Warum und für wen?

Für Nicht-Wissenschaftler*innen ist Forschung oft ein Buch mit sieben Siegeln. Wissenschaftskommunikation will das ändern und versucht zu vermitteln – mit unterschiedlichsten Formaten von Science Slams bis Twitterthreads. Was und wer dennoch unsichtbar bleibt, erzählt Liliann Fischer im Interview. 

Liliann Fischer arbeitet daran, Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation zusammenzubringen. Foto: Dune Korth

Liliann Fischer ist Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Transfer Unit bei Wissenschaft im Dialog, wo sie daran arbeitet, Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation zusammenzubringen. Das Verbundprojekt in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften wird vom BMBF gefördert.

FURIOS: Liliann, welche Bereiche der Forschung werden durch Wissenschaftskommunikation besonders sichtbar?

Liliann Fischer: Ein starker Fokus liegt traditionell auf dem MINT-Bereich. Hier soll so insbesondere weiblicher Nachwuchs gefördert werden. Naturwissenschaftliche Themen gelten außerdem oft als leichter vermittelbar – jede*r findet beispielsweise den Weltraum cool. Mittlerweile wächst aber das Bewusstsein dafür, dass auch Sozial- und Geisteswissenschaften präsenter werden müssen.

Was wird kommuniziert: Dinge, die die Forschenden selbst spannend finden, oder solche, die für die Öffentlichkeit von Interesse sind?

Diese Frage wird in der Wissenschaftskommunikation noch zu selten gestellt. Es muss beachtet werden, wer die Zielgruppen sind und was diese brauchen. Es gibt aktuell eine starke Fixierung auf Formate: Alle wollen plötzlich einen Podcast oder einen YouTube-Channel, ohne sich über ihre Ziele im Klaren zu sein.

Welche Zielgruppen bleiben für die Kommunikation unsichtbar?

Wissenschaftskommunikation wird schwerer je weniger Berührungspunkte mit Forschung existieren. Eine riesige Herausforderung ist es, Menschen zu erreichen, die das Gefühl haben, dass Wissenschaft für sie nicht relevant und verständlich sein kann. Insgesamt gibt es einen starken Bias, denn vornehmlich wird ein sozioökonomisch gut gestelltes und hochgebildetes Publikum angesprochen. Dies ist ein großes Problem – Lösungsansätze spielen sowohl in der Forschung, als auch in der Praxis eine wichtige Rolle. 

Wie können bislang unsichtbare Gruppen erreicht werden?

Es gibt kein generelles Erfolgsrezept. Die zentrale Frage ist immer, an wen ich mich richte und was ich erreichen möchte. Eine Möglichkeit ist, an Orte zu gehen, wo die Leute ohnehin sind und mit ihnen zu sprechen, um Bedürfnisse zu klären. 

Im Kontext der Pandemie war immer wieder von einem mangelhaften Vertrauen in die Wissenschaft die Rede. Gibt es eine Vertrauenskrise?

Laute Stimmen, gerade von Querdenkenden und Wissenschaftsleugnenden, lassen eine Krise vermuten. Doch Daten, die Wissenschaft im Dialog jährlich im Rahmen des Wissenschaftsbarometers erhebt, zeigen, dass das nicht der Fall ist. Zu Beginn der Pandemie gab es einen enormen Anstieg des Vertrauens in die Wissenschaft. Dieses sinkt zwar wieder, ist aber immer noch höher als vor der Pandemie – 2021 gaben 61 Prozent der Befragten an in Wissenschaft und Forschung zu vertrauen, 2017 war es nur knapp die Hälfte der Bevölkerung.

Sollten alle Wissenschaftler*innen ihre Erkenntnisse an die nicht-akademische Öffentlichkeit tragen?

Alle sollten die Möglichkeit bekommen. Wer kommunizieren möchte, sollte nicht daran scheitern, dass er*sie kein Training bekommt, keine Unterstützung von der Institution erfährt oder keine Zeit findet. Es gibt noch viel zu tun, sowohl institutionell als auch im akademischen System. Wissenschaftskommunikation bedeutet oft keinen Reputationsgewinn und führt teilweise sogar zu Nachteilen: So bleibt weniger Zeit für Publikationen innerhalb des Wissenschaftsbetriebs. Dabei kann der Prozess für das Verständnis der eigenen Arbeit interessant sein und Raum für außerakademisches Feedback bieten. So schottet sich die akademische ‚Bubble’ nicht ab. Trotzdem müssen nicht alle Forschenden permanent kommunizieren. Wem Wissenschaftskommunikation keinen Spaß bringt, sollte auch nicht dazu gezwungen werden. Wichtig ist vielmehr, überhaupt darüber nachzudenken. 

Im Studium werden die wenigsten dazu angeregt, sich mit Wissenschaftskommunikation zu beschäftigen. Sollte sich das ändern?

Ja, dann könnten Studierende sich ausprobieren. Es ist besonders wichtig, strategische Herangehensweisen zu vermitteln. Das Ziel sollte sein, nicht einfach irgendwie zu kommunizieren, sondern erst einen Schritt zurückzugehen und sich zu fragen: Warum und für wen mache ich das?

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