Abschluss mit zwölf Sternchen

Mit den Bologna-Reformen wurde seit 2009 zunächst nur der Leistungdruck europäisiert. Jetzt sollen Hochschulallianzen den Weg zu einer „Europäischen Hochschule“ ebnen. Auch die FU nimmt mit dem Projekt Una Europa teil, wie Lena Rückerl berichtet.

Die mythologische Europa überzeugt als hippe Studentin schon mal. Ob das die europäische Universität auch tut? Illustration: Hannah Held.

E3UDRES2, EC2U, T4E;

ENHANCE, ENLIGHT, INVEST oder

ATHENA, ULYSSEUS, EPICUR 

Motivationssprüche auf Instagram, alte Bekannte aus der Antike oder Elon Musks Namensauswahl für sein neues Kind? Weit gefehlt: Das sind die Namen europäischer Hochschulallianzen. Una Europa, der Name der Hochschulallianz, in welcher die Freie Universität Mitglied ist, klingt dagegen fast langweilig. All diese Hochschulallianzen verbindet der Anspruch, „eine Europäische Hochschule“ zu bilden.

„Je suis venu vous parler d’Europe.“ – „Ich bin gekommen, um mit Ihnen über Europa zu sprechen.“ Mit diesen Worten beginnt der französische Staatspräsident Emmanuel Macron 2017 eine Rede an der Pariser Sorbonne. Voller Pathos entwirft er seine Vision Europas – und kommt dabei auch auf die Hochschulen zu sprechen. Er fordert „europäische Universitäten mit europäischen Semestern und europäischen Abschlüssen“. Jede*r Studierende solle mindestens zwei europäische Sprachen sprechen und im Optimalfall auch noch für mindestens ein halbes Jahr ins europäische Ausland gehen. „Netzwerke von Universitäten aus mehreren Ländern Europas“ sollen diese europäischen Hochschulen sein. 

Macrons Idee wirkt wie eine logische Weiterführung dessen, was 1999 mit dem Bologna-Prozess begann. Das Ziel der Bologna-Reformen war vor allem eine Vereinheitlichung des europäischen Hochschulsystems. Nun soll es zu einer engeren Kooperation zwischen den Universitäten des Kontinents kommen und der Wissens- und Hochschulstandort Europa gestärkt werden. Wie diese Kooperation genau aussehen wird, das versuchen die Beteiligten zurzeit herauszufinden.  

Die Idee, die Macron in seiner Rede skizziert, ist nicht neu. Europaweite Zusammenarbeit von Hochschulen war bereits zuvor Alltag. Das bekannteste Projekt kennt fast jede*r: Erasmus+. Bekannt ist es vor allem für seine Credit-Mobility, die Möglichkeit, einen Teil der Leistungspunkte an einer Universität im europäischen Ausland zu erwerben. Auslandspraktika, den Austausch von Dozierenden oder die Weiterbildung anderer Mitarbeitender an Universitäten fördert Erasmus+ mit seinen zahlreichen Unterprojekten ebenfalls.

Die Mobilität von Studierenden und Mitarbeitenden ist für Gesa Heym, Leiterin des Referats Studierendenmobilität und Erasmus-Hochschulkoordinatorin an der FU, eine niedrigschwellige Möglichkeit für internationale Hochschulzusammenarbeit. „Die nächste integrierte Stufe ist es, einen Doppelstudiengang aufzubauen“, erläutert sie. Man studiert an zwei Universitäten und erhält einen gemeinsamen Abschluss oder einen von jeder Universität. Niklas Mariotte studiert im Deutsch-Französischen Bachelor in Politik- und Sozialwissenschaften an der FU und an der Sciences Po im französischen Nancy. Er ist froh, sich für dieses Programm entschieden zu haben. Besonders das Zusammentreffen mit Studierenden aus ganz Europa schätzt er. Problematisch sei, „dass das so reduziert wird auf Frankreich und Deutschland.“

Auch von Erasmus+ gibt es solche Programme. Bei den von der EU geförderten Erasmus Mundus Joint Master-Programmen können Studierende an mindestens drei Universitäten studieren und einen gemeinsamen oder Mehrfach-Master-Abschluss machen. Mariotte sieht solche Programme, die mehr als zwei Länderaufenthalte verbinden wollen, kritisch: „Es gibt das Risiko, dass man diese Länder oder die Städte, in denen man ist, nur sehr oberflächlich kennenlernt.“

„Es ist auf jeden Fall so, dass Auslandserfahrung heutzutage mit in den Lebenslauf gehört, und das ist nicht nur professionell, sondern auch persönlich unheimlich bereichernd“, betont Gesa Heym. Sie erklärt aber, dass bei Erasmus+  die universitäre Kooperation oft nur auf den Studierendenaustausch beschränkt bleibe: „Da gibt es dann eine gute und oft langjährige Kooperation zwischen den Fachkoordinator*innen, aber das ändert strukturell zunächst einmal nichts an der Uni.“

