Wünsche, Wille, Wohnraum?

Knapper Wohnraum, lange Wartelisten und steigende Mieten: Berlin hat ein Problem. Vor der Wiederholungswahl tauschten sich Studierende und Politik über (nicht) erfolgreiche Wohnungspolitik aus. Ben Lehmkühler berichtet.

Im Freiraum des Studierendenwerks trafen Politiker*innen auf Studierende. Foto: Dominic Duzy.

Die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist angespannt. Darüber waren sich alle einig, die der Einladung des Studierendenwerks zur Podiumsdiskussion über die Lage des studentischen Wohnens in Berlin gefolgt sind. Vertreter*innen der Studierendenschaft und Politiker*innen von vier Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses diskutierten am 18. Januar darüber, wie das Problem des mangelnden Wohnraums für Studierende gelöst werden kann. Die Stadt belegt hinsichtlich der Versorgung von Studierenden mit Wohnheimplätzen bundesweit den letzten Platz. In wenigen Wochen werden die Wahlen des Berliner Abgeordnetenhauses wiederholt – und die Wohnungspolitik könnte für so manche Wahlentscheidung den entscheidenden Ausschlag geben.

Studierende müssen länger auf Wohnheimplätze warten

Drei Fachsemester hatte Hermann Stinia, Vertreter der Studentischen Selbstverwaltungen (SSVen), auf seinen Platz im Wohnheim Eichkamp warten müssen, erinnert er sich. Damit liegt er im aktuellen Durchschnitt, wie aus der Antwort der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung auf eine parlamentarische Anfrage des Abgeordnetenhaus-Mitglieds Adrian Grasse (CDU) hervorgeht. Vor fünf Jahren habe die Wartezeit noch ein Semester betragen. Ein Grund für die gestiegene Wartezeit ist die zunehmende Anzahl der Studierenden, die sich auch in längeren Wartelisten widerspiegelt: Konnte das Studierendenwerk im Dezember 2021 noch 4.559 Studierenden keinen Wohnheimplatz anbieten, waren es im vergangenen Dezember schon 5.081. Gleichzeitig habe das Studierendenwerk angemietete Gebäude an Eigentümer*innen zurückgeben müssen. Die Folge: Berlin belegt mit einer Versorgungsquote von fünf Prozent den letzten Platz im bundesweiten Vergleich.

Studierendenvertreter sieht einen „Prozess der Verantwortungsdiffusion“

Die infolge des russischen Angriffskriegs gestiegenen Energiekosten haben die Wohnsituation für viele Studierende zusätzlich verschärft. „Wir hatten plötzlich bis zu 60 Prozent höhere Mieten“, berichtete Studierendenvertreter David Tzafir und fordert von den Abgeordneten, den im Dezember beschlossenen Mietenstopp so schnell wie möglich umzusetzen. Langfristig brauche es einen nachhaltigen Mechanismus, der die Mieten konstant halten kann.

Tilman Schneider, Referent des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Freien Universität und Mitglied des Verwaltungsrates des Studierendenwerks, sieht zwei Möglichkeiten zur Verbesserung der studentischen Wohnsituation: Er appelliert an die Politiker*innen, „das Volksbegehren ,Deutsche Wohnen & Co. enteignen´ umzusetzen und Wohnheimplätze zu schaffen“. Er wolle keine weiteren Versprechen, sondern „konkrete Pläne“ hören.

Die Politik verspricht Entschlossenheit

Der Sprecher für Mieten und Wohnen der Fraktion DIE LINKE, Niklas Schenker, sprach sich ebenfalls für die Umsetzung des Volksentscheids aus. Über eine Wiedervermietung kämen so jedes Jahr 1.000 bezahlbare Wohnungen für Studierende hinzu. Optimistisch äußerte sich sein Fraktionskollege Schulze: „Wir werden die Zahl der Wohnheimplätze erreichen.“ Eine Versorgungsquote von mehr als zehn Prozent sei angesichts fehlender Flächen und steigender Baukosten jedoch nicht realisierbar. „Einigermaßen wütend“ mache Schenker, dass der beschlossene Mietenstopp nicht umgesetzt wird. Er versicherte, alle Vertreter*innen der Regierungskoalition würden sich für die Umsetzung einsetzen. 

„Wir haben kein Flächenproblem – wir haben ein Umsetzungsproblem.“ Mit diesen Worten bilanzierte Katrin Schmidberger, Sprecherin von Bündnis90/Die Grünen für Wohnen, Mieten und Haushaltspolitik, die Regierungsarbeit im letzten Jahr. Die Verantwortung für die langsame Umsetzung sehe sie bei der  SPD-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Schmidberger befürwortete die Stärkung landeseigener Wohnungsunternehmen sowie die Einführung einer Wohngemeinnützigkeit. Letztere solle ermöglichen, dass Wohnungen nach Ablauf der Förderung weiterhin sozial gebunden sind.

Ein Aufschlag ohne Treffer

Auf mehr Kreativität beim Thema Wohnen in Campusnähe drängte Ina Czyborra (SPD). Sie verwies auf die Möglichkeit, leerstehende Uni-Parkplätze zu bebauen sowie Gebäude aufzustocken. So ließen sich auch lange Anfahrtswege für Studierende vermeiden.

Die SPD würdigte zudem das Votum der Berliner*innen für den Volksentscheid, der nach Maßgabe der Expert*innenkommission umgesetzt werde. „Wir werden sehen, welche Wege uns eröffnet werden und uns in der Koalition selbstverständlich dazu verhalten“, bekräftigte Czyborra. 

Die Wunderlösung für die Beseitigung des Berliner Wohnungsmangels gibt es nicht. Dass bereits ein Teil der Lösung darin liegt, Wünsche und Perspektiven von Studierenden anzuerkennen, hat diese Veranstaltung gezeigt. Sie hat Dialogkanäle geschaffen – und sie markiert damit den Anfang eines Prozesses, dessen Ende noch in weiter Ferne liegt. 

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