Studierende haben genug!

Die Hochschulgruppen der Initiative Genug ist Genug! (GiG!) luden am Donnerstag zur Vollversammlung. Im Mittelpunkt des Treffens standen die Forderungen der Initiative an die Politik und Universitäten: mehr finanzielle Entlastungen und Mitspracherecht. Leonard Wunderlich über den Verlauf der Versammlung und die Hintergründe.

„Genug ist Genug!” lädt zur Vollversammlung, auf der über die studentischen Forderungen an die Politik abgestimmt wird. Foto: Leonard Wunderlich

Die Hochschulgruppen der Initiative Genug ist Genug! laden am Donnerstagnachmittag zur Vollversammlung. Mehr als 250 Personen finden sich im Emil-Fischer-Hörsaal der Humboldt Universität Berlin ein. Im Mittelpunkt des Treffens stehen die Forderungen der Initiative an die Politik und Hochschulen: stärkere finanzielle Entlastungsmaßnahmen und mehr hochschulpolitisches Mitspracherecht. Ebenso werden die Strategien präsentiert, mit denen die Initiative ihre Anliegen durchsetzen will. Der Hörsaal ist bis auf den letzten Sitz gefüllt.

Die Wut der anwesenden Studierenden ist groß. Aber es ist keine stumme Wut. „Wir wollen uns gegen die aktuelle Krisenpolitik auflehnen – und wir lassen uns das nicht mehr bieten!”, ruft ein Redner in den Saal hinein. Tosender Applaus brandet auf. In den Redebeiträgen der studentischen GiG!-Vertreter*innen kommt eine unbedingte Entschlossenheit zum Ausdruck, politisch wirksam werden zu wollen. „Wir sind wütend, weil wir wahrnehmen, dass unsere Bedürfnisse keine Beachtung finden”, erklärte Rufus, Mitglied des Orga-Teams, zuvor gegenüber FURIOS. „Aber wir münzen diese Wut um in politische Energie. Damit wollen wir auch andere Studierende anstecken. Denn wir beobachten, dass die Krisen Resignation hervorrufen und die Leute keine eigenen Einflussmöglichkeiten mehr wahrnehmen.“ Eine Rednerin beschließt ihren Beitrag zur Situation der Studierendenschaft lautstark: „Studieren darf kein Luxus sein, Leben darf kein Luxus sein! Genug ist genug!”

Es wird deutlich, dass die Kritik bis weit über die Universität hinausreicht. Die Frage nach Nöten und Hilfen in der Preiskrise erweitert sich zur Systemfrage: „Wir sehen, dass die Politik für das reichste Ein-Prozent gemacht wird”, kritisiert Rufus. Denn während Unternehmensgewinne an private Anleger*innen ausgeschüttet würden, müssten für eine Konzernrettung alle Bürger*innen aufkommen. So verstehe sich die Initiative als antikapitalistisch. 

Umfassende Forderungen für ein bezahlbares Morgen 

Die Initiative formuliert klare Anliegen an die Politik. Neben den Forderungen der bundesweiten Initiative, ergänzen die Hochschulgruppen die Liste der Forderungen um zahlreiche Punkte: So bedürfe es einer sowohl langfristigen als auch kurzfristigen finanziellen Entlastung sowie einer Anhebung des BAföG-Satzes, die die Studierenden schützen, in Armut abzurutschen. Auch müssten Bund und Berliner Senat einen ausgebauten und vor allem kostenlosen ÖPNV bereitstellen. Ebenso fordern die anwesenden Studierenden die Politik auf, das Angebot an günstigem Wohnraum auszuweiten und auf die Forderungen der Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen einzugehen. Des Weiteren fordert die Gruppe mehr Geld vom Senat für eine Lohnerhöhung aller Beschäftigten an Hochschulen. Außerdem sollten Studierende eine gewichtigere Stimme in hochschulpolitischen Fragen und den entsprechenden Gremien erhalten. Und schließlich müssten die Hochschulleitungen dazu verpflichtet werden, regelmäßig Rechenschaft abzulegen, dass sie entsprechend der studentischen Belange entscheiden und handeln.  

Nach einigen Änderungsanträgen und Wortbeiträgen wird abgestimmt. Hunderte Anwesende strecken ihren Arm in die Luft, in ihren Händen grüne Zettel. Tosender Applaus. Die Studierenden zeigen sich entschlossen, die verabschiedeten Forderungen durchzusetzen. Im Zweifel durch künftige Besetzungen an den Universitäten oder durch Lernstreik.

Rückblick: Aus der Not in der Krise

Die ursprünglich in Großbritannien entstandene Initiative verbreitete sich im Zuge wachsender Inflation und Teuerungen auch in Deutschland. Ursache waren die stark gestiegenen Preise insbesondere für Energie und Lebensmittel. Die Inflation belastet bis heute Menschen mit niedrigem Einkommen, darunter auch Studierende, in besonderem Maße. So trat Genug ist Genug! in Deutschland im Verlauf des vergangenen Jahres nicht nur verstärkt durch öffentliche Proteste und Kundgebungen in Erscheinung, es bildeten sich auch studentische Ableger an zahlreichen Hochschulen.  

In Berlin zog im vergangenen November der erste große Demonstrationszug der Initiative vom Alexanderplatz zur Gneisenaustraße. Auch Studierende brachten in einem eigenen Protestblock ihre Nöte und Forderungen auf die Straße: Die Hochschulgruppe hatte in den Tagen zuvor auf dem Campus mobilisiert, wenn wohl auch mit weniger Erfolg als von den Organisator*innen erhofft.

Schon seit Beginn des Wintersemesters im Oktober hielt die Gruppe einige interne Plena ab, deren Protokolle FURIOS vorliegen. So machten sich die Mitglieder schon früh Gedanken über Mobilisierungsstrategien, Organisationsstrukturen und diskutierten die politischen Entwicklungen sowie ihre eigenen Antworten auf diese. Es entstanden Strategiepapiere, Gesprächsleitfäden und Informationsmaterialien. Die Gruppe vernetzte und solidarisierte sich mit anderen Initiativen, darunter End Fossil: Occupy! und Lützi bleibt!, sowie Gewerkschaftsgruppen. Diese Aktivitäten münden vorläufig in der am Donnerstag abgehaltenen Vollversammlung. Dort, Monate nach der ersten Kundgebung, bemerkt eine Aktivistin: „Es ist unglaublich zu sehen, wie viele Menschen hier gerade sitzen.”

Autor*in

Leonard Wunderlich

Hat den leisen Verdacht, dass Hochschulpolitik doch irgendwo nicht völlig unwichtig ist.

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