Exzellent chillen

Die FU brüstet sich gerne mit ihrer akademischen Exzellenz. Doch Studieren ist mehr als Statistik und Citavi. FURIOS blickt auf die Study-Life-Balance und stellt fest: Es gibt zu wenig Räume für Begegnungen. Ein Kommentar von Julia Schmit. 

Das Pi-Café ist einer der wenigen chilligen Orte auf dem Campus. Foto: Julia Schmit

Seien wir mal ehrlich: Die Raum-Architektur der Freien Universität ist zutiefst unsozial. Auf dem Campus in Dahlem gibt es kaum Räume, in denen Studierende einfach entspannt Zeit verbringen können. Dabei wollen wir uns unterhalten, ausruhen, durchatmen, zufällig treffen oder verabreden. Platz dafür ist nur auf den Fluren, gequetscht auf die unbequemen Holzquader vor der Kaffee-Bar oder auf den kalten Steintreppen irgendwelcher Gebäude. Was ist das für 1 life? 

FU Berlin: gebaut gegen studentische Organisation

Manchmal, wenn ich durch die unendlichen Gänge der Rost- und Silberlaube (RoSi) haste, komme ich mir eher vor wie in einem Flughafengebäude, nur ohne Duty Free Shop. Ist KL 32/202 jetzt mein Seminarraum oder mein Abfluggate? Das Gebäude ist mehr Flur als alles andere. Dieser Missstand ist kein reiner Zufall. Die in den 1970er Jahren eröffnete RoSi wurde bewusst ohne größere Gemeinschafts- und Begegnungsräume gebaut, um eine Organisation der Studierenden untereinander  zu verhindern.Tatsächlich ohne Erfolg, wie zahlreiche Streiks und Besetzungen seit dem Berufsverbotestreik im Wintersemester 1976/77 zeigen. 

Ein aktuelles Beispiel ist die neue Nutzung des Ristorante Galileo, das nach seiner Schließung im Frühling dank starkem Engagement des AStA jetzt mietfrei als Raum Galilea für studentische Begegnungen genutzt werden kann. Seit Beginn des Wintersemesters treffen sich hier studentische Gruppen, wie zum Beispiel die Fachschaftsinitiative (FSI) des Otto-Suhr-Instituts. An einer Wand des umfunktionierten Restaurants gibt es eine kleine Ausstellung zur Geschichte von studentischen Initiativen und politischen Aktionen an der FU, zum Beispiel die Besetzung der Uni im Rahmen des UniMut-Streiks im Jahr 1989. 

Die Rettung bringen studentische Cafés

Weitere Oasen im Irrgarten aus Gängen und Funktionsräumen sind die studentischen Cafés, die über den Campus verteilt sind. Hier finden Begegnungen statt, werden Diskussionen aus Seminaren weitergeführt, wird geflirtet, gelesen und geraucht. Somit gehören die Cafés zu den wichtigsten Orten auf dem Campus. Sie sind die Schauplätze der Erinnerungen an die Unizeit, von denen wir noch unseren Urenkelkindern erzählen können. 

Oft ist das Café GER-O-MAT meine Rettung, wenn im hektischen Alltag alles zu schnell und zu viel ist. Nach einem langen Mittwoch in der Bib kann ein warmes, wunderbar fettiges Börek aus dem Café Kauderwelsch das Highlight meines Tages sein. Eine Anglistikstudentin empört sich: „2,50 € für eine Spezi, das ist doch Wucher!” Wir bonden beim Lästern über die Inflation. Die Tische und Bänke im Innenhof sind voll belebt. Man unterhält sich über Pläne fürs Wochenende und neben mir lernen zwei Chemiestudierende für eine Klausur. 

Begegnungen nicht nur auf den Gängen leben

Doch selbst die Oasen leben prekär. Der Raum für das Café Tatort im Fachbereich Rechtswissenschaft zum Beispiel ist an einen Sitz der Fachschaftsinitiative Jura im Fachbereichsrat gekoppelt. Eine Schließung ist daher nie ausgeschlossen. „Wenn das Café nicht öffnen kann, fehlt der FSI ein Stück Identität.“, sagt ein Jurastudent. Und auch die Nutzung des Galilea ist erst einmal auf zwei Jahre befristet. Studierende müssen für ihre Räume an der Universität kämpfen. 

Lasst uns kämpfen für mehr! Mehr Sofas, Sitzkissen und offene Räume. Mehr Orte wie das Pi-Café, wo ich Mensch und nicht nur Matrikelnummer sein kann. Das Studium ist nicht die Zeit, in der wir möglichst viel Wissen inhalieren, sondern eine Phase, in der wir als Menschen reifen und uns ausprobieren können. Das geht am besten in Begegnungen mit anderen. Und zwar nicht nur in den Gängen, bitte!

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