FURIOS fantasiert: Doch wo ist die Fantasie?

Normalerweise findet man sie in der Natur, auf Festivals oder in Kunstgalerien – Fantasie. Doch nach anderthalb Jahren Corona merkt unsere Autorin, dass das gar nicht so leicht fällt. Fast schon verloren geglaubt, findet sie sie an unerwarteten Orten. Von Marie Blickensdörfer.

Abstraktes Bild als Ausdruck der Fantasie Bild: Steve Johnson, unsplash.com

Während ich wandernd auf die Baumwipfel der hohen Tannen vor mir schaue, frage ich mich, was ich wohl für die Ferienserie schreiben könnte. Malerisch beschreiben, wie die Spitzen der Bäume in den Himmel piksen und sich vom Nebel abheben? – leider nicht möglich, denn für die Rubrik „FURIOS VERREIST” wurde sich beinahe so schnell eingetragen, wie für die beliebtesten Unis für Auslandssemester. Also muss ich fantasieren – fantasieren, was nach Corona sein könnte. 

Da wären Aktivitäten, die nur vor Corona möglich waren und für die die Pandemie einen Schalter umgelegt hat. Einen großen roten Schalthebel, der in Fabriken das Notaus aller Maschinen bedeuten würde. Für unsere Gesellschaft bedeutete es eine Pause – eine große Pause für alles, was zuvor selbstverständlich erschien, zum Beispiel an Festivals teilnehmen zu können. 

Fantasierend auf einem Festival

Über eine strahlend grüne Wiese eile ich auf den Eingang zum Konzertgelände zu. Darüber ist ein riesiges im Wind flatterndes Banner gespannt, welches den Namen des Festivals verrät. Die Wiese ist leer, denn ich komme mit Verspätung, während alle anderen sich schon vor den Bühnen versammelt haben. Ob ich wohl noch einen guten Platz bekomme oder meine Freund*innen wiederfinde? Doch diese Fragen können mich nicht stressen, dafür genieße ich den Moment zu sehr. Die Sonne scheint mir heiß ins Gesicht, aber nicht unangenehm, denn gleichzeitig werden meine Wangen sanft vom Wind gekühlt. 

Doch steckt genug Fantasie in einem Moment, den man bis auf die leeren grünen Wiesen fast so erlebt hat? Ich komme zu dem Schluss, dass dem nicht so ist und überlege weiter. 

Wo ist die Fantasie geblieben? 

Vielleicht ist sie irgendwo zwischen After-Oster-Lockdown und der (oft enttäuschenden) Suche nach (oft schlechten) After-Partys im Park verloren gegangen. In den verschiedenen Bereichen des Lebens ist es oft ein schmaler Grat zwischen dem Willen und Nicht-Wollen. Man will etwas zurück, obwohl man nicht weiß, wie es zuvor war und andererseits nicht, weil man weiß, wie es zuvor war. Doch bevor die Verzweiflung Überhand gewinnen kann, steigen ganz neue Gedanken in mir auf; Gedanken an die Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Sie alle haben etwas gemeinsam, denn sie sind von einem Gefühl erfüllt, das sich lange im Hintergrund aufzuhalten schien: Hoffnung. Hoffnung auf den Moment in einer Menschenmenge die Musik in den Ohren dröhnen zu spüren. Hoffnung beflügelt die Fantasie. Die Fantasie ermöglicht uns nicht nur die Vorstellung wieder tanzen zu können. Sie erweckt auch die Hoffnung auf ein besseres und gerechteres Leben. 

Kann Fantasie konkret werden?

Konkreter fantasieren funktioniert nicht – zumindest bei mir scheint die Fantasie an der Realität zu scheitern. Je näher man der Gegenwart kommt, desto mehr ist Fantasie keine Fantasie mehr, sondern ein konkreter Gedanke. Aber diese Gedanken können helfen, sich zu überlegen, wie man ein Stück der Dinge, die die Fantasie entworfen hat, in der Realität umsetzen kann. Man kann zum Beispiel auf die Problemstellungen, die einem*r wichtig sind gesellschaftlich aufmerksam machen, indem man auf Demos geht oder sie in seinem Alltag thematisieren. Die Klarheit, die diese Erkenntnis mit sich bringt, wird jedoch vom Zweifel, wie groß der Einfluss des Einzelnen ist, in Frage gestellt. Doch die Hoffnung auf die Wirksamkeit der kleinen Dinge bleibt. 

Hoffnung und Fantasie 

Auch in Momenten in denen man sie nie erwartet hätte, lassen sich Hoffnung und Fantasie entdecken. Corona hat viele Erwartungen enttäuscht. Als der Studienbeginn Gegenwart war, war er farblos im Vergleich zu dem, wie es sich die Fantasie ausgemalt hatte. Rückblickend gesehen wurden viele vor neue Herausforderungen gestellt. Wenn man mit neuen Herausforderungen konfrontiert ist, lernt man Dinge, wozu man ohne diese Situationen nie die Chance hätte. Im Rückblick wird auch die graue Vergangenheit von Momenten durchbrochen, deren fantastisches Potenzial man auch in die Zukunft mitnehmen sollte. Vielleicht muss man sie suchen, doch die Suche lohnt sich. 

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