehmer*innenkreis der Vollversammlung waren die Resolutionen zwar im Detail nicht gänzlich unumstritten, aber letztlich doch mehrheitsfähig. Ob das auch auf die Masse der etwa 30.000 FU-Studierenden zutrifft – ob die inhaltlichen Ergebnisse der Vollversammlung überhaupt bis zu ihnen durchdringen werden – erscheint eher fraglich.