Diskussion um Dozenten an der FU

Ein Wissenschaftler sorgt mit rechten Inhalten, die er mit Studierenden teilt, für Aufruhr. Letztere protestieren, doch die Reaktion der Uni lässt viele Studierende unzufrieden. Ric Sander Bohmann hat mit einem Betroffenen gesprochen und berichtet.

Rosanes Banner Rechte Ideologien exmatrikulieren vor dem Haus des AStA
Plakate der AStA-Kampagne sind auf dem Campus verteilt. Hier vor dem Haus des AStA. Bild: Anton Spevak.

Ende letzten Jahres werden Studierende auf Inhalte aufmerksam, die Michael Grünstäudl, einer ihrer Dozierenden, über Uni-Portale teilt. Grünstäudl, ein Dozent für Biologie, verwies auf seine Website, die auch auf seiner offiziellen FU-Seite verlinkt war. Dort finden sich neben Lernhilfen auch Beiträge anderer Art. Folgt man den Links, erscheinen YouTube-Videos rechtspopulistischer Aktivist*innen und Kanäle, die Verschwörungstheorien verbreiten. Grünstäudl lehrt im Fachbereich der Bioinformatik und arbeitet zur Zeit an seiner Habilitation.

Der Fall Grünstäudl 

Grünstäudl unterzeichnete die Gemeinsame Erklärung 2018”, die sich gegen Einwanderung ausspricht und sich mit rechten Demonstrationsbewegungen solidarisiert. Auf der Liste der Unterzeichnenden lässt sich sein Name zwischen denen von Pegida-Fans und AfD-Sympathisant*innen finden. 

Zudem berichten Studierende gegenüber dem AStA in Seminaren von sexistischem Verhalten seitens Grünstäudl.

Die Vorwürfe gegen den Bioinformatiker greifen tief. Er soll seinen Lehrauftrag und die Universität als Plattform genutzt haben, um rechte politische Inhalte zu verbreiten. Inhalte, die mit bunten Überschriften und einfachen Parolen eine Ideologie preisen, die sich gegen Angehörige des Islams stellt, den Klimawandel anzweifelt und die Coronaimpfung verteufelt. Durch Grünstäudl lagen nur zwei Links zwischen der offiziellen Seite der FU und neofaschistischen Inhalten. 

Die Sicht eines betroffenen Studenten

Thomas (Anm. d. Red.: Name geändert) studiert Biologie, ist eine Person of Color und war im ersten Semester verpflichtet an Grünstäudls Kurs teilzunehmen. Studierende kennen das Verhältnis zu Dozierenden im Online-Semester: Man wird mit ihnen konfrontiert, im Fall Grünstäudls in Form von zwölf Stunden Videomaterial. 

Als Thomas auf die Inhalte, die sein Dozent verbreitet, aufmerksam wird, kontaktiert er den Fachbereich. Grünstäudl kooperiert und löscht alle YouTube-Links, die er zuvor unter dem Titel „FunScripts” listete. Eine Entschuldigung bleibt aus. Stattdessen kommt eine Rechtfertigung in Form einer Stellungnahme, die der taz vorliegt: Die größtenteils deutschsprachigen Inhalte kämen aus der Zeit, in der er noch in den Vereinigten Staaten gelehrt hat. Es seien Andere gewesen, die diese Inhalte auf seine Website stellten. Seine Argumentation hinterlässt jedoch Fragen. Grünstäudl lehrt seit 2015 an der FU. Einige der Youtube Kanäle, die auf der Seite verlinkt waren, wurden erst nach seiner Zeit in den USA erstellt.

Der AStA handelt

Der AStA reagiert mit Protestaktionen und ruft die Kampagne „Rechte Ideologien exmatrikulieren!“ ins Leben. Ein Banner schmückt das Biologie-Institut und die Rostlaube hängt voll pinker Plakate, die dazu aufrufen rechte Ideologien zu exmatrikulieren. Außerdem fand eine Kundgebung statt bei der etwa 100 Studierende, neben anderen Themen, auch den Umgang mit rechten Ideologien kritisierten. Die Forderungen, des AStA sind klar: Grünstäudl soll weder weiter unterrichten und forschen noch seine Habilitation fortführen dürfen. 

