Aber bitte bitter!

Der Botanische Garten bietet nach anderthalbjähriger Corona-Pause wieder Führungen an. Ob das Naturerlebnis auch was für Studis ist, wollte Philipp Gröschel wissen und wurde eingehend über einen spannenden Aspekt von Pflanzen aufgeklärt – Bitterstoffe.

Der Spitzwegerich sieht zwar gewöhnlich aus, kann aber vielseitig eingesetzt werden. Foto: Philipp Gröschel.

„Ich habe mal von einem Ehepaar gehört, die Zucchinis im eigenen Garten gezüchtet haben. Dummerweise waren sie zu geizig, um neue Samen dazuzukaufen. Dadurch wurden die Zucchinis immer bitterer. Der Mann hat sie trotzdem gegessen, die Frau nicht. Er ist gestorben, sie nicht.“ 

Eine Gruppe älterer Frauen sieht schockiert die Biologin an, die gerade diese morbide Anekdote in die Runde geworfen hat. „Interessant“, murmelt eine von ihnen. Seit diesem Sommer finden im Botanischen Garten wieder in regelmäßigen Abständen Führungen statt, eine davon im Juli. Das Thema: Bitterstoffe in Pflanzen – eine unterschätzte Geschmacksrichtung mit bisweilen tödlichen Folgen.

Los geht es am Haupteingang mit einigen historischen Fakten zu Bitterstoffen, die von der Biologin mit Hocheifer vorgetragen werden. Man erfährt, dass Gurken früher bitter waren und unbedingt zum Stiel hin geschält werden mussten, andernfalls verteilt man die Bitterstoffe und der Salat wird dementsprechend süß – nein, bitter natürlich. Im Allgemeinen haben Bitterstoffe für den Körper eine entschlackende und entblähende Wirkung. Nach einem opulenten Mahl sorgen sie für eine bessere Verdauung. Biolog*innen wussten das schon, bevor „Darm mit Charme“ ein Bestseller wurde. 

Ein Ausflug für die Sinne

Zwischen den kleinen Hügeln, auf denen Pflanzen aus allen Himmelsrichtungen wachsen, wird nun gerupft, was das Zeug hält. Jede*r darf sich mal die Hände schmutzig machen. Ein kleines Enzyanblatt hier, ein Stück Wermut da. Hier darf noch angefasst, gerochen, geschmeckt werden. Das Publikum ist voll dabei. Auch, weil in der Führerin eine echte Alleinunterhalterin verloren gegangen ist: „Chicoree, kennen se? Is ja heute auch nicht das, was es mal war.“ Viele Pflanzen, sagt sie, wurden durch Massenproduktion so gezüchtet, dass nur noch ein Bruchteil des bitteren Geschmacks übrigblieb. Grapefruit, Bitterorangen – der Handel habe alles, was mal bitter war, süß gemacht. Kapitalismuskritik mal anders.

Weiter geht es in den Kräutergarten – das Paradies für Bitterstoffliebhaber*innen. Die Vielseitigkeit dieser Pflanzen ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass manche sowohl gegen Insektenstiche helfen als auch gut auf dem Butterbrot schmecken. Der gewiefte Spitzwegerich, eine kleine Pflanze mit herausstechendem Stängel, hat dieses Talent, wie die Biologin eindrucksvoll zeigt. Erst kaut sie auf dem Blatt herum und reibt es dann auf ihren Arm zu Demonstrationszwecken, anschließend bietet sie die Blüte zum Verzehr an. Einziger Knackpunkt des Spitzwegerichs: Er wächst häufig in Hundeauslaufgebieten. 

Doch auch bekanntere Gewächse überraschen mit ihren Fähigkeiten. So wurde Thymian einst benutzt, um Fleisch zu konservieren, wobei die in ihm enthaltenen Bitterstoffe halfen. Und Hopfen beispielsweise ist nicht nur wegen seines bitteren Geschmacks bestens zum Bierbrauen geeignet, sondern auch aufgrund seiner stimmungsaufhellenden Wirkung. Grund dafür ist ein enger Verwandter, denn Hopfen und Cannabis gehören beide zur Familie der Hanfgewächse.

Wer sich gerne Hintergrundwissen zu Pflanzen aneignen möchte, einen lustigen Ausflug mit geführtem Entertainment plant oder einfach die Zeit zwischen Seminaren sinnvoll nutzen möchte, sollte sich dem Charme des Botanischen Gartens hingeben. Jede Menge Fun Facts und Anekdoten zum Klugscheißen in der WG und eine Abwechslung zum von der Natur entkoppelten Alltag in der Stadt. Irgendwas bleibt hier immer hängen.

Die Führungen im Botanischen Garten finden in regelmäßigen Abständen, sowohl unter der Woche als auch am Wochenende, statt. Die Tickets kosten sechs Euro. Einen Zeitplan der Führungen findet ihr hier.

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