Ist Homöopathie eine harmlose Alternative zur Schulmedizin oder eine gefährliche Masche der Pharmaindustrie? Diese Frage stellt sich Ric Sander Bohmann.
Ich gehe mit meinem Onkel spazieren. Er erzählt mir, dass der Familienhund, Olo, von einem Auto angefahren wurde. Wochenlang mussten sie um sein Leben bangen. Zum Glück kam Hilfe durch einen befreundeten Arzt und Homöopathen. Eine Stunde nach der Gabe eines wundersamen Arzneimittels war der Vierbeiner wieder in bester Gesundheit. Geschichten dieser Art sind der Grund für den guten Ruf der Homöopathie; eine Empfehlung einer guten Freundin, die Anekdote eines Bekannten.
Weniger ist mehr?
Doch was ist das überhaupt, Homöopathie? Die Pseudowissenschaft wurde im 18. Jahrhundert von dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann entwickelt. Er beruft sich auf das Prinzip der Ähnlichkeit: Gleiches solle mit Gleichem behandelt werden. Atropa belladonna, die Tollkirsche, zum Beispiel, die aufgrund des giftigen Alkaloids Atropin Fieber auslösen kann, wird in der Homöopathie genau gegen ebenjene Beschwerde eingesetzt. Dabei gilt: je stärker verdünnt, desto wirksamer. Häufig wird so oft potenziert, wie verdünnen unter Homöopath*innen genannt wird, bis quasi kein Wirkstoff mehr in dem fertigen Präparat enthalten ist. In einer für Belladonna typischen Verdünnung, D6, kommen 1000 Liter Lösungsmittel auf ein 1 ml Urtinktur. Das ist so, als würde eine Nadelspitze Wirkstoff in sieben Badewannen Lösungsmittel gelöst. Anschließend werden ein paar Zuckerkügelchen mit dieser Mischung besprüht – und fertig ist die Medizin!
Wer jetzt skeptisch gegenüber der alternativen Heilmethode geworden ist, ist nicht allein. Letzten Sommer veröffentlichte der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e.V. (BPhD) ein Positionspapier. Auch Pharmaziestudent*innen der FU wirkten daran mit. Es werden klare Forderungen gestellt. Ein Anliegen des BPhD: Krankenkassen sollen keine homöopathischen Arzneimittel mehr übernehmen. Diesen Januar reagierte die Politik: Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte die Homöopathie als Kassenleistung streichen. Ob das wirklich passiert, bleibt fraglich. Im neuen Referentenentwurf, der Ende März veröffentlicht wurde, bleibt die Homöopathie als Kassenleistung bestehen.
Quatsch mit Kalkül
Der ehemalige Dekan des Fachbereichs Biologie, Chemie, Pharmazie der FU, Professor Matthias Melzig, ist seit fast 20 Jahren der ehrenamtliche Vorsitzende des Analytikausschusses des Homöopathischen Arzneibuchs. Dieses offizielle Regelwerk gibt klare Vorgaben für die Herstellung und die Qualitätssicherung von homöopathischen Arzneimitteln. Professor Melzig ist der Meinung: Die Prinzipien der Homöopathie haben keine naturwissenschaftliche Grundlage. Die Arbeit, die das Homöopathische Arzneibuch leistet, sei trotzdem wichtig. Denn auch wenn das Mittel nichts bringt, dürfe es zumindest nicht schaden.
Professor Melzig findet gute Worte für die homöopathischen Hersteller, deren Vertreter*innen er durch seine Tätigkeit beim Homöopathischen Arzneibuch persönlich kennt. Es seien vor allem mittelständische Unternehmen im Süden Deutschlands, die Arbeitsplätze schaffen. Mit der Homöopathie würden sie gar nicht so viel Gewinn erzielen. Meistens stellen sie noch Kosmetik her, die viel mehr Geld abwerfe. Wer allerdings profitiere, seien die Krankenkassen.
Es gibt knapp hundert Krankenkassen in Deutschland. Die stehen natürlich in Konkurrenz zueinander. Da kommt die relativ kostengünstige Homöopathie mit ihrem guten Image ins Spiel: Durch sie werden Patient*innen zur Krankenkasse gelockt.
Das, was wirkt, ist der Placebo-Effekt
Ein unwirksames Präparat richtet meistens keinen Schaden an. Es gibt keine Nebenwirkungen und oft fühlt es sich gut an, irgendetwas gegen die eigenen Wehwehchen in der Hand zu haben. Die vorteilhaften Effekte des Placebo-Effekts sind vielfach bestätigt. Gefährlich wird es, wenn eine wichtige schulmedizinische Therapie aufgrund von Homöopathie entfällt. Expert*innen kritisieren zudem die Konditionierung von Kindern, schnell zu Medikamenten zu greifen und die Förderung von pseudowissenschaftlichen Theorien.
Was bedeutet Homöopathie für mich?
Die Homöopathie ist ein institutionalisierter Aberglaube. Globulis sind teurer Zucker mit „Heile-Heile-Segen”-Effekt. Ich finde nicht, dass diese Pseudowissenschaft von den Krankenkassen unterstützt werden sollte. Trotzdem verurteile ich niemanden, der*die sich den Vorteilen des Placeboeffekts bedient.
Vielleicht ist Olo der Wunderhund nicht durch irgendein Medikament wieder auf die Beine gekommen, sondern durch seinen Überlebenswillen und die Fürsorge, die ihm entgegengebracht wurde. Das ist für mich ein schöner Gedanke.