Zum Jubiläumsjahr verpasst sich die FU ein neues Corporate Design. Laura von Welczeck rätselt in dieser Glosse, wie es nur dazu kommen konnte und was nun mit dem FU-Bär auf den Rucksäcken und Pulten passieren wird.
75 Jahre Freie Universität. Just in diesen Tagen und Wochen wird das Jubiläumsjahr der Universität gebührend zelebriert – FU-Präsident Günther M. Ziegler ruft einen ganzen Festmonat aus, unter anderem mit Feierlichkeiten im Henry-Ford-Bau, Foodtrucks und einer After-Show Party mit Konzerten. Und als Sahnehäubchen auf der Geburtstagstorte gibt sich die FU noch eine neue Corporate Identity. Der Bär samt Fackel verschwindet, ersetzt wird er durch kryptische Striche und neongrüne Blöcke, die laut Website eine Reduktion der Buchstaben F und U auf ihre ikonografische Form darstellen. Aha. Ist das noch Sahnehäubchen oder doch eher eine dieser ekelhaft süßen und viel zu knalligen Cocktailkirschen auf der Torte?
“Trotzdem nicht so nett hier wie davor”
Die FU-Twittergemeinde scheint in dieser Thematik vereint. Seit der Verkündung des neuen Logos am 01.06.23 überbieten sich User*innen mit lustigen Vergleichen und Beschwerden unter dem offiziellen FU-Account sowie dem Wehleiden, das eigene Abschlusszeugnis nicht doch schon früher abgeholt zu haben, um den Bären wenigstens auf den eigenen Dokumenten zu retten. Mittlerweile wurde bereits eine Petition auf der Website change.org ins Leben gerufen und der Twitter-User @chrambrosio sieht den zivilen Ungehorsam, nämlich das Logo einfach nicht zu benutzen, als verbleibenden Weg. Doch was hat dieses Logo eigentlich getan? Was hat es an sich, das anscheinend so viele Studierende und Angestellte der Uni dermaßen reizt?
Nun, wahrscheinlich nichts. Und das ist das Problem. Das Logo ist einfach dermaßen öde und nichtssagend, dass es fast aussieht wie das Ergebnis einer der momentan gehypten generativen KIs, hätte man diese nur lang genug mit Logos von Fachhochschulen mittelgroßer deutscher Kreisstädte trainiert. Oder um es mit den Worten des Twitter-Users @rmiecz zu sagen: „Die FH Berlin-Dahlem hat sich ein neues Logo gegeben“. Verblüffend groß ist auch die Ähnlichkeit mit dem Logo der HTW Berlin. Aber wir wollen uns hier nicht in einem kleinlichen Bashing von Fachhochschulen verlieren, haben die doch wirklich gar nichts mit der Misere made in Dahlem zu tun. Wenn es nicht die KIs wie DALL-E und Co. waren, woran hat es dann jelegen? Vielleicht ist die FU in die Berliner Start-Up, bzw. Marketingagentur-Falle getappt? Ältere erinnern sich an die ‚Neuerfindung‘ Baden-Württembergs als THE LÄND durch die bekannte Werbeagentur Jung von Matt – wird die FU zu THE UNI? Knallgrün statt knallgelb, trotzdem nicht so nett hier wie davor. Aber der schlimmste Verdacht kommt erst noch. Beim genauen Hinsehen erkennen aufmerksam Lesende eine neue Farbe im Corporate Design: Ein knalliges Pink hat sich plötzlich eingeschlichen, das beunruhigender Weise an einen anderen Imagewandel erinnert – die Neuerfindung der FDP unter Christian Lindner 2015. „Freies Denken“ in knallpink first, Bedenken second. Oder wie war das nochmal? Jedenfalls feiern beide Institutionen dieses Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum, obwohl das doch wohl eher ein lustiger Zufall ist statt neoliberaler Masterplan.
Aber bevor wir uns hier allzu viel zusammenfabulieren müssen, hilft uns die FU auf die Sprünge. Im begleitenden Erklärvideo wird der Weg zum neuen Design dargelegt. Befragungen von Studierenden und Berliner*innen sowie Workshops hätten zu einem neuen Markenleitbild geführt, in dessen Mittelpunkt – na klar – die Freiheit stehe. Also doch alles beim Alten? Nein, diese Freiheit solle nun „in eine visuelle Sprache übersetzt“ werden. Zwischen den grünen Blöcken im Logo stehen also Freiräume, Zwischenräume für die „Offenheit gegenüber Neuem“ und die Suche nach „Antworten für die Fragen unserer Zeit“, um die „freie Gesellschaft zu stärken“. Übrigens werden diese Freiräume bei jedem Aufruf neu von einem Algorithmus zufällig generiert – ein Hauch von DALL-E ist also doch dabei. Frei ist außerdem die neue Schriftart, diese ist nämlich nicht von einem kommerziellen Anbieter, sondern kostenlos und frei verfügbar.
Und wo bleibt jetzt der Bär?
Aber, was nun? Wer denkt an die Massen von Studierenden, die jetzt mit veraltetem Design auf ihren Rucksäcken verloren durch Berlin streifen? Und an den Aufwand, das alte Logo von all den Pulten in den Vorlesungssälen zu kratzen? Das Social Media-Team, dass nun auf die ganzen Tweets mit der angemessenen Coolness und Raffinesse reagieren muss, hat sich sicherlich einen entspannteren Jubiläumsauftakt gewünscht. Nicht zu vergessen sind außerdem die panischen Nachrichten in manchen WhatsApp-Gruppen, ob denn nun die Schreibvorlage für in Kürze abzugebende Arbeit outdated ist?
In solchen fast schon krisenhaften Zeiten ist die FURIOS natürlich für euch da und klärt so manche Frage auf. In unermüdlicher Recherchearbeit im Netz wurde kein noch so tiefes Rabbit Hole an Twitter-Thread oder Kommentarspalte auf change.org ausgelassen. Alles wurde gründlich gesichtet und mit Spannung verfolgt und siehe da: Das Social Media-Team der FU bestätigt auf Nachfrage eine*r Twitteruser*in, dass das alte Siegel auf Urkunden, Zeugnissen und anderen Dokumenten erhalten bleibe. Aufatmen, der Bär lebt also weiter. Schreibvorlagen und Rucksäcke sind weiterhin hoch aktuell und wir alle wenigstens ein bisschen besänftigt. Happy 75 Jahre FU, auch wenn sie jetzt ikonographisch flexibel und neongrün durchs Netz flackert!
Dieses neue Logo ist einfach nur schrecklich. Bitte rückgängig machen!
Kleiner Hinweis zum Absatz mit der Schrifart: Die Font (Source Sans Pro) stammt durchaus von einem “kommerziellen Anbieter” (nämlich Adobe), wurde aber unter einer freien Lizenz¹ veröffentlicht — und das ist m.E. für die Universität ein Schritt in die richtige Richtung.
¹ SIL Open Font License (OFL)