Für Menschen mit Spritzenphobie ist Corona eine Art Boot-Camp. Unsere Autorin Julia Wyrott hat trotz Angst vor der Nadel das Impfzentrum der FU besucht und die Erstimpfung mit dem Impfstoff Moderna erhalten. Ein Erfahrungsbericht.
Ich weiß nicht, ob man das Spritzenphobie nennen kann, aber beim Anblick von Nadeln im Arm wird mir schlecht. Ungünstige Voraussetzung in diesen Tagen. Kaum eine Nachrichtensendung zeigt weniger als drei Impfungen, natürlich Nahaufnahme, tausendfacher Zoom. Dann noch die impfenden Ärzt*innen, die sich mit den Nadeln für eine Darts-WM qualifizieren könnten.
Diesmal bin ich dran. Statt Impfungen auf dem Bildschirm heißt es jetzt Schlangestehen vor dem Institut für Pflanzenphysiologie. Ich bin eine der Glücklichen, die in der ersten Woche nach Öffnung des Impfzentrums der FU für Studierende einen Termin ergattert haben. Nicht etwa, weil ich besonders schnell war – die Termine waren innerhalb kürzester Zeit ausgebucht – sondern, weil jemand abgesagt hatte.
Im mittlerweile gewohnten 1,5-Meter-Rhythmus bewegt sich die Schlange Richtung Eingang zum Foyer. Ein Mitarbeiter fragt mich nach meinem zweiten Impftermin. Ich wühle hektisch durch meinen Stapel an Unterlagen. Bürokratie pur. Die Terminbestätigung abnickend lässt er mich passieren.
Offizieller Startschuss im Impfzentrum für Studierende
Aus dem Augenwinkel sehe ich ein Kamerateam zusammenpacken, bevor ich im Gebäude verschwinde. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste: nur ein paar Minuten zuvor hatte der regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, gemeinsam mit dem Präsidenten der FU, Günter M. Ziegler, Vizepräsident Hauke Heekeren und FU-Kanzlerin Andrea Bör, den offiziellen Startschuss gegeben. Nachdem die Freie Universität seit dem 8. Juni Beschäftigten der Universität eine Impfung anbieten konnte, startete Berlin nun als erstes Bundesland, das konkret Studierenden zusätzliche Impfangebote machte.
Dafür wurden Studierende wie Xenia Haensen rekrutiert. Weil sie letztes Jahr in der Studierendenverwaltung der Universität gearbeitet hat, bekam sie das Angebot, im Impfzentrum zu helfen. Zwei- bis dreimal pro Woche ist sie nun hier, in der Königin-Luise-Straße in Dahlem, und empfängt Impfwillige wie mich an einem Schalter.
Hier heißt es erstmal, sämtliche Unterlagen nach Vollständigkeit kontrollieren. Einwilligungserklärungen, Anamnese, Aufklärungsbogen – fehlt etwas, hilft sie den Studierenden mit Blankobögen und Kugelschreibern aus. Bei mir wird aber alles abgenickt und ich bekomme eine Nummer. „Einmal in den Warteraum, bitte.“
Also auf zu Station Nummer drei. Bevor ich mich setze, werde ich gefragt, ob ich etwas gegessen und getrunken habe und ob es mir gut geht. Außerdem gibt es Traubenzucker und Wasser. Nett, denke ich, das wäre bei Vorlesungen vor zehn auch keine schlechte Idee. Nun muss ich abwarten. Ich sitze umringt von ungefähr 25 Studierenden und werde fast schon nostalgisch. Abgesehen vom Aufrufen der Nummern und den Abständen zwischen den Stühlen ist die Illusion perfekt. Alle tippen auf ihren Handys herum oder sind in ein Buch vertieft. Alles beim Alten.
Ein kleiner Pieks in Richtung Präsenzlehre?
Und dann ist es so weit. „Nummer 72“. Ich werde in Raum zwei geschickt und betrete einen ungewöhnlichen Mix aus Tafel, Arztkabinen und Lehrpult. Ein Mann in weißem Kittel winkt mir zu. Er ist einer der Betriebsärzt*innen des Arbeitsmedizinischen Zentrums der Charité, die normalerweise Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen beraten, nun aber im Impfzentrum der FU aushelfen.
Jetzt geht es ganz schnell. Nach einer kurzen Aufklärung füllt der Arzt die Spritze mit dem Moderna-Impfstoff auf. Und so schlimm wie es im Fernsehen aussieht, ist es gar nicht. Stolz, mit einem Pflaster auf dem Arm und einem etwas volleren Impfpass, verlasse ich die Arztkabine. Mitarbeitende weisen mich durch das Labyrinth von Stationen zum nächsten Schalter. Voller Euphorie beobachte ich, wie meine Bescheinigung über die Erstimpfung mit einem Stempel versehen wird. Nun nur noch 15 Minuten in einem weiteren Warteraum verbringen, falls es zu starken Reaktionen auf die Impfung kommt. Dann ist es geschafft!
In einem Pressebericht der FU heißt es, dass bis zum 2. Juli mehr als 3350 Impfdosen im Impfzentrum verabreicht wurden. Bis Ende August soll das so weitergehen. Was danach kommt, ist noch unklar, hängt aber von der Impfstoffverfügbarkeit für das Impfzentrum und der Nachfrage von Mitarbeitenden und Studierenden nach weiteren Terminen ab.
Als ich nach draußen trete, scheint die Sonne. Normalerweise würde ich den Tag bei diesem Wetter mit Kommiliton*innen auf einer der Außenanlagen der FU verbringen. Stattdessen fahre ich nach Hause, um im Homeoffice zu studieren. Ob die Impfungen wieder eine Präsenzlehre im kommenden Wintersemester ermöglichen, wird sich zeigen.
Falls Ihr auch darüber nachdenkt, das Impfangebot der FU in Anspruch zu nehmen:
- Anmeldeseite für die Termine im Impfzentrum der FU
- Hier die Übersicht, was ihr alles zur ersten Impfung mitnehmen müsst.