“Freiheit, Frieden, Sicherheit” – oder doch “Mehr Eis”? Bei der Europawahl geht es um große Fragen: Welche Konsequenzen erwarten uns bei dem erwarteten Rechtsruck im Parlament? Und wie wirken sich die Wahlen auf Hochschulen aus? Antworten darauf gibt Pauline Roßbach.
Die Europäische Union hat jüngst eine umstrittene Entscheidung getroffen: Am 14. Mai stimmten die Mitgliedstaaten der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu. Asylverfahren sollen künftig bereits an den EU-Außengrenzen stattfinden. In der Kritik stehen dabei die sogenannten Asylzentren, in denen Schutzsuchende, selbst Familien mit Kindern, unter haftähnlichen Bedingungen ausharren müssen, bis ihr Asylantrag bewilligt oder abgelehnt wird.
Neben der Asylpolitik stehen im Europäischen Parlament noch viele weitere europaweite Entscheidungen bevor, die von großer Bedeutung sind. Wie die zukünftige Klima- und Sozialpolitik der EU aussehen wird, zum Beispiel. Oder die weitere Unterstützung für die Ukraine. Und ob sich die EU selbst, mit ihren Mitgliedstaaten, zu einem demokratischeren System weiterentwickeln kann.
Wie groß wird der Rechtsruck in Brüssel?
Im EU-Parlament steht ein Rechtsruck bevor – die Frage ist nur noch, wie groß dieser ausfallen wird. Was würde passieren, wenn das EU-Parlament von rechten Parteien dominiert würde, welche die Kompetenzen der EU beschränken und die europäische Zusammenarbeit eindämmen wollen?
Laut der Ipsos-Wahlprognose könnten die beiden rechten Fraktionen, Identität und Demokratie (ID) und die Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) zusammen 157 Sitze erhalten. Das würde einem Fünftel des 705-köpfigen Parlaments entsprechen. In der ID-Fraktion sitzen unter anderem das französische Rassemblement National, die italienischen Lega und die niederländische Partij voor de Vrijheid von Geert Wilders. Die AfD wurde wegen Europapolitiker Maximilian Krah kürzlich aus der ID-Fraktion ausgeschlossen. Der ECR-Fraktion gehören die polnische Prawo i Sprawiedliwość (PiS) , diecFratelli d’Italia von Giorgia Meloni und die rechtspopulistischen Sverigedemokraterna aus Schweden an. Ob die ID die AfD nach der Wahl wieder aufnimmt, oder sich die beiden Fraktionen ID und ECR zusammenschließen und mit der AfD zusammenarbeiten, ist beides nicht auszuschließen. Ursula von der Leyen, die voraussichtlich ihre zweite Amtszeit als Kommissionspräsidentin antreten wird und der EVP-Fraktion angehört, hat sich ihrerseits offen gezeigt, mit der ECR zusammenzuarbeiten.
Was haben die Parteien für europäische Hochschulen geplant?
Für Studium und Wissenschaft haben die Parteien auf europäischer Ebene verschiedene Pläne. Die SPD fordert ein gebührenfreies Erst- und Masterstudium, höhere Bildungsausgaben und eine Stärkung von ERASMUS+. Auch die CDU/CSU will ausländische Studienaufenthalte sowie grenzüberschreitendes Arbeiten erleichtern und die Kooperation von Spitzenuniversitäten fördern. Die FDP möchte Studiengänge von europäischen Hochschulen, die miteinander kooperieren, und insbesondere Studiengänge in Grenzregionen fördern.
Die Grünen sprechen sich für einen europäischen digitalen Studierendenausweis aus und dafür, die Mittel für ERASMUS+ zu verdoppeln. Sie thematisieren außerdem, dass FLINTA*s in sogenannten MINT-Berufen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Die Linke verlangt nach einer Reform des Bologna-Systems, da es Universitäten zu sehr als Wegbereiter in den Markt sehe als Einrichtungen mit gesellschaftlicher Verantwortung. Sie möchte außerdem die Aufnahme eines Studiums an ein Bleiberecht koppeln. Die AfD positioniert sich gegen die Idee eines europäischen Bildungsraums und fordert, der EU ihre Kompetenzen für eine einheitliche Hochschulpolitik zu entziehen.
Auch kleine Parteien haben gute Chancen
Daneben gibt es viele Kleinparteien: Die PIRATEN, die Letzte Generation, Volt, die paneuropäische MERA25 – die Liste ist lang. Letztere ist eine der wenigen, die sich solidarisch mit Palästina positionieren. Für DIE PARTEI kandidiert Bestsellerautorin Sibylle Berg als neue Spitzenkandidatin. Bei der diesjährigen Europawahl gibt es für kleinere Parteien noch keine Sperrklausel. Jede Partei, die den notwendigen Anteil der Stimmen gewinnt, bekommt einen der 96 deutschen Sitze im EU-Parlament. Wie hoch dieser Anteil ist, hängt von der Wahlbeteiligung ab. Bei der Europawahl 2029 müssen Parteien mindestens 2 Prozent aller Stimmen erreichen.
Der Aufwind der Rechten könnte ihnen in Brüssel mehr Sitze sichern. Doch es gibt Parteien, die dem etwas entgegensetzen könnten. Insgesamt haben Sozialdemokraten, Grüne und Linke im Parlament in Brüssel 248 Sitze. Ob sie diese verteidigen können, wird sich am 9. Juni entscheiden.