Hochschulpolitik in Rot-Grün-Gelb

„Die Ampel steht.“ Mit diesen Worten leitete Bundeskanzler Olaf Scholz, die Vorstellung des langersehnten Koalitionsvertrags am 25. November 2021 ein. Was SPD, Grüne und FDP in den nächsten vier Jahren für die Hochschulen Deutschlands planen, und was sich beim BAföG ändern soll, hat Elisa Starck analysiert.

Forschen, Fördern, BAföG: Die Ampel-Koalition setzt sich ehrgeizige Ziele für die Hochschulpolitik. Bild: Mikael Kristenson Unsplash (links), Sandro Halank Wikimedia Commons (rechts); Montage Elisa Starck.

Zunächst die harten Zahlen: Von insgesamt 177 Seiten Koalitionsvertrag wird ein Kapitel dem Themenkomplex „Innovation, Wissenschaft, Hochschule und Forschung“ gewidmet, davon knapp zwei der Hochschulpolitik an sich. Weitere Absichtserklärungen mit Bezug zur Hochschulwelt finden sich im Koalitionsvertrag versprengt: eine geplante BAföG-Reform bei„Bildung und Chancen für alle“ und im Kapitel „Pflege und Gesundheit“ bessere Ausbildungsbedingungen sowie genderinklusive Ausbildungsinhalte in den Gesundheitsberufen.

Stärkere wirtschaftliche Ausrichtung der Hochschulen 

Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) sollen als „Herzstück des Wissenschaftssystems“ (siehe Koalitionsvertrag) in ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rolle gestärkt werden. Die Beschleunigung von Forschung und Innovation wird zum wichtigsten Auftrag der Hochschulen erklärt. Um den Innovationstransfer anzutreiben, werden den Hochschulen u.a. Mittel des Bundes zum Aufbau einer eigenen Gründungsinfrastruktur bereitgestellt. Studieren, forschen, gründen lautet die Erfolgsformel in der Ampel-Hochschulpolitik. Anwendungsbezogener Forschung und deren wirtschaftliche Verwertbarkeit wird ab sofort ein hoher Stellenwert eingeräumt.

Mehr Geld für die Hochschulen

Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben werden die Hochschulen mit größeren Finanzmitteln ausgestattet. Dazu sollen bereits bestehende Förderprogramme ab 2022 „dynamisiert“ – Koalitions-Jargon für „schrittweise erhöht“ – werden. Mit dem Bundesprogramm „Digitale Hochschule“, sollen Kompetenzen in der digitalen Lehre und Infrastruktur ausgebaut werden, um die Universitäten reif für das 21. Jahrhundert zu machen. Die Spitzenforschung an den Universitäten wird mit der Exzellenzstrategie des Bundes weiterlaufen und mit zusätzlichen Mitteln für neue Cluster ausgestattet werden. Zudem soll die interdisziplinäre Forschung zwischen mehreren Exzellenzclustern gestärkt werden.

Bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft

Die neue Koalition will verlässliche Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler*Innen an Hochschulen schaffen (FURIOS berichtete) und zielt auf eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetz ab. Details dazu bleiben schwammig: „Wir [wollen] die Planbarkeit und Verbindlichkeit in der Post-Doc-Phase deutlich erhöhen und frühzeitiger Perspektiven für alternative Karrieren schaffen.“ Wie genau diese aussehen sollen bleibt jedoch offen. Bisher gilt in diesen Kreisen das Motto: „Prof oder prekär“. Etwas konkreter wird es für Promotionsstellen, deren Vertragslaufzeit an die insgesamt erwartete Projektlaufzeit geknüpft werden soll. Zudem soll die Diversität in wissenschaftlichen Institutionen gefördert werden, worunter auch die verstärkte Förderung von Frauen in der Lehre fällt.

BAföG 2.0 kommt

Das umstrittene BAföG (mehr Informationen hier) soll durch eine umfangreiche Reform moderner, zugänglicher und elternunabhängiger gemacht werden. Die Ampel-Koalition geht dabei auf seit langem bestehende Kritikpunkte von studentischer Seite ein. Das neue BAföG will sich durch stark angehobene Freibeträge und höhere Altersgrenzen profilieren, Studienfachwechsel erleichtern, die Förderhöchstdauer verlängern, Bedarfssätze u.a. wegen steigender Mieten anheben (aktuell sind bei 831€ Höchstsatz 325€ für Miete vorgesehen). Eine weitere Ergänzung ist ein Notfallmechanismus in Krisenzeiten, welcher den Corona-Überbrückungshilfen ähnelt. Zudem soll der Weg zum Bafög “schlanker, schneller und digitaler” gestaltet werden. Bürokratie-Endgegner BAföG-Amt adé? Angestrebt ist auch eine Absenkung des zurückzuzahlenden Darlehensanteils der Förderung, dessen Höhe (Deckelung auf 10.000 €) bisher auf viele Studierende abschreckend wirkt. Als Ergänzung zum BAföG soll künftig die neue  Kindergrundsicherung – die sich aus einem elternunabhängigen Grundbetrag plus einkommensabhängigen Zusatzbetrag zusammensetzt – an Volljährige direkt ausgezahlt werden. Wann mit der BAföG-Novelle zu rechnen ist (einer Schätzung nach nicht vor Anfang 2023) und wie viele der Reformvorhaben tatsächlich finanziell realisiert werden können, bleibt abzuwarten.

Das Bildungsministerium in FDP-Hand

Bettina Stark-Watzinger (FDP) wird die neue Bildungsministerin. Die Hessin bringt damit frischen Wind in das seit 2005 CDU-geführte Bundesministerium für Bildung und Forschung, das sie zuletzt stark kritisierte. Zu ihren politischen Themen gehörten bisher Haushalts- und Finanzpolitik; hier war die Diplom-Ökonomin in vergangenen Legislaturperioden Mitglied im Haushaltsausschuss und von 2018-2020 Vorsitzende des Finanzausschusses. Stark-Watzinger gilt als Newcomerin in der Bildungspolitik, die sich erst im Zuge des Bundestagswahlkampfes 2021 für Chancengleichheit in der Bildung und eine „grundlegenden Systemwechsel“ einsetzte. Ihre Forderungen nach mehr Investitionen des Bundes in die Bildung könnten durch ihre guten Kontakte zu Finanzminister und Parteikollegen Christian Lindner sogar erfolgreich sein.

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