Weihnachten in Bukarest

Wie jedes Jahr an Weihnachten verschlägt es die meisten Studis für ein paar Tage zurück in ihr Heimatdorf oder ihre Heimatstadt, um dort mit der Familie zu feiern. Alexandra Enciu berichtet über Traditionen in Bukarest.

Weihnachtstraditionen unterscheiden sich auch in Bukarest je nach Familie. Hier die alljährlichen Anstifter der hitzigen Diskussionen vor dem Schmücken unseres Weihnachtsbaumes. Foto: Alexandra Enciu

Ein paar schüchterne Schneeflocken fallen über Berlin, der Glühwein wird zum Hauptgetränk und der inzwischen geköpfte Weihnachtsbaum am Brandenburger Tor leuchtet hell. In meinem Wohnheimzimmer herrscht Chaos: nicht wegen Weihnachtsvorbereitungen, sondern wegen der nahenden Abreise nach Hause, nämlich nach Bukarest und all den Traditionen, die mich dort auch in diesem Jahr erwarten. Ein Überblick:

Colindători statt Mariah Carey

Während auf Instagram und Co. die – inoffizielle – Weihnachtskönigin Mariah Carey Weihnachten ankündigt, übernehmen in Rumänien diese Aufgabe die berühmten Colindători, eine besonders aufdringliche Art von Weihnachtssängern. Zwar ist am 1. Dezember noch Nationalfeiertag, also sind die Colindători noch im Ruhestand, aber spätestens eine Woche danach schleichen sie langsam aus ihren Verstecken.

Sie sind zwar meist nicht sehr begabt, dafür aber unglaublich hartnäckig. Erkennen sie Lichter im Haus, ist es für die Bewohner bereits zu spät: Sie klingeln, bis man zur Tür geht und fragen dann: “Empfangen Sie die Sternsinger?”. Wenn man darauf entgegnet : „Nein danke, es ist doch erst der 8. Dezember, kommt in den nächsten Wochen noch einmal vorbei!“, folgt eine Diskussion. Ihre Strategie: Kinder aus ihren Reihen an die Sprechanlage schicken, denen die Hausbewohner*innen den Wunsch des Vorsingens dann kaum abschlagen können. Daher zur Weihnachtszeit in Rumänien am besten wenig Lichter einschalten, wenn man vom Gesang der Colindători verschont bleiben will.

Eine besondere Tradition, die sich je nach Region ein wenig verändert, ist das Ziegenwandern (Rumänisch: Mersul cu capra) oder das Spiel der Ziege. An dem Ritual nehmen zwei zentrale männliche Figuren teil. Ein Tänzer, der eine selbstgebastelte, gruselige Maske anzieht und die Ziege symbolisiert, und ein Trommler, der den Rhythmus schlägt und einen Gruß ausspricht. Während dieses Tanzes „stirbt” die Ziege und wird „wiedergeboren”. Das stellt die rituelle Regeneration und die Kontinuität des Lebens dar. Der als Ziege Verkleidete springt und verbeugt sich und gackert rhythmisch aus seinen hölzernen Kiefern. Ein echtes Spektakel, das den Zuschauenden Angst und Schrecken einjagt.

Streit um Feuerwehrmänner

Zuhause bei meiner Familie gibt es ebenfalls Traditionen, die nicht ganz unumstritten sind. Denn während in den meisten Haushalten mit den klassischen Weihnachtskugeln dekoriert wird, gibt es bei uns in der Familie einen besonderen Dekorationsstil. Mein Vater hat seit Ewigkeiten ein paar Feuerwehrmänner-Dekos, die ihm zufolge jedes Jahr aufgehängt werden müssen. Und jedes Jahr macht sich meine Mutter über ihn lustig. Laut Familienlegende müssen die Feuerwehrmänner unbedingt im Baum hängen, falls irgendwie irgendwann der Baum einmal in Flammen aufgeht. Tatsächlich ist das noch nie passiert, aber jedes Jahr besteht natürlich die Gefahr – und deswegen sind wir alljährlich bereit.

Bei der Dekoration des Weihnachtsbaums darf natürlich an der Spitze der klassische Stern nicht fehlen. Unsere Familie hat dafür aber schon seit ich denken kann eine Alternative gefunden. Es handelt sich um die umstrittene Ballerina. Denn genau wie bei den Feuerwehrmännern gibt es hier zwei Teams: auf der einen Seite meine Mutter und auf der anderen Seite mein Vater. Die weibliche Deko-Figur hat ein langes, rotes Kleid, blonde Haare und ein bezauberndes Gesicht. Streitpunkt sind aber ihre Flügel, da meine Mutter der Meinung ist, dass Ballett-Tänzerinnen keine Flügel haben und deshalb die Figur einen Engel darstellt. Mein Vater aber beharrt darauf, dass es sich um eine Ballerina handelt. Flügel hin oder her – auf die Baumspitze darf sie trotzdem jedes Jahr.

Trotz der Uneinigkeiten sitzen wir am Ende dann doch jedes Mal vor dem mit Feuerwehrmännern und Engel-Ballerina geschmückten Baum, knipsen unser traditionelles Weihnachtsfoto und essen dann gemeinsam Sarmale (gefüllte Sauerkrautrollen ), Polenta und Cozonac (ein süßes Hefegebäck).

Weihnachten in Rumänien kann zwar für Außenstehende etwas verückt erscheinen, aber es macht unglaublich viel Spaß und ich würde nichts daran ändern.

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