Auf Anfrage von FURIOS weist Grünstäudl die Vorwürfe zurück: Die Statements des AStA würden haltlose Vorwürfe beinhalten und den bewussten Versuch einer Rufschädigung darstellen. Zudem verweist er auf eine Stellungnahme des umstrittenen Netzwerks Wissenschaftsfreiheit, in dem das Statement des AStA als „eklatanter Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit“ bezeichnet wird. Gegenüber der taz kündigte Grünstäudl rechtliche Schritte gegen den AStA an.

Die Kampagne geht derweil weiter und richtet ihre Aufmerksamkeit auf die gesamte Universität und den grundsätzlichen Umgang mit rechten Ideologien sowie Diskriminierung. Dem AStA zufolge soll es eine kritische Orientierungswoche für MINT-Fächer geben, die von Betroffenen organisiert wird. Die Studierendenverwaltung unterstützt das Vorgehen des AStA. Auch sie bekommt der taz zufolge immer wieder Beschwerden über diskriminierendes Verhalten von Dozierenden. Die Verwaltung fordert eine unabhängige Beschwerdestelle, damit diese Aufgabe nicht in den Händen der Betroffenen liegt. 

Die Reaktion der Uni

Die Universität verpasst die Möglichkeit sich klar zu positionieren. Der für die Habilitation zuständige Fachbereich Biologie Chemie Pharmazie (BCP) hat zwar zugesagt den Arbeitsvertrag nicht zu verlängern, die Entscheidung über das laufende Habilitationsverfahren steht jedoch noch aus.

Diese Situation macht es für Betroffene wie Thomas schwer. Er beschreibt die Kommunikation mit der Universität als verletzend, denn es fehle an Klarheit und man werde außerdem nicht ernst genommen. Bei dem einzigen Gespräch, das die protestierenden Student*innen mit dem Fachbereich hatten, sei der Dekan kurz angebunden gewesen, weil er gerne zum Mittagessen wollte. 

Auch die Universitätsleitung meldet sich zu dem Thema. Der wiedergewählte Präsident Günter Ziegler meinte in der Vorstellungsrunde im Vorfeld der Präsidialwahlen, es solle keine „Gesinnungsprüfung“ der Dozierenden geben. Das begründet er mit der Wissenschaftsfreiheit.

Thomas und viele seiner Kommiliton*innen wünschen sich eine öffentliche Distanzierung von offizieller Seite. Eine klare Aussage gegen das, was am Fachbereich BCP passiert ist. Die Möglichkeit dazu ist da. Das Radio und die taz berichten über den Vorfall. Eine Positionierung der Uni gegen Grünstäudl bleibt aus. Eine Anfrage von FURIOS ließ der Fachbereich BCP unbeantwortet. 

Der Uni wird fehlende Transparenz vorgeworfen und viele Studierende sind frustriert. Einer von ihnen ist Thomas, der das Handeln der FU nicht versteht, insbesondere in Anbetracht der „Global-Citizen-Mentalität”, die ihn zu Beginn seiner Studienzeit so begeistert habe. Die Kritik reiht sich ein in eine Liste von Vorwürfen gegen die Uni-Leitung, bei denen es immer wieder auch um mangelnde Kommunikation nach außen geht. So wurde die Universität auch für ihr Handeln in der Debatte um eine Umbenennung des Henry-Ford-Baus und den Umgang mit den Knochenfunden auf dem Campus kritisiert.

Anm. d. Red.: Der Artikel wurde nach Veröffentlichung um eine Stellungnahme von Michael Grünstäudl ergänzt. Titel und Teaser des Textes wurden verändert.

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