„Asche zu Asche. Staub zu Staub” –  Was mit dem Körper nach dem Tod passiert

Eine Leiche zu sehen, ist für viele ein abschreckender Gedanke. Was aber passiert mit dem Körper nach dem Tod? Valentin Petri hat mit einem Bestatter und einem Krematoriumsmitarbeiter gesprochen.

Für viele Menschen ist das Thema Tod und Bestattung ein abschreckendes Thema. Dabei gehört der Tod zu den wenigen Gewissheiten des Lebens. Bildquelle: Pixabay

Triggerwarnung: Dieser Artikel thematisiert die Einäscherung und Bestattung toter Körper sowie die Belastungen, die im Umgang damit einher gehen können.

Seit Jahrhunderten begleitet der Spruch „Asche zu Asche, Staub zu Staub“ zumindest in christlichen Kontexten die Beisetzung Verstorbener. Er soll die Vergänglichkeit des menschlichen Körpers zum Ausdruck bringen, der in die Elemente zerfällt, aus denen er nach christlicher Vorstellung entstanden ist. Einen toten Körper – eine Leiche – zu sehen, ist für viele ein abschreckender oder gar anekelnder Gedanke. Gleichzeitig gehört der Tod zu den wenigen Gewissheiten des Lebens. Den menschlichen Körper würdevoll auf seinem letzten Weg zu begleiten, ist die Aufgabe von Bestatter*innen.

Fabian Lenzen ist Inhaber eines Bestattungsinstituts in Berlin und Obermeister der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg sowie des Bestatter-Verbandes von Berlin und Brandenburg. Außerdem unterrichtet er als Dozent am Bundesausbildungszentrum der Bestatter in Bayern. Medizinisch und juristisch betrachtet gebe es sogenannte sichere Todeszeichen, erzählt Lenzen zu Beginn des Gesprächs. Da seien zum einen die charakteristischen Totenflecken. Dabei sinke das Blut im Körper in die unteren Körperpartien ab und bilde dort rötliche, violette Flecken. Zwei bis drei Stunden nach Eintritt des Todes komme es dann zur Totenstarre: An allen Gelenken des Körpers verharre die Muskulatur in der Position, in der sie zum Sterbezeitpunkt war.

„Als Bestatter*in hat man deutlich mehr mit lebenden als mit toten Menschen zu tun“

Fabian Lenzen, Obermeister der Bestatterinnung Berlin-Brandenburg

Zwei bis drei Tage nach dem Tod setze schließlich die Verwesung ein, die man im Fachjargon Autolyse nennt. Diese Autolyse zeige sich beispielsweise in einer Verfärbung des Körpers, der Ablösung der Haut oder einer Geruchsbildung. Das offensichtlichste – wenn auch ein sogenanntes unsicheres – Todeszeichen sei natürlich die Kälte des Körpers. Das irritiere viele Angehörige, berichtet Lenzen. „Wenn man einen Menschen berührt, erwartet man Körperwärme und der ist dann ganz kalt.“

„Als Bestatter*in hat man deutlich mehr mit lebenden als mit toten Menschen zu tun”, meint er beinahe scherzhaft. Einen großen Teil seiner Arbeit mache die Begleitung der Hinterbliebenen aus. So berät er Angehörige zum Beispiel in Fragen rund um Bestattung und Trauerfeier, erledigt aber auch Formalitäten wie die Beurkundung des Sterbefalls oder die Abmeldung von der Krankenkasse. Natürlich gehöre letztlich auch ein trauerpsychologischer Aspekt dazu, fährt Lenzen fort: „Also dass man zuhört, wie die Gemütslage ist, oder an Fachleute weitervermittelt, wenn man merkt, dass die Begleitung, die wir leisten können, nicht ausreicht.„ Er erzählt, die Schicksalsgeschichten, auf die man im Gespräch mit den Angehörigen treffe, könnten emotional belasten. „Deswegen ist es wichtig, dass man eine Distanz schafft zu dem Schicksal des Verstorbenen und der Hinterbliebenen und nicht mittrauert.”

Über 70 Prozent der Verstorbenen in Deutschland werden inzwischen eingeäschert

Neben dem Umgang mit den Hinterbliebenen würden auch viele handwerkliche Aufgaben zum Bestatter*innenberuf dazugehören, erzählt Lenzen weiter. Angefangen beim Transport bis hin zur Versorgung und Einbettung der Verstorbenen. Aber zum Beispiel auch die Fertigmontage von Särgen und das fachgerechte ausheben und verschalen von Gräbern. Auch für die Überführung der Verstorbenen zum Friedhof oder – falls eine Feuerbestattung gewünscht ist – ins Krematorium ist ein*e Bestatter*in zuständig. Letztere ist mittlerweile die häufigste Art der Bestattung in Deutschland. Über 70 Prozent aller Verstorbenen werden inzwischen eingeäschert.

