Das Dahlem Humanities Center (DHC) der Freien Universität Berlin fördert seit 15 Jahren geisteswissenschaftliche Ideen und Forschung. Bei der Jubiläumsfeier mit Gastbeiträgen zweier amerikanischer Professoren wurde sich über die Relevanz der Humanities und das Potenzial von Krisen ausgetauscht. Paddy Lehleiter berichtet.
Bei der Festveranstaltung „15 Jahre Dahlem Humanities Center“ fanden sich Anfang November in der Holzlaube der FU zahlreiche Studierende und Forschende ein, um die Förderung des geisteswissenschaftlichen Diskurses zu feiern. Dr. Karin Gludovatz, die Sprecherin des Centers, gab einen Überblick über die Geschichte und Arbeit des DHC: von den Anfängen als befristete Forschungsgruppe, über die Vernetzung verschiedener Universitäten, bis hin zur Förderung von jungen Wissenschaftler*innen. Das Dahlem Junior Host Program stellte sie im Besonderen heraus: Hierbei können Forschende andere Wissenschaftler*innen von ausländischen Instituten einladen, um mit ihnen gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.
Dr. Gludovatz betonte den Fokus auf das interdisziplinäre Vernetzen, vor allem zwischen jungen und fortgeschritteneren Forschenden. Das DHC stehe mit seiner Ausrichtung auf die Geisteswissenschaften inmitten eines globalen Diskurses über die Rolle der ‚Humanities‘ in der Gesellschaft. Zu deren Relevanz in Wissenschaft und Öffentlichkeit sprachen auch die Gäste Dr. Chad Wellmon von der University of Virginia und Dr. Paul Reitter von der Ohio State University.
Crisis as Vocation
Dr. Wellmon und Dr. Reitter sprachen in Rekurs auf den Untertitel der Veranstaltung „The Crisis of the Humanities and the Future of Intellectual Work as a Vocation“ über die sogenannte Krise der Geisteswissenschaften, die mit einem immer mehr spürbaren Vorwurf der Relevanzlosigkeit zu kämpfen haben, der sich im Abbau von geisteswissenschaftlichen Studiengängen in Europa und den USA zeige. Dr. Wellmon ging auf das Konzept der Krise ein und resituierte dieses als sinnstiftendes Attribut der Geisteswissenschaften: Sie befassten sich mit den Krisen des Menschseins, sowie damit, Gefühle und Gedanken über die Essenz des Seins in neuen Hypothesen zu formulieren und zu erforschen.
Dr. Reitter zitierte Max Webers „geistige Arbeit als Beruf“, in welchem der Soziologe sich mit der Frage beschäftigte, warum Menschen sich entscheiden, ihre Zeit mit dem Ergründen von existentiellen Fragen zu verbringen. Er kam zu dem Schluss, dass eine wissenschaftliche Karriere Leidenschaft voraussetze, da Bezahlung und Jobchancen wohl kaum Grund für eine Laufbahn als Forschende*r sei. Ein Lachen ging durch den Raum: Mit diesem traurigen Witz konnten sich viele Anwesende identifizieren.
Diskurs – aber wie?
Auch in der vom DHC organisierten Podiumsdiskussion „Ist das Klima noch zu retten? Kommunikative Strategien und Framing im Klimadiskurs“ Anfang November ging es darum, wie die Klimakatastrophe sprachlich in den öffentlichen Medien aufbereitet wird. Dazu diskutierten die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Irene Neverla von der Universität Hamburg, mit der freien Journalistin Sara Schurmann und Dr. Carolin Schwegler, Linguistin an der Uni Köln. Schreibt man nun von Klimakrise? Kollaps? Oder doch Katastrophe? Die Sprecherinnen waren sich einig, dass niemand nach zehn dystopischen Artikeln zum Untergang der Welt mehr Energie habe, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Journalismus müsse auch optimistisch sein, um Einfluss zu behalten.
Die Debatte fokussierte sich auch auf die zentralen Fragen rund um die Rolle von wissenschaftlichem und journalistischen Diskurs im öffentlichen Raum. Diese beschäftigen das DHC seit seiner Gründung. Es bemüht sich um eine Geisteswissenschaft, die stets fragt, wie Diskurs gemacht werden kann. Dieser selbstreflektive Anspruch an die Wissenschaft ist es, der geisteswissenschaftliche Forschung so relevant macht: die Beschäftigung damit, wie wir uns mit Dingen beschäftigen und wie diese Beschäftigung zur Vokation werden kann, die Gesellschaft zu ergründen.