Im Krawattenland

Über die Krawattenpolitik der SPD, die Gefahren kinderloser Politiker und eine Außenministerin, die nicht gern Brote schmiert. FURIOS schaut mit einem Blick auf Politiker, wie er sonst oft auf die weiblichen Vertreterinnen geworfen wird. Eine Glosse von Lena Baumann.

Die politische Landschaft wird noch immer von krawattentragenden Menschen (meist Männern) dominiert.
Das Gute daran: In die Farbwahl der Krawatten lässt sich einiges hineininterpretieren. Illustration: Lucy Paul.

Ja, ja, die Außenministerin trägt tolle Mäntel und ihr Mann arbeitet nicht mehr bei DHL. Schaut irgendwer noch auf die Kollegen? Deren Kleidung verrät nämlich einiges. Und warum fragt sich kaum jemand, wer auf das Kind aufpasst, jetzt wo Volker Wissing und Hubertus Heil Minister sind? 

Beginnen wir mit Olaf Scholz: Schlabberpulli in Anthrazit (das wohl bahnbrechendste Mode-Ereignis dieses Jahrzehnts), Laufhose zum Sondierungsgespräch, zerbeulte Tasche und ein schwarzes T-Shirt über einer nicht mehr ganz jugendlichen Brust in Washington – mehr Stilsünden als der Rest des Kabinetts, das kann sich nur der Kanzler erlauben. Wir wollen ihm zugestehen: Die Anzüge sitzen besser als damals, als er im sandfarbenen Duett mit seiner Frau Britta Ernst um die Wette lachte. Jetzt glänzt er im dunklen Zweiteiler und Krawatte. 

Symbolpolitik der Krawatte

Dieser Look regiert das Kabinett und die Farbwahl der Krawatte kann nur gewollt sein, wenigstens das muss die Farbsymbolik des Merkel-Blazers dieses Kabinett gelehrt haben. Scholz trägt bei TV-Ansprachen blau – ein klarer Geist, aber auch unverbindlich – oder petrol – Ruhe, die „sanft belebt“. Im Bundestag ein Weinrot. 

Hubertus Heil bleibt ähnlich unverbindlich, er greift besonders gern zur eisblauen Krawatte, die stets etwas zu lang ist. Allein zur Verabschiedung des Kurzarbeitergeldes wurde es rot-weiß gestreift, ein kleines SPD-Bonbon an die Bevölkerung. Auch Karl Lauterbach schien einmal an die SPD zu glauben, denn er trug gern einen roten Pullover über dem Hemd. Doch seit er im Amt ist, hat sich auch dieser blau gefärbt… Ob die SPD in Zukunft wieder mehr Farbe bekennt? 

Die Underdogs

Robert Habeck ist endlich erwachsen geworden und nur noch im Anzug zu sehen – Schluss mit Joschka-Fischer-Tradition. Dieser trug berüchtigterweise 1985, bei seiner Vereidigung als Umweltminister in Hessen, Nike-Sneaker. Noch vor einiger Zeit packte er die Gegenwart in ausgeblichenem Hemd und mit hochgekrempelten Ärmeln an. „Ich-bin-anders-Habeck“ ist eben doch nur genau dieser Mann im Anzug.

Style spielt natürlich für Christian Lindner eine große Rolle – auch in seinen Beziehungen. Für einen Werbefilm zeigte er sich in Unterhemd auf der Couch. Das kommentierte seine damalige Ehefrau Dagmar Rosenfeld im Style-Check der WELT: Er hätte sich doch Rat bei ihr, der Ehefrau, holen können. Dafür bekam sie eine Abmahnung vom Deutschen Presserat wegen “objektiver Befangenheit”. Neue Liebe, neues Glück und Christian dreht den Spieß um: 2018 in Bayreuth suchte er in letzter Minute das Kleid für seine Verlobte Franca Lehfeldt aus. Süß! 

Die Papas

Sollte es mal heißen ‚bring your kids to work‘ kämen 15 Kinder auf neun Männer. Insgesamt kann das Kabinett also eine gute Kinder-Bilanz vorweisen. Scholz dürfte der Umgang mit dem Nachwuchs aber schwer fallen; er hat nämlich keinen. Es bleiben Vorbehalte, wie ein kinderloser Kanzler klimaneutral und progressiv regieren soll, wenn ihm wichtige Einblicke fehlen. Denn, wie Cem Özdemir weiß, macht Vaterschaft in Dosen gute Politik: „weil das Leben mit Kindern viel bessere Einblicke in die Lebenswirklichkeit der Bürger eröffnet“. Bestimmt ist Annalena Baerbock deswegen Mutter geworden und DAS wird man ihr doch noch vorhalten dürfen. 

Andererseits stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Ausführung eines hohen politischen Amts mit moderner, ja, proaktiver Männlichkeit vereinbaren lässt. Denn letzteres beinhaltet das Ausführen eines Teils von Care-Arbeit, was besonders, wenn man(n) Kinder hat, viel Zeit und Energie verlangt. 

Glücklicherweise gibt es Vorbilder: Ursula von der Leyen (sieben Kinder) hat die Vereinbarkeit von Familie und Politik demonstriert, so lange, bis sie niemand mehr danach fragte. Wenn die Frage der Vereinbarkeit eigentlich obsolet geworden ist und Windelnwickeln und Schlaflosigkeit einen trotzdem zur EU-Kommissionspräsidentin werden lassen, dann sollte sich auch nicht mehr die Frage stellen, ob Baerbock gleichzeitig eine gute Außenministerin und Mutter sein kann. Natürlich wird sie nicht jeden Tag Brote schmieren, ebenso wenig wie ihre Kollegen. Aber ihre Kinder haben schließlich auch ein anderes Elternteil.

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