Das Studierendenwerk geht mit dem Projekt Berlin Stories in die fünfte Runde. Dieses Jahr gibt es nicht nur eine, sondern gleich zwei Gewinnerinnen: Paula van Well und Elisabeth Pape sind die neuen Stadtschreiberinnen. Laura Kübler hat mit ihnen gesprochen.
Die Jury des Berlin-Stories-Wettbewerbs kürt jedes Jahr eine neue in Berlin studierende Person zur*m Stadtschreiber*in. Diese Person hat die Chance, aus einem neuen Blickwinkel über Berlin zu schreiben und zusätzlich ein Autor*innen-Stipendium zu erhalten. Die Texte werden in regelmäßigen Abständen auf dem Berlin-Stories-Blog veröffentlicht. Der Schreibwettbewerb richtet sich vor allem an junge kreative Studierende, die Spaß am Schreiben haben. In diesem Jahr teilen sich nun Paula van Well und Elisabeth Pape die Rolle der Stadtschreiberin. Dabei schreibt Paula im ersten Halbjahr und Elisabeth übernimmt im zweiten.
FURIOS: Wie seid ihr zum Schreiben gekommen?
Paula: Ich kann mich nicht daran erinnern, mit dem Schreiben angefangen zu haben. Vermutlich früh: Im Keller stapeln sich Notizbücher aus dem letzten Jahrzehnt. Ich kann mich aber daran erinnern, vor einigen Jahren damit aufgehört zu haben.
Elisabeth: Ich hatte mich 2016 für den Performance-Wettbewerb Unart des Deutschen Theaters beworben und dort dann auch mitgewirkt. Als ich da einen Text für die Bühne geschrieben habe, habe ich gemerkt, dass das hervorragend für mich funktioniert und wie gern ich Themen, die mich herumtreiben, im Schreiben verarbeite.
Paula, du schreibst erst seit einiger Zeit wieder regelmäßig. Wie kam es zu der Schreibpause und was hat dich inspiriert, wieder anzufangen?
Paula: Mit dem Beginn des Studiums ist mir das Schreiben und Lesen, abgesehen von wissenschaftlichen Texten, abhandengekommen. Daher die Schreibpause. Ich glaube, es gab da eine Phase, in der wurde das Gehirn von Sekundärtexten überrannt. Vor einigen Monaten saß ich dann zehn Stunden am Flughafen und griff nach Benedict Wells und Juli Zeh, eben weil die dortige Buchhandlung sie anbot. Ich habe die Bücher noch in derselben Nacht inhaliert und dann ging das mit dem Schreiben auch wieder los.
Mit welchen Themen setzt ihr euch in euren Texten auseinander?
Paula: Mich interessiert vorrangig die Sprache. Die latente Gewalt. Das Schöne, das Abgründige, das Absurde, Obszöne, Tabuisierte, das Alltägliche und Banale.
Elisabeth: Klassismus ist ein großes Thema bei mir, da ich mich in elitären Kontexten bewege und manchmal nicht genau weiß, wo ich mich positionieren soll oder wohin ich gehöre. Ein zweites wichtiges Thema ist für mich psychische Gesundheit.
Wie viele persönliche Erfahrungen fließen in eure Texte ein?
Paula: Ich habe bisher selten autobiografisch geschrieben. Natürlich kann ich dem Einfluss persönlicher Erfahrungen gar nicht gänzlich entkommen – wer kann das schon –, aber nichtsdestotrotz lässt sich das meiste wohl als Fiktion oder Autofiktion lesen.
Elisabeth: Bei mir ist es anders. Ich schreibe eigentlich größtenteils autofiktional, außer bei Recherchearbeiten.
Elisabeth, der Text, den du bei der Auftaktlesung vorgelesen hast, handelte von einem Schulmädchen, das sich unglücklich in einen Jungen namens Tim Jeske verliebt. Gibt es ihn wirklich?
Elisabeth: Tim Jeske gibt es wirklich, ja! Der Text ist auf jeden Fall autofiktional. In der Schule war ich unglaublich in ihn verliebt, aber das beruhte leider nicht auf Gegenseitigkeit. Lacht.
