„Nie wieder Faschismus”

Über die deutsche Besatzungszeit in Griechenland während des Zweiten Weltkrieges ist immer noch zu wenig bekannt. Ändern soll dies der Dokumentarfilm Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland. Alexandra Enciu hat sich die Filmpremiere angeschaut und berichtet.

Efstathios Chaitidis mit seiner Interviewerin Anna Maria Droumpouki. Bild: Archiv „Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland”, © Freie Universität Berlin, www.occupation-memories.org.

WebEx lädt mit ein bisschen Verspätung, sodass ich den Anfang des ersten Grußwortes von Michael Roth, dem amtierenden Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, verpasse. Die Stimmung ist düster. Schwarze Kacheln und Stille. Alleine fühlt man sich bei einem solchen Thema besonders verwundbar. Ich scrolle durch die Teilnehmer*innenliste: überwiegend griechische Namen.

80 Jahre sind seit dem Beginn des Balkanfeldzuges vergangen. Was als erfolgreicher Sieg gegen die italienischen Truppen begann und heute noch jedes Jahr am 28. Oktober, dem „Ochi-Tag” (Jahrestag des „Nein”), in Griechenland gefeiert wird, entwickelte sich mit dem Einmarsch der deutschen Truppen am 6. April 1941 zu einem Massaker. Thessaloniki wurde nach drei Tagen erobert, die Hauptstadt Athen war eingenommen. Bulgarische, deutsche und italienische Soldaten besetzten rasch das Land.

Der Dokumentarfilm Erinnerungen an die Okkupation in Griechenland besteht aus einem Mosaik von Sprüngen zwischen Expertisen von Historiker*innen und Bekenntnissen von Zeitzeugen*innen. Der Regisseur Chrysanthos Konstantinidis enthüllt mithilfe seines Films starke Erinnerungen, die laut einer der Befragten nicht vergessen werden können, an die sich jedoch auch nicht gerne erinnert wird. 

Angst vor Schokolade und Hunger

Als Griechenland endgültig kapitulierte, und damit auch die Besetzung des Festlandes am 30. April 1941 beendet war, herrschte Angst im Land. An diese ersten, angespannten Stunden der Unsicherheit erinnert sich einer der befragten Zeitzeugen und beschreibt eine unvergessliche Szene: Eine Gruppe von griechischen Jugendlichen betrachtete eine Gruppe von deutschen Soldaten. Einer der Deutschen bot ihnen Schokolade an, die Jugendlichen trauten sich jedoch nicht, sie anzunehmen.

Eine zentrale Rolle spielen die von den befragten Zeitzeug*innen dargestellten Bedingungen, unter denen die Menschen Griechenlands litten. Die Überlebenden erzählen emotionale Geschichten, die unwissenden Zuschauer*innen häufig surreal erscheinen: So beispielsweise die Umwandlung einer Schule, in einen Ort der letzten Hoffnung, den Schüler*innen aufsuchten, um dort Essen zu bekommen und ansonsten verhungert wären.

Auffallend sind in dem Film wiederkehrende Ausrufe wie: „Ich habe Hunger, gute Frauen“. Diese Wörter und die Bilder der Kinder mit den von Hunger aufgeblasenen Bäuchen werden sie für immer verfolgen, sagen die Zeitzeug*innen. In Griechenland gab es allein im Herbst und Winter 1941/42 zwischen 100.000 und 450.000 Hungeropfer. Kinder und Jugendliche überfielen verzweifelt deutsche Lieferwagen, manche von ihnen wurden danach verfolgt und getötet.

Vergangen aber nicht vergessen

Held*innen, Widerstandskämpfer*innen und Opfer werden verehrt. Verräter*innen, wie die Mitglieder der Sicherheitsbataillione werden dagegen hart verurteilt – Grund dafür war ihre Kooperation mit der Besatzungsmacht und damit der Verrat an ihren Mitbürger*innen.

Die gewaltsame Geschichte Griechenlands während der deutschen Besatzungszeit wird durch die Veröffentlichung des Oral-History-Projekts, das unter anderem durch das Auswärtige Amt und die Freie Universität gefördert wird, aufgedeckt und der ganzen Welt bekannter gemacht. „Ihr haltet das Gedächtnis eines Landes fest”, so eine Zeitzeugin.

Am Ende des Films bleiben beeindruckende Momente hängen: Der Jude Isaak Mizan zeigt seine noch sichtbare eintätowierte Nummer aus dem Konzentrationslager und man sieht die jüdische Griechin Esther Bega, die ihre KZ-Nummer auf Deutsch ausspricht, so, wie es ihr die Besatzer*innen damals befahlen. 

Der Dokumentarfilm kann hier angeschaut werden. Außerdem beinhaltet das Archiv der Website 93 Interviews mit Zeitzeug*innen.

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