Ein zahnloser Tiger streift durch den Audimax

Weniger als fünf Prozent der Studierenden haben sich bei der Stupa-Wahl 2023 zur Wahlurne aufgerafft. Das zeigt: Hochschulpolitik ist im Leben der meisten vollkommen irrelevant. Warum sie aus der Unsichtbarkeit hervortreten muss. Ein Kommentar von Dune Korth.

Der Papiertiger Hochschulpolitik muss wieder bissig werden. Illustrationen: Laura von Welczeck

Studierende sind dauerhaft mit übergroßen Krisen konfrontiert. In dieser geplagten Welt wird Nachrichtenlesen zum Jonglieren mit Feuerbällen aus Sorgen und Ängsten – an vielen Tagen scheint jede einzelne Meldung die Zuversicht für eine rosige Zukunft zu schmälern. Plötzlich ist da die Pandemie inmitten derer ein Krieg in Europa ausbricht, parallel wird Energie zum Luxusgut und sämtliche Preise steigen. All das vor dem Hintergrund eines sterbenden Planeten. Machtlosigkeit wird zur anhaltenden Hintergrundmusik des Alltags.

Jene Krisen sind so omnipräsent, dass hochschulpolitische Themen wie die jährliche Wahl des Studierendenparlaments (StuPa) oder die oft verstaubt anmutende Gremienarbeit für viele in den Hintergrund rücken. Die Strukturen akademischer Selbstverwaltung sind zudem schwer zu durchdringen und kaum sichtbar: Wenige wissen, wie, welche und durch wen Entscheidungen in Sachen Studium und Lehre getroffen werden. Auch mögliche Alternativen zu einer FU, die immer mehr zu einem vorbildhaftem Unternehmen statt einer kritischen Bildungsstätte wird, sind für die meisten völlig undurchsichtig.

Studierende können sich nicht für Hochschulpolitik begeistern

Stattdessen investieren Studierende ihre politische Energie lieber in Initiativen wie Fridays for Future oder Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Diese bieten schließlich Raum für die Auseinandersetzung mit genau jenen großen Themen. So lautet jedenfalls eine prominente These zum sinkenden Interesse an studentischer Mitbestimmung.

Der studentischen Selbstverwaltung attestiert eine überragende Mehrheit der Studierenden nahezu absolute Bedeutungslosigkeit – das legt zumindest der fast 95-prozentige Nichtwähler*innenanteil bei der StuPa-Wahl 2023 nahe. Diese unterirdische Beteiligung ist sicherlich immer noch der Pandemie geschuldet. Trotzdem delegitimiert das offenkundig geringe studentische Interesse an den hochschulpolitischen Prozessen Forderungen nach stärkerer studentischer Mitbestimmung. Eine davon ist der in Hochschulgruppen noch immer laute Ruf nach Viertelparität. Diese würde den Studierenden, den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und den sonstigen Mitarbeitenden jeweils mehr Stimmenanteile in den Gremien verschaffen, sodass diese mit den Professor*innen gleich auf wären. Damit könnten Studierende tatsächlich wirksam mitentscheiden.

Hochschulpolitik muss wieder angreifen können

Hochschulpolitisch engagierte Studierende haben es ohne breiten Rückhalt aus den eigenen Reihen noch schwerer, den politischen Raum Universität zu beanspruchen und Forderungen durchzusetzen. Zudem wurde studentische Mitbestimmung durch die Universitätsleitung im Verlauf der letzten Jahrzehnte systematisch zum Papiertiger degradiert. Das Präsidium muss dessen Beschlüsse nicht annehmen und die Statusgruppe der Professor*innen haben in allen Gremien die absolute Mehrheit. Auch dürfen sich Studierendenvertreter*innen nicht gesamtpolitisch äußern, sondern müssen stets studentische Themen aufgreifen. Das spielt der katastrophalen Wahlbeteiligung direkt in die Karten.

Studentische Hochschulpolitik kämpft also nicht nur gegen ihre scheinbare Irrelevanz gegenüber den großen Themen unserer Zeit. Ihr fehlen auch die Werkzeuge, um studentischen Belangen Gehör zu verschaffen. Zeit, den Tiger zum Zahnarzt zu schicken!

Universität ist nicht nur Elfenbeinturm

Zu schlussfolgern, dass das Desinteresse angesichts der höchstens symbolischen Rolle studentischer Beteiligung folgerichtig sei, käme einem Todesurteil für die studentische Selbstorganisation gleich. Das wäre fatal. Denn das universitäre Geschehen wirkt auch in die gesamte Gesellschaft hinein. Zu welchen Themen geforscht wird, wer was lehrt und wie Menschen ausgebildet werden, ist von enormer Relevanz für gesamtpolitische Fragestellungen. Man denke nur an die Unterrepräsentation sozialwissenschaftlicher Forschung zu Pandemie-Zeiten oder an kontroverse Wissenschaftler*innen, die großes mediales Interesse genießen.

Studentische Mitbestimmung an der Uni ist damit keineswegs nur eine nerdige Nische. Vielmehr kann sie ein wichtiger Hebel sein, um über den universitären Kontext hinauszureichen. Statt die Hochschulpolitik in staubige Kellerräume zu verbannen, gebührt ihr ein Platz im Rampenlicht des Unialltags.

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1 Response

  1. Janik sagt:

    Gäähn. Jedes Jahr der gleiche Artikel. Wer das ernsthaft diskutieren will würde die Wahlbeteiligung mit anderen zwangskörperschaften wie der Rechtsanwaltskammer vergleichen:
    “Die Wahlbeteiligung liegt regelmäßig im unteren einstelligen Prozentbereich” https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsanwaltskammer_(Deutschland)

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