Semesterticket vor dem Aus

Die Semesterticketverhandlungen stehen erneut vor dem Scheitern. Erste Hochschulen erwägen das Semesterticket auszusetzen. Tausende Studierende hätten somit kein ÖPNV-Ticket. Die FU will trotz höherer Preise am Ticket festhalten. Valentin Petri berichtet.

Ob sie die U-Bahn auch in Zukunft mit einem Semesterticket nutzen können, ist für viele Studierende gerade ungewiss. Foto: Unsplash

Tausende Berliner Studierende könnten im kommenden Wintersemester ohne Semesterticket dastehen. In den schwierigen Verhandlungen zwischen Studierendenvertretungen, dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) und dem Berliner Senat ist nach wie vor keine Einigung in Sicht – und das wenige Tage bevor im Juni an den ersten Hochschulen die Rückmeldefrist für das kommende Semester beginnt.

Als erste Hochschule beschloss die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) vergangene Woche, das Semesterticket ab Oktober auszusetzen. Ein Semesterticket sei mit dem angebotenen Preis von rund 32 Euro pro Monat für die Berliner Tarifbereiche ABC seit Einführung des 49-Euro-Deutschlandtickets nicht mehr verhältnismäßig, teilt der Allgemeine Studierendenausschusses (AStA) der HTW mit. Zumal Studierende das Semesterticket mit der Immatrikulation oder Rückmeldung zwangsweise erwerben würden.

Dieselbe Entscheidung erwägen derzeit auch andere Hochschulen wie die Technische Universität Berlin (TU) und die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR). Insgesamt könnten nach Schätzung der Studierendenvertreter*innen bis zu 120.000 Studierende im Wintersemester kein Semesterticket haben. 

FU wird Semesterticket trotz höherer Preise fortführen

Der AStA der Freien Universität Berlin (FU) hat hingegen entschieden das Semesterticket an der FU fortzuführen. Das sei angesichts der unsicheren politischen Lage die beste Option, heißt es in der entsprechenden Mitteilung von vergangenem Freitag. Im Wahlkampf angekündigte Alternativen wie das 29-Euro-Ticket oder ein bundesweites Semesterticket seien nicht rechtzeitig für das nächste Semester realisierbar, schreibt der AStA weiter. 

Der Ticketpreis wird somit im Wintersemester 2023/24 wieder auf den alten Preis von 193 Euro steigen. Für das laufende Semester kostete das Semesterticket nur 118 Euro, nachdem der Berliner Senat nach zähen Verhandlungen im Dezember letzten Jahres in letzter Minute einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 75 Euro pro Person zugesagt hatte. Eine Verlängerung dieses Sonderzuschusses hat der Senat bislang nicht angekündigt. Im Fall, dass es doch noch zu einer Einigung auf günstigere Konditionen oder zu einem hören Senatszuschuss kommt, würde der AStA vom dafür vorgesehenen Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und mit dem VBB einen neuen Vertrag zu den besseren Bedingungen abschließen.

Senat lässt Studierende wochenlang warten

Die Verantwortung für die erneut unsichere Zukunft des Semestertickets sehen die Studierendenvertretungen beim Berliner Senat. Die zuständige Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt habe wieder viel zu spät Gespräche aufgenommen, kritisiert Miguel Góngora, AStA-Vorsitzender an der HWR, gegenüber FURIOS. Seit März habe es trotz Bitten der Studierendenvertretungen keine Verhandlungen mehr gegeben. „Ein erneuter Zuschuss in Höhe von 75 Euro pro Kopf ist jetzt die einzige Möglichkeit, das Semesterticket zu retten“, so Góngora.

Auch für Gabriel Tiedje, AStA-Sprecher der TU, ist klar, dass ein Zuschuss des Senats zum jetzigen Zeitpunkt die einzige noch realisierbare Möglichkeit sei. Das Semesterticket biete gegenüber dem Deutschlandticket keinen wesentlichen Vorteil mehr und sei damit nicht rechtssicher, erklärt Tiedje. Das bestätigt auch ein Rechtsgutachten, das im Auftrag der Studierendenschaft der Technischen Universität Dortmund angefertigt wurde. 

Auf Anfrage von FURIOS sieht sich die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt nicht zuständig. Der Senat werde das Semesterticket wie in den letzten Jahren bezuschussen, um die inflationsbedingte Preissteigerung auszugleichen, teilt eine Sprecherin mit. Anderweitig sei das Land in die Aushandlung der Semestertickets nicht involviert, da die Semestertickets in bilateralen Verträgen zwischen dem VBB und den einzelnen Hochschulen vereinbart würden. „Ob für Studierende wirklich die Fortführung der Semestertickets in Frage steht, hängt von den Studierendenschaften ab.“

Upgrade auf Deutschland-Ticket soll ab 1. Juni möglich sein

Eine Einigung hinsichtlich des Deutschlandtickets wurde erzielt: Bereits im noch laufenden Semester können Berliner Studierende ihr Semesterticket für einen Aufpreis von 13,95 Euro pro Monat zu einem Deutschlandticket aufwerten, wie der Berliner Senat am Freitag mitteilte. Das Update soll ab dem 1. Juni über eine App möglich sein. Ein Kauf kann laut Senat auch einige Tage später rückwirkend zum Monatsbeginn erfolgen. Die individuellen Zugangsdaten für die App erhalten die Universitäten voraussichtlich in den nächsten Tagen.

Nach Auskunft der Senatsverwaltung und des VBB wird derzeit an einem bundesweiten Studierendenticket auf Basis des Deutschlandtickets gearbeitet. An den Gesprächen zwischen Bund und Ländern seien die Studierendenschaften der Universitäten jedoch nicht beteiligt.

Autor*in

Valentin Petri

Verbringt seine Zeit gerne in stickigen und langwierigen Sitzungen und schreibt über Hochschulpolitik.

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