Die Kreuzberger Künstlerin und Autorin Olga Hohmann hat vor kurzem ihr Prosa-Debüt „In deinem rechten Auge wohnt der Teufel” veröffentlicht. Zwischen Beobachtungen aus der Berliner Nachbarschaft und dem Porträt der Königin der Nacht als wunschlos unglücklicher Figur werden Grausamkeiten vergangener Boyfriends und die zerbrechliche Beziehung zur Mutter thematisiert. Das Resultat: immer wieder ein Verschlingen der geliebten Person, aus Angst sie zu verlieren, während der Zorn alles zu ersticken droht. Das Interview führte Victoria Esenwein.
Kannst du dein Buch kurz in eigenen Worten vorstellen? Welche Themen bestimmen das Buch?
Ganz unterschiedliche Themen, aber es gibt einige Motive und Personen, die immer wieder auftauchen: die Königin der Nacht zum Beispiel, die besonders virtuose Partien singt. Sie erreicht hohe Töne, die fast mit dem Schreien eines Kindes verwandt sind. Das ist eine frühe Darstellung verdrängter weiblicher Wut, als Stimme, die Raum einnimmt.
Wie lange hast du für dieses Buch gebraucht und ist dir das Schreiben schwergefallen?
Ich habe es in einem halben Jahr „rausgekotzt”. In dieser Hinsicht ist es mir nicht schwergefallen, es zu schreiben. Aber Schreiben ist ja nicht nur Tippen, sondern auch das Sammeln von Notizen, irgendwie schreibe ich also doch schon mein ganzes Leben lang daran. Jemand hat mal zu mir gesagt, in einem Buch steckt gewissermaßen schon der Anfang für das Nächste.
Warum ist die Protagonistin ausgerechnet von der Königin der Nacht so fasziniert?
Im Buch gibt es eine Stelle, in der steht, wie es ist, der Königin der Nacht zuzuhören. Sie schreit, ohne sich selbst zuzuhören und selbst wenn sie nicht scheitert, ist das Zuhören voyeuristisch und irgendwie grenzüberschreitend. Ich fand die Darstellung weiblicher Wut sehr interessant. Die Zauberflöte als sehr zugängliche Oper schien mir dafür geeignet.
Auf der ersten Seite stehen die Worte „Dieses Buch ist geschrieben, um vorgelesen zu werden.“ An wen richtet sich das Buch und was verpassen wir womöglich, wenn wir den Text nur lesen?
Ich komme eigentlich aus der Bildenden Kunst und habe angefangen zu schreiben, indem ich auf Performances gesprochen habe. Es ist interessant, dem Text eine Stimme zu geben und ich weiß von Menschen, die meine Performances kennen, dass sie meine Stimme hören, wenn sie es lesen. Das Vorlesen ist auch als soziale Praxis relevant, häufig durch die Eltern, eine Verselbstständigung der Worte in dem Moment, in dem sie durch einen Mund fließen.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich habe schon immer geschrieben und diese Notizwut gab es auch schon immer. Ich habe das Schreiben nur lange nicht als Ausdrucksform ernst genommen. Auch war es für mich einige Zeit nicht selbstverständlich, dass ein Text in fragmentierter Form existieren darf. Zum Schreiben bin ich auch aus der Not heraus gekommen. Ich habe zuerst Theaterregie studiert, dann Kunst, und für mich war das Studium teilweise eine traumatische Erfahrung. Letztendlich bin ich ja dann auch nicht Schauspielerin geworden. Ich dachte, ich mache gar nichts mehr mit Kunst, habe lange als Verkäuferin gearbeitet und dann gemerkt, dass ich etwas ausdrücken will, aber nicht wusste, wie, weil ich mein Medium verloren hatte. Dann habe ich angefangen zu tippen.
In deinem Buch gibt es verschiedene Formulierungen, die immer wieder auftauchen. Warum hast du ausgerechnet „In deinem rechten Auge wohnt der Teufel” zum Titel gemacht?
Es ist eine Zuschreibung, ein Mann sagt das zu einer Frau. Wut wird zu etwas nicht Kausalem erklärt und hysterisiert, wie eine Art Besessenheit.
Welches Buch liegt gerade bei dir auf dem Nachttisch?
Ich lese sehr gerne Texte von Freund*innen wie Jackie Grassmann oder Sophia Eisenhut, die das Nachwort geschrieben hat, zuletzt ihr Buch über Anorexie. Wir unterstützen uns gegenseitig, durch Präsenz und Anerkennung.
Das Cover ist lila, es geht immer wieder um grüne und blaue Flecken, Feuer und das rote Beissherz. Mit welcher Farbe würdest du dein Buch beschreiben?
Siehst du’s lila? Ich dachte, das Cover ist blau. Ich denke an die Kinder in den Tüllkleidern, die die Farbe wechseln bei der Wut, von rot zu gelb zu grün zu blau. Es gibt ein Bühnenbild von Schinkel von der Königin der Nacht, was mich inspiriert hat.
Die Protagonistin trifft an der Schauspielschule immer wieder ältere, in der Branche erfahrene Erwachsene, die den Glauben an neue Künstler*innen verloren haben. Sie gehen davon aus, dass alles schon vermittelt wurde, Altes – nur in schlechter – wieder aufgewärmt wird. Macht dir dieser Gedanke (immer noch) Angst?
Ich mag den Begriff Intertextualität total gerne, man schreibt nicht alleine und das Schreiben als Form von Gesprächsführung ist für mich total wichtig. Ich halte diese Professoren, die jungen Menschen das Gefühl vermitteln, dass nicht an ihre Kunst geglaubt wird, einfach für Idioten. Ich habe viel Zeit in meinem Leben damit verbracht, Männern in Machtpositionen Zeit zu zu gestehen und zu versuchen zu verstehen, warum sie verbittert sind. Und das, obwohl einem diese Differenzierungsleistung nicht entgegen gebracht wird und stattdessen Hysterisierung: in deinem rechten Auge wohnt der Teufel. Ich halte diese Aussage auch einfach für Quatsch und es für narzisstisch, dass sie alles für Epigonen von sich selbst halten. Ich glaube, dass gemeinsames Schreiben wichtig ist, und dass es sowieso stattfindet, auch wenn man sich in seinem Selbstbild versucht, an einem Geniekult zu orientieren.
Eins der Wortspiele oder Konstrukte, das immer wieder auftaucht, ist „la cri — ecrire, der Schrei – das Schreiben”: Schreien statt Schreiben. Wie fühlt es sich an, alles herausgeschrien zu haben und ist noch etwas übrig geblieben, vielleicht Stoff für ein weiteres Buch?
Es ist sehr komisch so ein Buch ziehen zu lassen und irgendwie schmerzhaft. Ich bin natürlich auch total selbstkritisch und es gab auch viele Stellen, die es aus Layout Gründen nicht mehr in das letzte PDF geschafft haben. Ich glaube, ich würde in Zukunft gerne mehr Kurzgeschichten schreiben, nur die Geschichte erzählen und nicht die Analyse direkt hinterherschieben. Das Spiel mit der Sprache selbst begleitet mich sehr, was auch mit meiner Beschäftigung mit Psychoanalyse zu tun hat, mit Jacques Lacan vor allem.