„Es sind halt tote Menschen, aber es sind Menschen. Da ist nichts unheimlich und nichts komisch für mich dran.“

Raven, arbeitet neben dem Studium in einem Krematorium

Raven, Student der Politikwissenschaften und Philosophie, arbeitet nebenher in einem Krematorium. Was für viele Studierende ein mindestens unheimlicher Nebenjob wäre, ist für Raven geradezu normal: „Ich denk’ mir: Früher oder später kommen wir da alle hin.” Er könne genauso gut in einer Bäckerei arbeiten oder irgendwo anders, es würde keinen Unterschied für ihn machen. „Es sind halt tote Menschen, aber es sind Menschen. Da ist nichts unheimlich und nichts komisch für mich dran.”

Gegenüber anderen Tätigkeiten sei das Belastende an der Arbeit im Krematorium nicht das Körperliche, sondern das Moralische. Im Vergleich zu den Bestatter*innen, hätten er und seine Kolleg*innen aber am wenigsten mit dem Tod zu tun. Weil alle Verstorbenen im Sarg kommen und eingeäschert würden, gebe es sehr selten unmittelbaren Kontakt mit dem toten Körper. „Ich habe auch Arbeitskolleg*innen, die können keine Leichen sehen und immer wenn doch so eine Situation entsteht, ist das für sie bedrückend”, erzählt Raven. Was alle seine Kolleg*innen stark belaste, sei Babyleichen einzuäschern. Es ist der einzige Moment im Gespräch, in dem Raven kurz schluckt und innehält. „Weil, dann müssen wir uns zwangsläufig das Schicksal der Eltern und des Kindes vorstellen.”

Einäscherung als komplexer und handwerklicher Prozess

Von seiner Arbeit berichtet er sehr offen und sachlich, schildert den Prozess der Einäscherung als einen komplexen, handwerklichen Vorgang: Die Särge mit den Verstorbenen werden entweder von den Fahrer*innen des Krematoriums abgeholt oder direkt von den Bestatter*innen vorbeigebracht. Anschließend werden Unterlagen wie der Kremierungsauftrag und der Totenschein sowie die Urnenanforderung der Gemeinde überprüft. Für eine Leichenschau kommt ein*e Patholog*in oder Amtsarzt*ärztin vorbei und zeichnet nach Kenntnisnahme ein Etikett auf dem Sarg ab. Erst dann darf eingeäschert werden.

Raven erklärt, dass die Öfen von einem Computerprogramm aus gesteuert werden. Hier werden nicht nur die Ofentemperatur, sondern auch Grenzwerte für Rauchgase und andere Stoffe kontrolliert, die bei der Verbrennung freigesetzt werden. Regelmäßig kommt das Umweltamt vorbei und liest die Grenzwerte ab. Bei zu vielen Überschreitungen, erklärt er, seien hohe Geldstrafen fällig.

Spätestens hier wird deutlich, dass bei der Kremierung von menschlichen Körpern ganz technische, handwerkliche Fragen, die für Außenstehende zunächst befremdlich wirken können, wichtig sind. Es sei zum Beispiel so, dass beim Brennvorgang Geschlecht und Körpergewicht – abhängig vom Körperfettgehalt – eine wichtige Rolle spielen würden, da Körper mit unterschiedlicher Intensität brennen. Um die Ofentemperatur konstant zu halten, sei ein Wechsel zwischen sehr leichten und schweren Menschen notwendig. 

Was von einem Menschen bleibt

Sobald im Ofen nichts mehr brennt, werden die Überreste, vor allem Asche und Knochen, abgelassen und in einer Knochenmühle zermahlen. Zuvor müssen gegebenenfalls händisch noch Metallreste vom Sarg oder beispielsweise Keramikteile einer künstlichen Hüfte heraus gesammelt werden. „Du siehst halt im Prinzip alles, was im Menschen drin sein kann”, beschreibt Raven. Die fertigen Urnen gehen dann an den*die Bestatter*in.

Was von einem Menschen bleibt, sei letztlich Glaubenssache, meint der Bestatter Fabian Lenzen. „Diesseitig bleiben das, was die*der Verstorbene geschaffen hat, und die Erinnerung an sie*ihn.” Es bleibe auch der ‚entseelte‘ Leib, der sich über die Zeit auf die Knochen reduziert und auflöst. „Dieser Leib ist nicht mehr die Person selbst, sondern eher deren Hülle. Aber auch diese Hülle bedarf der besonderen Sorgfalt.”

„Im Prinzip sehe ich das nicht als Arbeit für die verstorbene Person, sondern mehr für die Hinterbliebenen”, sagt Raven am Ende des Gesprächs. „Ich empfinde es als große Ehre praktisch den letzten Blick auf eine Person werfen zu dürfen.” An ein Leben nach dem Tod im christlichen Sinne glaubt Raven zwar nicht, aber er meint: „Wir leben in den Köpfen der Hinterbliebenen fort. Das ist das Leben nach dem Tod.”


Wir haben uns dazu entschieden in unserem Heft Begrifflichkeiten zu verwenden, die möglichst antidiskriminierend sind. Falls dir ein Begriff oder eine Schreibweise nicht bekannt sein sollte, kannst du die Bedeutung hier nachlesen.

Autor*in

Valentin Petri

Verbringt seine Zeit gerne in stickigen und langwierigen Sitzungen und schreibt über Hochschulpolitik.

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.