Selbsthilfe für Kapitalist*innen

Wenn du beliebt bist, kaufen dir die Menschen alles ab?  In „How to Win Friends and Influence People“ wird der finanzielle Nutzen von Popularität erklärt. Inwiefern die Ratschläge hilfreich und vertretbar sind, hat sich Anaïs Agudo Berbel in der neuen Folge des Bücher-Bingos gefragt.

Freunde oder doch eher Profit gewinnen? Foto/Montage: FURIOS Wissenschaft.

Der Glaube daran, dass durch harte Arbeit, Fleiß und Durchhaltevermögen Wohlstand erreicht  werden kann – the American Dream – ist ein Thema, mit dem sich schon viele vor Dale Carnegie befassten. Ein Buch mit einer Anleitung zur Erreichung des American Dreams gab es, als er jung war, noch nicht, so behauptet Carnegie. Daher habe er „How to Win Friends and Influence People“ 1936 geschrieben. Hier teilt er seine Erfahrungen mit denjenigen, die nicht wissen, wie sie sich in sozialen Gefügen beliebt machen und gibt Tipps, wie sie dadurch nebenbei auch noch reich und erfolgreich werden.

Pseudo-psychologische Tipps

Die jeweiligen Kapitel sind immer gleich aufgebaut: Carnegie beginnt mit einem meist offensichtlichen, plumpen Titel wie: „How To Interest People.“ Aber hin und wieder rutscht ein gekünstelt dramatischer Titel wie: „If You Must Find Fault, This is the Way To Begin“ dazwischen. Richtig eingestiegen in die Thematik wird daraufhin nur mit Anekdoten, die nicht immer direkt etwas mit dem zu erlernenden Grundsatz zu tun haben. So ist mir als Leserin teilweise nach den ersten ein bis zwei Seiten eines Kapitels nicht wirklich klar gewesen, worum es eigentlich ging.

Die Ratschläge im Buch sind in vier Themenbereiche unterteilt: „Twelve Things This Book Will Do For You”, „Fundamental Techniques in Handling People”, „Twelve Ways to Win People to Your Way of Thinking” und „Be a Leader: How to Change People Without Giving Offense or Arousing Resentment”. Anfangs konzentrieren sie sich vorwiegend auf die Harmonisierung der bereits vorhandenen Beziehungen in der Familie und im Bekanntenkreis. Thematisch passende Beispielgeschichten und unzählige, oft viel zu lange Zitate von ehemaligen Präsidenten der USA wie Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln oder angesehenen Philosophen wie Aristoteles, Sokrates und Lao-Tse, heben die anfängliche Verwirrung schließlich auf. Dabei vermeidet Carnegie es geschickt selbst Argumente auszuformulieren und lässt die Geschichten anderer für sich sprechen. Häufig stellt er anschließend rhetorische Fragen an die lesende Person, um seine These zu unterstreichen. Nach diesem Motto füllt er Seite für Seite. Nur selten führt Carneige faktenbasierte oder wissenschaftliche Untermauerungen seiner teils pseudo-psychologischen Tipps an.

In der zweiten Hälfte des Buches ähneln sich die Argumentationen zu Ratschlägen wie beispielsweise „Let the Other Person Save Face”, „Give the Other Person a Fine Reputation to Live Up to” und „Call Attention to People’s Mistakes Indirectly” inhaltlich sehr stark. Gedanken zur Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen aus vorherigen Kapiteln werden erneut aufgegriffen und zu Strategien der Unternehmensführung umfunktioniert. Dabei geht Carnegie beispielsweise darauf ein, wie durch mehr Zuneigung der Mitarbeiter*innen die Leitung von Unternehmen erleichtert und so der Profit erhöht oder die Beziehungen zu Geschäftspartner*innen gestärkt und Kooperation erleichtern soll.

Überteuerte Waschmaschinen 

Abgesehen davon, dass Carnegie eindeutig aus einer sehr amerikanischen, kapitalistischen Perspektive schreibt, sind einige der angeführten Prinzipien trotzdem wichtige Erkenntnisse.

„Make the other person feel important – and do it sincerely“ ist aus meiner Sicht ein vernünftiges Vorhaben. So wie Carnegie es postuliert, sind die Beweggründe aber profitorientiert, nach dem Motto: „Wenn du Menschen das Gefühl gibst, sie seien wichtig, kaufen sie auch eher deine überteuerten Waschmaschinen“. So wird ein grundsätzlich hilfreicher Ratschlag, der mit Sicherheit die ein oder andere Beziehung harmonisieren könnte, unter einem kapitalistischen Motiv präsentiert.

Dieser latent manipulative Charakter zieht sich durch das gesamte Buch hindurch. Ich hätte mir daher gewünscht, die Ratschläge wären nicht nur dadurch begründet worden, wie finanziell profitabel sie sind. Sinnvoller wäre es gewesen, das Buch als wirkliche Hilfestellung zur Harmonisierung zwischenmenschlicher Beziehungen auszulegen. Carnegies Erkenntnisse sind nicht augenöffnend, sondern eher Gedanken, die wir vielleicht manchmal vergessen und uns hin und wieder neu ins Bewusstsein rufen müssen. Dennoch denke ich, dass oftmals genau das wichtig ist, um einen respektvollen, ausgeglichenen und konfliktfreien Umgang mit Menschen zu haben.

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