Forschungswissen für alle!

Open Science ist eine wissenschaftliche Praxis, bei der Forschungsergebnisse offen geteilt werden. Wie das Konzept an der FU umgesetzt wird, erklärt Dr. Christina Riesenweber im Gespräch mit Mariya Martiyenko.

Dr. Christina Riesenweber leitet das Team Open Access und wissenschaftliches Publizieren an der FU-Universitätsbibliothek. Foto/Montage: Mariya Martiyenko

Dr. Riesenweber, lässt sich Open Science in allen Bereichen der Wissenschaft gut umsetzen?

Mein Arbeitsschwerpunkt, Open Access, ist mittlerweile sehr weit verbreitet. Open Access bedeutet, dass Forschungsergebnisse in Form von Publikationen nicht hinter einer Paywall erscheinen, sondern für alle frei einsehbar sind. Es gibt Elemente offener Wissenschaft, die für alle Disziplinen geeignet sind – offene Begutachtungssysteme zum Beispiel.

Open Science impliziert, dass nicht nur die Ergebnisse, sondern z.B. auch die Daten, die dieser Forschung zugrunde liegen, veröffentlicht werden. In Sozialwissenschaften, wo sehr viel mit personenbezogenen Daten gearbeitet wird, ist das schwieriger als beispielsweise in der Meteorologie.

Wie profitiert die breite Öffentlichkeit von Open Science?

Ein Vorteil ist, dass politischen Entscheidungsträger*innen die Ergebnisse sehr früh zur Verfügung stehen. In der Pandemie haben insbesondere Open Access und Preprints eine wichtige Rolle gespielt. Bei diesen Vorab-Publikationen handelt es sich um Forschungsergebnisse, die veröffentlicht werden noch bevor sie den Peer-Review-Prozess durchlaufen sind. Damit muss natürlich behutsam umgegangen werden. Zu Beginn der Pandemie gab es zum Beispiel Preprints zur Wirksamkeit von Masken, sodass Regelungen schon früh getroffen werden konnten.

Wie groß ist die Gefahr von Falschinformationen durch Preprints?

Natürlich kann es passieren, dass nicht korrektes Wissen weitergegeben wird. Das setzt aber voraus, dass ignoriert wird, dass die Ergebnisse noch begutachtet und bis dahin mit Vorsicht genossen werden müssen. Das hat gar nicht so viel mit Open Access zu tun, sondern mit der Gewissenhaftigkeit, mit der im Journalismus mit wissenschaftlichen Quellen umgegangen wird.

Welche Möglichkeiten gibt es, Qualitätskontrolle sicherzustellen?

Der Prozess der Qualitätssicherung unterscheidet sich nicht zwischen geschlossenen und offenen Publikationen. Das heißt, es gibt weiterhin gute und schlechte, gewissenhafte und weniger gewissenhafte Publikationen.

Unterm Strich führt offene Wissenschaft dazu, dass es leichter wird, schlechte Wissenschaft zu identifizieren. Wenn Gutachten transparent durchgeführt werden und Informationen frei verfügbar sind, können Schummler*innen einfacher entdeckt werden.

Das Journal Nature verlangt 9.500 US-Dollar für eine Open Access Publikation. Hat die FU die finanziellen Mittel, alle Ergebnisse offen zu publizieren?

Ungefähr 70 Prozent der neuen Forschungsliteratur der FU werden bereits Open Access veröffentlicht. Zu Beginn haben wir uns das aber günstiger vorgestellt. Die großen Verlage haben aber mittlerweile auf Open Access umgestellt und ihre Preise angepasst. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat vor einigen Jahren 2000 Euro als Obergrenze für die Publikationsgebühr festgelegt, die von den Institutionen an die Verlage gezahlt wird. Wir haben an der FU die Möglichkeit, in diesem Rahmen Publikationen zu finanzieren – unter bestimmten Bedingungen. Für Nature machen wir tatsächlich eine Ausnahme.

Unser aktuelles Ziel ist, Publizieren wieder bezahlbarer zu machen. Wir bauen daher wissenschaftseigene Infrastrukturen auf. Im Rahmen der Berlin University Alliance haben wir zum Beispiel gerade einen Open-Access-Verlag gegründet, Berlin Universities Publishing

Auf welche Herausforderungen stoßen Sie bei der großflächigen Umsetzung?

Grundsätzlich unterstützt offene Wissenschaft die Wissensgenerierung. Sie erleichtert es, über Ergebnisse zu sprechen, sie miteinander zu teilen und darauf aufzubauen. Es gibt jedoch eine Reihe von Gründen, warum sich nicht alle Wissenschaft offenlegen lässt. Das gilt insbesondere, wenn mit Menschen geforscht wird. Der Umgang mit personenbezogenen Daten unterliegt klaren Regelungen. Daran sollte auch nicht gerüttelt werden.

Zudem stellt sich die Frage nach den Folgen für wissenschaftliche Karrieren. Hier wird deutlich, dass die Wissenschaft ein sich selbst reproduzierendes soziales System ist, das an Traditionen festhält. Denn die Personen, die in dem aktuellen System an wichtige Positionen gekommen sind, neigen dazu, daran auch festzuhalten. Die neue Generation von Wissenschaftler*innen hat so mitunter Schwierigkeiten, umfassende Veränderungen zu bewirken.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Open Science?

Ich würde mir wünschen, dass im Zuge von Open Science der Wechsel von Konkurrenz zu Kooperation in der Wissenschaft stattfindet. Wir sollten uns immer fragen: Was gewinnen wir, wenn wir zusammenarbeiten und unser Wissen teilen? Ich glaube, das ist der einzige Weg aus den Krisen, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind.

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