Elisabeth, du hast erzählt, dass du viel Tagebuch geschrieben hast. Was für eine Rolle spielt das Tagebuchschreiben für dich?
Elisabeth: Eine wichtige! Ich habe gerade ein Projekt angefangen, wo ich unbedingt alte Tagebucheinträge mit einfließen lassen möchte. Es gibt Einträge, da muss ich circa neun Jahre alt gewesen sein, in denen ich akribisch irgendwelche Zahlen reingeschrieben habe, Preise von Büchern oder anderen Dingen, die ich gern gekauft hätte. Geld hat also schon sehr früh eine Rolle gespielt. Die Tagebücher sind tolles Recherchematerial und im Schreiben habe ich viel Erlösung gefunden. Heute schreibe ich kein Tagebuch mehr.
Was ist für euch der schwierigste Part am Schreiben?
Paula: Es fiel mir lange schwer, mir als FLINTA* den Platz und die Befugnis für das Schreiben – vor allem beruflich – einzuräumen. Heute geht es mehr darum, den absonderlichen Schützling, den Text, auf die externe Welt loszulassen, zu sagen: „So, bist jetzt fertig, raus mit dir.“
Elisabeth: Bei mir ist es das Überarbeiten von Texten. Das Loslegen fällt mir leicht, aber das Überarbeiten, das kostet immer sehr viel Kraft.
Welchen Herausforderungen werdet ihr als Stadtschreiberinnen begegnen?
Paula: Es gibt ein bestimmtes Maß an Öffentlichkeit und Internetpräsenz, das mich herausfordert, das aber gleichzeitig eine Möglichkeit ist, in den Dialog zu treten und Verbindungen zu schaffen.
Elisabeth: Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu privat werde. Lacht.
Gibt es bestimmte Orte oder Dinge in Berlin, über die ihr gern schreiben würdet?
Paula: Ich werde über Orte schreiben, die ich gut kenne, und solche, an denen ich noch nie war. Ich werde Objekte eine gewisse Zeit lang beobachten und über deren Zersetzungsprozesse und Ausstaffierungsmaßnahmen schreiben. Meistens wird sich die Stadt omnipräsent, aber eher indirekt in die Texte einschreiben.
Elisabeth: Ich möchte mir Orte heraussuchen, an denen ich noch nie war. Gern würde ich auch über Wege schreiben. Wer weiß, vielleicht schreibe ich auch nur über Wege. Ich habe Lust, konkrete Prinzipien zu verfolgen.
Was für Texte können die Leser*innen von euch als Stadtschreiberinnen erwarten?
Paula: Ich weiß selbst nicht recht, was erwartbar ist. Was mich auszeichnet und ob es da etwas gibt, muss jede*r Leser*in individuell herausfinden – unter Umständen ergibt sich daraus irgendwann ein kollektiver Gedanke, den ich beschlagnahmen und für künftige Antworten nutzbar machen kann.
Elisabeth: Ich habe Lust auf knackige, kurze, witzige Prosa. Meine Vorgänger*innen waren alle tolle Stadtschreiber*innen, keine Frage, aber manchmal hat mir da so ein wenig der Humor gefehlt. Ich möchte da ein wenig Abwechslung hineinbringen.
Was für Zukunftspläne habt ihr?
Paula: Ich werde dieses Jahr für ein Folgestudium umziehen, aber wohin es genau geht, werden die nächsten Monate erst zeigen. Ich werde aber beim Schreiben oder in der Dramaturgie landen. Langfristig stehen ein Romanprojekt sowie die Realisierung von Theatertexten an.
Elisabeth: Mein Plan ist es, mich für ein Folgestudium im Fach Drehbuch zu bewerben, da ich mir sehr gut vorstellen kann, zukünftig mehr in Richtung Film zu gehen. Falls das nicht klappt, kann ich mir auch vorstellen, Skandinavistik zu studieren. Ansonsten werde ich weiterhin an Schreibwettbewerben teilnehmen und mich meinen Textprojekten widmen.