Theresa Patzschke ist Musikerin und Autorin aus Berlin. Vor kurzem ist ihre erste Novelle Verweile Doch erschienen. Victoria Esenwein hat sich in Pankow mit ihr getroffen, um darüber zu sprechen.
Kannst du das Buch kurz in eigenen Worten vorstellen? Welche Themen bestimmen das Buch?
Es geht um zwei Frauen, die „wie zwei Engel” in der Welt umhergehen und den Leuten Sex und Geld bringen. Damit setzen sie den üblichen Mechanismus des Tauschhandels (Sex gegen Geld) außer Kraft und verwandeln das ökonimische Prinzip in einen Potlatsch. In einem anderen Kapitel verliert die Menschheit ihre Körperlichkeit und so werden Leben und Tod das gleiche.
Es werden also immer bestimmte Rahmenbedingungen verändert, so dass alles aus dem Gleichgewicht gerät und sich die üblichen Dynamiken verändern. In gewisser Hinsicht benutze ich die gleichen Prinzipien wie Science Fiction, wo ja auch auch die fiktiven Veränderungen unserer realen Welt dazu einladen, über die Gegenwart zu reflektieren. Letztendlich geht es mir immer um die Auflösung des Patriarchats und der kapitalistischen Strukturen. Was wäre dafür nötig? Ich hoffe, dass wir sie überwinden, bevor Leben und Tod das gleiche werden!
Wie lange hast du für dieses Buch gebraucht und ist dir das Schreiben schwergefallen?
Das Schreiben ist mir gar nicht schwergefallen, ich habe es geliebt. Ich hatte aber auch nicht vor, ein Buch zu schreiben. Es ist innerhalb von drei Jahren entstanden und ich wusste bis zum Ende nicht, dass es ein Buchformat annehmen würde. Zuerst ist mir der Titel eingefallen, alles Andere kam dann chronologisch hinterher.
Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Ich war als Kind schon total fasziniert von Büchern und hatte eine Phase, in der ich unbedingt Schriftstellerin werden wollte. Dann habe ich aber eher Musik gemacht. Bei der Sprache hat mich immer gestört, dass sie eine spezifische Bedeutung hat, weil ich fand, dass sie dadurch nicht so direkt berühren kann wie Musik. Ich habe mich gefragt: Wie kann ich mit der Sprache Bilder erzeugen, die genauso direkt ins Herz treffen wie Musik? Ich habe dann viele Lese-Musik-Performances gemacht, oft auch mit der Musikerin und Dichterin Eleni Poulou. Wir haben Musik gespielt, unsere Texte gelesen und haben so beide Ausdrucksformen miteinander verbunden. Bei einer dieser Performances haben mich meine Verleger gefunden.
Was liest du gerade?
Ich lese gerade zwei Bücher gleichzeitig, einmal von Erich Fromm Die Kunst des Liebens und einmal Permission von Saskia Vogel. In ihrem Buch geht es um die Verknüpfung von Erotik und Trauer.
Wieso schreibst du über Träume?
Wenn ich proklamiere, dass Tod und Leben eigentlich das gleiche sind, würde ich da auch die Träume einordnen. Wir wissen nicht, was der Tod ist, aber vielleicht wissen wir auch nicht, was das Leben ist. Träume sind das Dazwischen: Was ist das wache und was das schlafende Bewusstsein und welches ist das eigentlich wache?
Woher kommt die Idee der körperlosen Existenz und einer immateriellen Welt?
Vor ein paar Jahren war das Theater um Bitcoin sehr groß. Die Idee, durch die Blockchain Geld noch weiter aus seiner physischen Existenz zu rücken, fand ich spannend. Das habe ich dann einfach auf uns selbst ausgeweitet.
Der Titel deiner Novelle („Verweile doch“) ist ein Zitat aus Faust. Welchen Zugang hast du zu diesem Text und welche Rolle spielt Intertextualität in deiner Arbeit?
Bei Goethe ging’s mir vor allem wieder um das Auflösen alter Strukturen. Im Faust gibt es ja diese Entweder-oder-Frage: Faust kriegt vom Teufel wunderbare Momente heraufbeschworen, die er nicht selber konstruieren kann, bis er “Verweile doch, du bist so schön” sagt und dann dafür seine Seele hergeben muss. Das ist alles so tragisch.
In meiner Geschichte wollen die Protagonistinnen Henna und Mathilde auch sterben, aber aus einem anderen Grund: Sie brauchen keinen Teufel, gewissermaßen sind sie selbst der Teufel (oder Gott). Sie bereiten einander die ganze Zeit so schöne Momente, dass sie diese durch einen gemeinsamen Liebestod in die Ewigkeit überführen wollen. Das Absurde ist dann eher, dass sie nicht sterben können, weil ja die Menschheit in der Novelle ihre körperliche Existenz verliert und so Leben und Tod das gleiche werden: Sterben wird unmöglich.
Würdest du sagen, das Buch ist humorvoll?
Alles, was ich sage, meine ich wirklich ernst. Aber die lustigsten Witze sind ja auch die, in denen es um ernste Themen geht. Ich habe beim Schreiben auch oft laut gelacht.