Die Vision des französischen Präsidenten von Europäischen Universitäten soll genau da ansetzen. Bereits wenige Monate nach seiner Rede gründet die EU die European Universities Initiative als Teil der European Education Area. Dort konnten sich in zwei Runden Universitäten als Zusammenschluss in Form von transnationalen Universitätsallianzen bewerben. 41 dieser Universitätsallianzen fördert die EU nun bis 2022. Sie sollen die Hochschulen der Zukunft werden und die Hochschulbildung revolutionieren. Inwieweit diese Allianzen später einmal eine Einheit bilden und ob es eine übergeordnete Instanz für alle Allianzen geben soll, ist unklar.  

Die FU ist mit der Hochschulallianz Una Europa seit 2019 dabei. Acht Universitäten arbeiten hier nicht nur beim Studierendenaustausch zusammen, sondern auch in den Bereichen Lehre, Administration, Forschung und Community Building, erklärt Sonja Yeh. Sie ist Projektleiterin des Verbundes an der FU. „Una Europa hat zum Beispiel im Lehr- und Forschungsbereich fünf sogenannte Focus Areas definiert: Sustainability, European Studies, Cultural Heritage, Data Science and Artificial Intelligence und One Health.“ Innerhalb dieser Gebiete entwickele die Allianz Formate wie gemeinsame Studiengänge. „Es gibt aber sehr viele Aktivitäten, die über Forschung und Lehre hinausgehen.“ So sei die FU im Bereich Community Building führend, man veranstalte zur Vernetzung zum Beispiel eine Staff Week oder einen Student Congress, erzählt Yeh.

Die Liste an Projekten ist lang und vieles noch vage. „Ein großes Ziel ist es, einen sogenannten European Degree zu erschaffen. Das ist aber noch in den Kinderschuhen“, räumt Yeh ein. Sie spricht von einem gemeinsamen Abschluss, bei dem Studierende europaweit genau das Gleiche studieren können und der überall als absolut gleichwertig anerkannt wird. Bisher scheinen sich die Unis vor allem weiter vernetzt und ausgetauscht zu haben. Gesa Heym erklärt zum Thema Studierendenmobilität beispielsweise: „Wir haben in der Una Europa außer eines Pilotprojektes für virtuelle Mobilität noch gar keine eigenen Mobilitätsstrukturen aufgebaut. Insofern gibt es weiterhin erstmal Erasmus und die ganzen verschiedenen Una-Projekte.“ Wirklich verknüpft seien die verschiedenen Strukturen noch nicht miteinander. Wie erfolgreich die Allianz also wirklich sein wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen. Geplant ist in jedem Fall ein Bestehen über den EU-Förderzeitraum bis 2022 hinaus. Finanziert wird sie neben der EU-Förderung durch Mitgliedsbeiträge der beteiligten Universitäten, verschiedene Drittmittelprojekte und nationale Förderungen, etwa durch den DAAD in Deutschland.   

Wie sich die Universitäten gefunden haben? „Es gab bereits Kooperationen“, auf die man jetzt aufbaue, erklärt Yeh. Auffällig ist, dass diese Kooperationen auf West- und Mitteleuropa konzentriert sind. Die Jagiellonen-Universität in Krakau liegt geographisch am östlichsten von den Una Europa-Universitäten und auch als einzige in Osteuropa. Manch andere Hochschulallianzen, die sich bei der EU beworben hatten, wurden sogar abgelehnt, weil sie zu wenig geographische Vielfalt aufwiesen.

Da die EU meist Impuls- und Geldgeber ist, bleibt das Projekt ‚Europäische Universität‘ auf den Raum der EU beschränkt und das Bild Europas stark von einer einzelnen Institution geprägt. Die Finanzierung ist meist auf wenige Jahre begrenzt, was die Planbarkeit der Projekte einschränkt. Niklas Mariotte empfindet seinen Doppelstudiengang als elitär und die Studierendenschaft als relativ homogen. Er befürchtet, dass dies auch bei anderen Programmen der Fall sein könnte. „Die Leute, die an solchen Programmen teilnehmen, kommen häufig aus internationalen Familien oder haben schon in diesen Ländern gewohnt. Man müsste diese europäische Hochschule so gestalten, dass alle Zugang haben.“

Ob das passieren wird, ist noch unklar. Die meisten FU-Studierenden haben von Una Europa schließlich noch nie gehört. FU-Koordinatorin Sonja Yeh blickt positiv in die Zukunft des Projektes: „Die ganzen Projekte, Aktionen und Initiativen sind sehr ambitioniert, aber auch sehr spannend.“ Wie sich das konkret ausgestalte, werde sich dann zeigen.

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