Seit mehr als 20 Jahren markiert der 25. November den internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Auch die FU macht mit verschiedenen Veranstaltungen auf das Thema aufmerksam. Mira Schwedes über Selbstverteidigungskurse und die Verleihung des Margherita-von-Brentano-Preises.
Im Rahmen des Anti-Gewalt-Monats November lädt die Zentrale Frauenbeauftragte der FU dieses Jahr auf ihrem Blog dazu ein, „ein Zeichen für eine Welt frei von Gewalt gegen Frauen zu setzen”. Einer der Höhepunkte des Programms ist die Verleihung des mit 15.000 Euro dotierten Margherita-von-Brentano-Preises, welcher dieses Jahr an das Datenbankprojekt Femi(ni)zidmap geht. Die ehrenamtliche Initiative dokumentiert seit mittlerweile drei Jahren alle Femi(ni)zide¹ und Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen in Deutschland mit dem Ziel, eine größere gesellschaftliche Wahrnehmung dieser Verbrechen zu erreichen.
Auszeichnung von Femi(ni)zidmap – drei Jahre ehrenamtliche Arbeit
Dass das Thema Gewalt gegen Frauen in Deutschland noch lange nicht genug Aufmerksamkeit bekommt, zeigen die unzureichenden Bedingungen, unter denen eine Initiative wie Femi(ni)zidmap arbeitet. „Es sind jetzt drei Jahre ehrenamtliche, aktivistische und deswegen auch sehr stark prekäre Arbeit. Deswegen ist diesen Preis zu gewinnen einfach zu schön, um wahr zu sein”, sagt Hannah Beeck, Aktivistin bei Femi(ni)zidmap, in ihrer Dankesrede am Abend der Preisverleihung.
Fast zu schön für eine digitale Preisverleihung ist auch der musikalische Abschluss der Veranstaltung durch Vivir Quintana. Live zugeschaltet aus Mexiko singt sie ihren Protest-Song „Canción sin miedo”. Hängen bleiben vor allem die Worte: „Nos queremos vivas.” – „Wir wollen einander lebendig.”
Der Margherita-von-Brentano-Preis ermöglicht einem Projekt wie Femi(ni)zidmap, unter besseren Umständen weiterzuarbeiten und das Projekt selbst bietet Hoffnung für Frauen und Mädchen in Deutschland. Hoffnung auf eine breitere Anerkennung der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen und einen damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel.
Selbstverteidigungskurse: „Sich im Alltag sicherer fühlen”
Doch dieser erhoffte Wandel geht nur schleppend voran und für viele Frauen nicht schnell genug. Aus diesem Grund suchen Betroffene zunehmend nach Wegen, wie sie sich selbstständig vor Gewalt schützen und dagegen wehren können. Melissa Wahler und Inés Seiler leiten regelmäßig Selbstverteidigungskurse und Workshops für FLINTA²-Personen und haben im Rahmen des Anti-Gewalt-Monats einen Schnupperkurs für Studierende und Mitarbeitende der FU angeboten.
Die Gründe, weshalb Studierende an diesen Kursen teilnehmen, sind laut den beiden Trainerinnen unterschiedlich: „In jedem Fall erhoffen sie sich, Techniken zu erlernen, mit denen sie sich im Alltag sicherer fühlen und im Ernstfall verteidigen können.”
In ihren Kursen versuchen sie, den Teilnehmenden Grundprinzipien der Selbstverteidigung beizubringen und besprechen verschiedene Alltags-Szenarien. Melissa und Inés haben dabei die Erfahrung gemacht, dass die richtige Einstellung in Gefahrensituationen oft von größerer Bedeutsamkeit ist, als körperliche Kraft oder komplizierte Techniken: „Der Glaube an sich selbst und die eigenen Fähigkeiten ist der beste Weg, in einer bedrohlichen Situation nicht in eine Schockstarre zu verfallen, sondern stattdessen handlungsfähig zu bleiben.”
Auch das Üben einiger konkreter Techniken ist ein elementarer Bestandteil der Kurse. Für Inés und Melissa ist es wichtig, dass die Teilnehmenden darin Erfahrungen sammeln, „denn die Überzeugung, sich wehren zu können, kommt nicht zuletzt aus der Erfahrung, genau dies bereits einmal erfolgreich getan zu haben.”
„Die besten Waffen tragen wir jederzeit mit uns herum”
Neben Kursen wie jenen von Melissa und Inés greifen viele FLINTA-Personen zu Selbstverteidigungstools wie Pfefferspray oder Taser, um sich zu schützen. Ganze „Sicherheitssets” für den Schlüsselbund kann man in Lederoptik oder mit grünem Kaktusmuster auf Amazon kaufen. Und für zwölf Euro gibt es noch fünf farbenfrohe Survival-Schlüsselanhänger dazu, die man direkt an Freundinnen und Familie verteilen kann.
Doch diese Werkzeuge erfordern Wissen und einen sicheren Umgang. Deshalb raten Melissa und Inés von zu viel Vertrauen in derartige Tools ab: „Sie bieten oft ein falsches Gefühl von Sicherheit statt echten Schutz. Die besten Waffen tragen wir jederzeit mit uns herum: Hände, Ellbogen, Knie und Füße, um nur ein paar zu benennen.”
Letztendlich sind aber sowohl der Griff zum Pfefferspray als auch der Besuch eines Selbstverteidigungskurses nur Reaktionen auf die existierenden gesellschaftlichen Strukturen. Um präventiv gegen Gewalt gegen Frauen vorzugehen, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung und Aufklärung über alle Dimensionen des Themas. Aktivistische Arbeit, wie sie etwa das Femi(ni)zidmap-Team leistet, kann eine essentielle Rolle in diesem Prozess spielen. Allerdings wird es dafür nötig sein, dass entsprechende Initiativen auch die finanzielle Unterstützung bekommen, die sie benötigen und nicht ausschließlich auf unkalkulierbare Ressourcen wie Preisgelder hoffen müssen.
Ob irgendwann wirklich von der „Beseitigung” der Gewalt gegen Frauen gesprochen werden kann, ist fraglich. Doch die Gemeinschaften, die aus dem Widerstand gegen ebendiese Gewalt entstanden sind, machen Mut. Um mit den Worten von Vivir Quintana zu enden: „Si tocan a una, respondemos todas.” – „Wenn ihr eine berührt, werden wir alle antworten.”
Die Workshops von Inés und Melissa finden mindestens einmal pro Semester, organisiert über den Hochschulsport, statt. Als weitere Anlaufstellen empfehlen sie z.B. das Kreuzberger Tendo Dojo, Lowkick e.V. und PrettyDeadlySelfDefense.com.
¹Es gibt verschiedene Definitionen für die Begriffe Femizid bzw. Feminizid. Zumeist umfassen sie das Töten von Frauen durch Männer aufgrund ihres Geschlechts, als die extremste Form von geschlechtsspezifischer Gewalt.
²FLINT bzw. FLINTA ist ein Akronym und steht für Frauen, Lesben, inter, nonbinär, transgender und agender.